Herne/Bochum. In Herne soll ein Obdachloser bei einem bewaffneten Juwelierüberfall eine Geisel genommen haben. Die Opfer sprechen von Todesangst.
Gut ein halbes Jahr nach einem Aufsehen erregenden Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft an der Herner Bahnhofstraße muss sich der mutmaßliche Täter jetzt vor dem Bochumer Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft skizziert in der Anklageschrift ein Geiseldrama vor einer Menschenmenge.
Auf der Anklagebank vor der 4. Strafkammer sitzt ein 41-jähriger Herner, der sich zuletzt in einer städtischen Obdachlosenunterkunft aufgehalten hat. Der Mann war seinerzeit betrunken (2,1 Promille) in unmittelbarer Tatortnähe von der Polizei festgenommen worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Zum Prozessauftakt am Donnerstag, 31. Oktober, hat er sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Sein Herner Verteidiger Ingo Benninghoven kündigte aber bereits an, dass der 41-Jährige am kommenden Prozesstag sein Schweigen brechen und sich erklären werde.
Herne: Anklage skizziert „Albtraum-Tat“
Es war der 14. Mai, als der Angeklagte gegen 18 Uhr den Juwelierladen in der Herner Fußgängerzone betreten haben soll. Die Szenen, die sich in den darauffolgenden Minuten in dem Ladenlokal abgespielt haben, werden die schockierten Mitarbeiter wohl nie mehr vergessen. Denn die Anklage skizziert eine „Albtraum-Tat“. Zunächst soll der obdachlose Mann in die Rolle eines normalen Kunden geschlüpft und sich freundlich nach Eheringen erkundigt haben. Mitten im Verlauf eines auf Russisch geführten Gesprächs mit einer Mitarbeiterin soll der 41-Jährige dann plötzlich eine Softair-Pistole hervorgezogen und mit ausgestrecktem Arm gefordert haben: „Pack‘ alles ein! Kasse auf!“ Dass die Pistole offenbar ungeladen war, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand wissen.
Der Angeklagte soll einem Kunden, der während der Tat das Geschäft betrat, ins Gesicht geschlagen haben. Sodann soll er mit der Faust auf die Kasse und mit der Pistole auf den Verkaufstresen eingedroschen haben, so dass das Magazin aus der Waffe auf den Boden fiel. Als der 41-Jährige sich laut Anklage gerade gebückt haben soll, um das Magazin aufzuheben und die Pistole erneut zu beladen, gelang dem Kunden die Flucht aus dem Geschäft.
Unter Todesängsten sollen die zwei Mitarbeiterinnen dem Täter sodann 235 Euro Bargeld aus der Kasse sowie Goldschmuck - Anhänger, Halsketten, Ringe, Ohrringe - im Gesamtwert von rund 5500 Euro übergeben haben. Einem weiteren Mann, der währenddessen das Juweliergeschäft betrat, soll der Angeklagte die Pistole in den Bauch gedrückt und ihn gezwungen haben, Schmuck aus der Vitrine zu übergeben.
+++ Nachrichten aus Herne - Lesen Sie auch: +++
- Handtaschenräuberin schleift Hernerin (87) über den Boden
- Herner Pflegeheim muss schließen: 250 Menschen betroffen
- Ärger um „Crange feiert“: Tickets verkauft, aber kein Gelände
Da sich laut Anklage zwischenzeitlich vor dem Geschäft eine „Menschenmenge“ versammelt hatte, soll der Herner einer Angestellten angedroht haben: „Rufst du die Polizei, erschieße ich dich!“. Die andere Mitarbeiterin soll er als Geisel genommen und mit Waffengewalt dazu gezwungen haben, ihn auf seiner Flucht über die Schaeferstraße zu begleiten. „Die Zeugin fürchtete, erschossen zu werden“, heißt es in der Anklageschrift wörtlich.
Die Anklage lautet auf schwere räuberische Erpressung und Geiselnahme. Im Falle eine Verurteilung drohen dem Herner danach mindestens fünf Jahre Haft. Für den Prozess haben die Bochumer Richter derzeit noch vier weitere Sitzungstage bis zum 16. Dezember anberaumt.