Herne/Bochum. Der Erstickungstod eines Rentners (83) in einer Herner Klinik ist zum Fall für die Staatsanwaltschaft geworden. Auslöser war ein WAZ-Bericht.

Knapp drei Jahre nach dem qualvollen Tod eines Rentners im Marien Hospital in Herne prüft die Bochumer Staatsanwaltschaft jetzt eine mögliche strafrechtliche Verantwortung von Ärzten und Pflegepersonal. Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann bestätigte auf Anfrage, dass ausgelöst durch die Herner WAZ-Berichterstattung inzwischen Ermittlungen wegen eines Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung angelaufen sind.

Rückblick: Mitte Juli war der Herner Witwe des verstorbenen Patienten in einem Zivilprozess am Bochumer Landgericht seitens der Klinik Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von 21.000 Euro zugesagt worden. Ein medizinischer Sachverständiger hatte sich zuvor festgelegt, dass für den Tod des Rentners ein „Behandlungsfehler“ aufseiten der Klinik ursächlich gewesen sei.

Die Bochumer Staatsanwaltschaft prüft eine mögliche strafrechtliche Verantwortung von Ärzten und Pflegepersonal: Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann.
Die Bochumer Staatsanwaltschaft prüft eine mögliche strafrechtliche Verantwortung von Ärzten und Pflegepersonal: Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Der 83-jährige Herner war an Parkinson erkrankt und während der Corona-Pandemie im Herbst 2021 zunächst wegen Herzproblemen stationär in der Klinik am Hölkeskampring behandelt worden. Während des Aufenthaltes infizierte er sich mit dem Coronavirus, wurde deswegen auf die Isolierstation verlegt und verstarb dort am 10. Oktober 2021. Angeblich an einer Corona-Infektion. Denn auf dem Totenschein wurde als Todesursache „Covid 19“ notiert.

Hernerin: „Ich habe sofort gesagt, dass das nicht stimmen kann“

Dass das aber gar nicht die wahre Todesursache war, hat erst eine auf Kosten der massiv zweifelnden Witwe vorgenommene Obduktion des Leichnams ergeben. „Ich habe sofort gesagt, dass das nicht stimmen kann. Es ist schrecklich“, hatte sich die Hernerin im Juli vor Gericht erinnert.

Das Ergebnis der Obduktion schockiert die Witwe bis heute: Ihr isoliert auf der Station liegender Ehemann war nämlich keineswegs an einer Covid-19-Infektion verstorben, sondern an seinem eigenen Speichel erstickt. Obwohl bekannt war, dass der Herner als Parkinson-Patient unter Schluckbeschwerden litt, war bei ihm im Quarantänezimmer offenbar nicht ein einziges Mal Speichel aus dem Mund und der Luftröhre abgesaugt worden.

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Auf Nachfrage hatte der medizinische Sachverständige im Zivilprozess erklärt, dass selbst ein einmaliges Absaugen eine Minute vor dem Tod das Leben des Herners zu diesem Zeitpunkt ohne Zweifel noch gerettet hätte. „Einen solchen Befund habe ich ehrlich gesagt noch nie gesehen“, hatte der Sachverständige kritisiert. Die Herner Ärzte und auch das Pflegepersonal hätten damals doch erkennen müssen, dass der Speichel bei dem Rentner langsam, aber unaufhörlich bis in die Bronchien sickert. „Der Patient konnte sich wegen der zunehmenden Parkinson-Krise nicht mehr artikulieren“, war sich der Sachverständige sicher.

Im Anschluss an den Zivilprozess und die dazugehörige WAZ-Berichterstattung wurden vom Bochumer Landgericht nun die Akten angefordert. Durch die Aufnahme von Ermittlungen will die Bochumer Staatsanwaltschaft nun prüfen, wie der 83-jährige Patient unter ärztlicher Aufsicht so tragisch und dramatisch ersticken konnte. Und wer sich möglicherweise dafür am Ende vor Gericht verantworten muss.

Auf wie viele Personen sich der Kreis der möglichen Verdächtigen konzentriert, ist derzeit nicht bekannt. Fahrlässige Tötung (Paragraf 222 Strafgesetzbuch) wird im Falle einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.