Herne. Christina Gwiasda stellt als „Mermaid Chrissi“ Schwänze und Flossen für Meerjungfrauen her. In Wanne-Eickel wartet eine Grotte als Showroom.
Aus dem Schuppen im Hof der Wanne-Eickeler Siedlung dringen karibische Klänge. Vorbei an den eingelagerten Winterreifen, ein Vorhang schiebt sich zur Seite und gibt den Blick frei auf eine Grotte: Es funkelt und glitzert. Muscheln, Steine und riesige lebensgroße Schwänze von Meerjungfrauen (und -männern). Christina Gwiasda hat hier ihren Showroom. Die 24-Jährige stellt die Ausrüstung mittlerweile hauptberuflich her.
+++ Auch interessant: Kein Ersatz bei Abriss von wichtigster A43-Brücke in Herne +++
Jede Flosse ist ein Unikat und ganz schön schwer
Man muss schon etwas kräftiger sein, um diese den halben Körper umschließenden Teile anzuheben. Die Flossen sind aus Silikon gefertigt. „Wenn man sie trägt, denkt man, dass es der eigene Körper ist“, sagt Christina, die unter dem Namen „MerChrissi Tails“ auftritt. Mermaiding, das Meerjungfrauen-Hobby ist populär. Schwimmbäder bieten Kurse an. Mit den Kostümen, die man mittlerweile bei jedem größeren Online-Kaufhaus kaufen kann, haben diese Teile wenig gemein.
Die gelernte Erzieherin hat sich mit dem Gewerbe selbstständig gemacht, den alten Job nach der Ausbildung im Waldorf-Kindergarten an den Nagel gehängt. Sie versende die Teile auf Nachfrage in die ganze Welt. Im Idealfall wird jeder Schwanz für die Trägerin exakt angepasst. Dazu gibt’s Schmuck, Oberteile – alles, was von den späteren Trägerinnen gefragt wird. Alles für die perfekte Illusion. Kann der Reporter mal anprobieren? Geht nicht. Jedes Stück ist ein Unikat.
Wer schön sein will, wird erst einmal eingewickelt
Wer Flosse und Schwanz in Auftrag gibt, wird erst einmal in Frischhaltefolie eingewickelt. Außen herum kommt eine dicke Schicht Gewebeband. Der improvisierte Panzer wird später aufgeschnitten und stellt ein ziemlich genaues Abbild des Unterkörpers dar. Aus dem ersten Abbild wird später der Meerjungfrauenkörper geformt, Schicht für Schicht. Innen sind Schwimmflossen verbaut. Das sei wichtig, um später damit sicher schwimmen zu können. „Es wäre gefährlich, wenn man herausrutscht“, sagt Christina. Sie warnt vor unsicheren Anzügen aus dem Versandhandel. Das könne gerade für Kinder zum echten Sicherheitsrisiko werden.
Es dauere wohl mindestens einen guten Monat, bis eine Riesenflosse fertig ist, sagt Christina Gwiasda. Durch Trocknungszeiten ergebe sich immer wieder eine Wartezeit. Es wird geformt, geschnitten und bemalt. „Am Anfang habe ich noch mit meinem Papa Silikon im Baumarkt besorgt und rumprobiert.“ Aus den ersten Versuchen mit 14 sei mittlerweile eine professionelle Werkstatt geworden, das Material zu Profisilikon gewechselt. Jeder Schwanz erhält ein eigenes Design. Die Arbeit hat ihren Preis. Der Stückpreis für die Unikate beginnt bei 2000 Euro.
Tauchen mit Haien und Rochen im Sea-Life-Aquarium und ein Auftritt im Kinofilm von Fatih Akin
Die 24-Jährige trägt ihre eigenen Produkte auch mit Leidenschaft selbst. Das außergewöhnliche Hobby brachte Christina Gwiasda schon Auftritte im Oberhausener Sea-Life-Aquarium ein. Dort schwamm sie mit Haien und Rochen in den riesigen Becken fürs Publikum und produzierte faszinierende Bilder. Das Highlight schlechthin: Mit zwei anderen Meerjungfrauen spielte sie im Kinofilm Rheingold von Fatih Akin mit.
„Es sind nicht nur Frauen“, sagt Christina über das Publikum. Ist das schon Fetisch oder noch Leidenschaft? Bei vielen Menschen sei die Begeisterung wohl über etliche Serien im TV oder auf den Streaming-Portalen entstanden.
Christina bietet selbst im Sommer an der kroatischen Küste Bootstouren für andere Meerjungfrauen und Meermänner an. Dann ist auch Simon Loske, der Ehemann der frischverheirateten Wanne-Eickelerin dabei. Nur, dass er selbst mal eine Flosse anzieht und als Meermann auftritt, sei bislang ausgeschlossen gewesen.