Herne. Die Menschen in einem Herner Pflegeheim müssen ihren Lebensabend woanders verbringen: Das Haus macht dicht. Wie es jetzt weitergeht.
Erst 2021 hat das Awo-Seniorenzentrum Am Katzenbuckel mit einem großen Fest das 50-jährige Bestehen gefeiert, nun muss der Wohlfahrtsverband eine traurige Nachricht verkünden: Die Einrichtung in Herne-Börnig schließt zum 31. Dezember 2025. Betroffen von der Aufgabe des Standorts sind - Stand jetzt - 115 Bewohnerinnen und Bewohner, 109 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie knapp 20 Mieterinnen und Mieter in den Wohnungen am Seniorenzentrum.
„Für uns ist das kein schöner Tag heute“, sagt Uwe Hildebrandt, Geschäftsführer des Trägers Awo-Bezirk Westliches Westfalen, am Mittwochvormittag in einem Pressegespräch. Nach „sehr vielen Überlegungen“ in den vergangenen zwei Jahren sei man zu dem Ergebnis gekommen, das Haus aufzugeben.
Die Ankündigung überrascht, denn: Im Mai 2018 hatte die Arbeiterwohlfahrt öffentlich verkündet, das in die Jahre gekommene Börniger Pflegeheim sukzessive abreißen und an diesem Standort wieder aufbauen zu wollen, ergänzt durch eine neue Kindertagesstätte. Nach Anwohnerprotesten stampfte die Awo die Kita-Pläne an diesem Standort ein und errichtete stattdessen eine Kita an der Castroper Straße. In Sachen Pflegeheim hielten sich die Verantwortlichen dagegen weiterhin bedeckt - bis zum Mittwoch, wo neben der Presse nacheinander Betriebsrat, Personal, die Bewohnerinnen und Bewohner des Heims und der Wohnungen sowie Angehörige informiert worden sind.
Am schlechten baulichen Zustand der Einrichtung und folglich dringend notwendigen Investitionen in Millionenhöhe hat sich laut Awo nichts geändert. Den Kurswechsel begründet der für insgesamt 60 Seniorenheime zuständige Bezirksverband damit, dass sich die Voraussetzungen geändert hätten. „Es besteht kein Bedarf für ein weiteres Haus in Herne“, sagt Hildebrandt. Laut dem aktuellen Pflegebedarfsplan gebe es in Herne einen Überhang von rund 400 Plätzen in der Pflege (inklusive Wohngemeinschaften). Das sei „eine besondere Situation“.
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Dass in Herne - anders als beispielsweise im Kreis Recklinghausen - ein Überangebot bestehe, habe die Awo auch bei der Belegung des 2023 eröffneten Berta-Schulz-Seniorenzentrums an der Karlstraße in Wanne feststellen müssen. Von der Stadt war am Mittwoch auf eine (sehr kurzfristige) WAZ-Anfrage bislang keine Stellungnahme zur Pflegesituation in Herne zu bekommen.
Wie geht es nun weiter in Börnig? Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen bis Ende 2025 möglichst in den drei weiteren Awo-Seniorenzentren in Herne oder auch in Awo-Häusern in benachbarten Städten untergebracht werden. In Herne betreibt der Wohlfahrtsverband neben dem neuen Berta-Schulz-Seniorenzentrum in Wanne Einrichtungen in Constantin (Willi-Pohlmann) und Eickel (Grete-Fährmann) mit insgesamt rund 270 Plätzen.
Sie garantierten, dass allen Bewohnerinnen/Bewohnern ein Angebot für einen Platz in einer anderen Einrichtung gemacht werde, betont Hildebrandt. Fürs Willi-Pohlmann-Seniorenzentrum bemühe man sich derzeit bei der Stadt um eine Erweiterung von 15 Plätzen. Auf Wunsch stehe es jedem natürlich frei, in Häuser anderer Träger umzuziehen, sagt Heike Strauß, Leiterin des Else-Drenseck-Seniorenzentrums. Für die Einrichtung Am Katzenbuckel sei inzwischen ein Belegungsstopp verfügt worden.
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Auch dem Personal im Else-Drenseck-Seniorenzentrum gibt die Awo-Führung Garantien. „Wir brauchen jeden Mitarbeiter“, sagt die stellvertretende Bezirksgeschäftsführerin Elke Hammer-Kunze mit Verweis auf den Fachkräftemangel. Der Bedarf sei groß. Vor acht Jahren habe die Awo im Westlichen Westfalen 150 Menschen in der Pflege ausgebildet, derzeit liege die Zahl bei etwa 500. Trotzdem reiche das nicht aus. „Die Wahrheit ist: Ein Drittel bricht die Ausbildung ab“, so Hildebrandt. Durch die Schließung in Börnig könnten die anderen Awo-Standorte in Herne „auf gutem Niveau konsolidiert“ und die Qualität der Pflege weiterhin gewährleistet werden.
Wie der Standort Am Katzenbuckel nach dem (laut Awo wohl unvermeidlichen) Abriss der Gebäude in Zukunft genutzt werden könnte, sei offen. „Wir haben noch keinen konkreten Plan“, sagt Hildebrandt. Sie seien sehr daran interessiert, mit der Stadt über Ideen und Bedarfe für dieses Grundstück zu sprechen. Für die Arbeiterwohlfahrt gehe es aber vorrangig darum, ein möglichst geordnetes Auslaufen der Einrichtung in Börnig zu organisieren: „Diese 14 Monate werden nicht einfach.“