Herne. Das Kleine Theater ist zurück aus der Corona-Pause. Im WAZ-Interview verraten Heike Hebing und Jürgen Seifert, was die Zuschauer jetzt erwartet.

17 Monate ohne Bühne liegen hinter ihnen. Das wissen Heike Hebing, zweite Vorsitzende des Kleinen Theaters Herne, und Jürgen Seifert, Regisseur und Drehbuchautor, auf den Tag genau. 17 Monate, in denen vor allem das Miteinander fehlte, die jedoch auch Zeit und Raum brachten, um einige Dinge zu verändern. Im September startet das Ensemble wieder mit seinem Stück „Der Petersilienmörder“, dessen Aufführung 2020 durch Corona jäh unterbrochen wurde. Im Interview mit der WAZ sprachen Hebing und Seifert über ihre Pläne nach dem Neustart.

Nach über einem Jahr sind Sie aus der Corona-Pause zurück, am vergangenen Montag haben Sie sich erstmalig wieder zum Proben getroffen. Wie hat sich das angefühlt?

Seifert: Ich war aufgeregter als bei der Premiere. Aber nach zehn Minuten auf der Bühne war es wieder wieder früher. Alle Kollegen waren froh, dass wir uns nach 17 Monaten endlich wiedergesehen haben.

Hebing: Das Hallo war sehr groß, und alle waren motiviert. Ich dachte ehrlich gesagt, nach einer so langen Pause wird die Probe ein Desaster. Aber nein, es lief erschreckend gut.

Viele Vertreter der Kunst- und Kulturszene haben sich während der Corona-Lockdowns vergessen gefühlt. Ging es ihnen auch so?

Hebing: Finanziell fühlten wir uns sehr gut unterstützt. Alles, was wir beantragt haben, ist auch genehmigt worden. Für uns war es aber auch leichter, weil wir ein eigenes Haus haben. Wir sind keine Solo-Selbstständigen und kein Tingeltheater. Die wurden tatsächlich vergessen.

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Was hat sich während der Spielpause im Kleinen Theater getan?

Hebing: Mithilfe von Fördergeldern haben wir einiges verändert und verbessert. Wir haben eine Klimaanlage eingebaut, die eine sehr hohe Prozentzahl an Viren und Bakterien abtötet. Wo es keine stationäre Anlage gibt, haben wir mobile Klimaanlagen angeschafft. Außerdem haben wir die komplette Technik aufgerüstet und bargeldlose Bezahlmöglichkeiten geschaffen. Als nächstes soll noch das Licht im Theater erneuert werden.

Außerdem haben Sie neue und digitale Formate entwickelt. Man kann bei Ihnen zum Beispiel ein Escaperoom-Spiel machen und von zu Hause aus an einem Online-Krimi teilnehmen. Hat die Krise Sie kreativ beflügelt?

Hebing: Wir haben das in erster Linie gemacht, um beim Publikum nicht in Vergessenheit zu geraten. Und dann ist es ganz toll angelaufen. Von vielen Leuten haben wir gehört, dass die Zeit beim Online-Krimi wie im Flug vergangen ist. Außerdem konnten wir jüngere Zielgruppen für uns gewinnen. Es kamen zum Beispiel viele Jugendliche mit der Erwartungshaltung: Ein Theater, das einen Escaperoom anbietet – das kann nicht gut gehen. Aber die waren dann doch begeistert.

So sieht es aus, wenn man vor dem PC einen Kriminalfall löst. Der Online-Krimi des Kleinen Theaters Herne sei sehr gut angelaufen, sagt Heike Hebing.
So sieht es aus, wenn man vor dem PC einen Kriminalfall löst. Der Online-Krimi des Kleinen Theaters Herne sei sehr gut angelaufen, sagt Heike Hebing. © Kleines Theater Herne

René Lehringer, Sprecher des Kleinen Theaters, hat im vergangenen Jahr gesagt, ein digitales Format werde es bei Ihnen auf keinen Fall geben: gestreamte Theaterstücke. Bleibt es dabei?

Hebing: Wir haben mittlerweile das nötige Equipment und möchten es nicht mehr ausschließen. Jetzt wollen wir aber erstmal schauen, wie die Stücke in Präsenz anlaufen. Kommen die Leute wieder? Wenn wir merken, dass sich das Publikum vor Ort unsicher fühlt, dann sind wir flexibel und können Streaming anbieten.

Seit dieser Woche proben sie wieder – allerdings unter Corona-Bedingungen. Wie kann man sich das vorstellen?

Seifert: In unserem Ensemble gibt es viele Ältere, wir sind ein bisschen ängstlich. Voraussetzung war deshalb, dass sich jeder impfen lässt oder vor der Probe testet. Mittlerweile haben tatsächlich alle Mitglieder den vollständigen Impfschutz.

Hebing: Das ist für uns eine große Erleichterung. Sonst hätten wir mit Maske proben müssen, das ist für ein Theaterstück wirklich hinderlich. Und Abstand einhalten, wenn man eine Liebesszene spielt, geht einfach nicht.

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Was erwartet die Zuschauer beim Neustart im September?

Seifert: Erst einmal unser Stück „Der Petersilienmörder“. Das haben wir zum ersten Mal im November 2019 aufgeführt. Im März 2020 mussten wir die Vorstellungen wegen Corona unterbrechen. Jetzt können wir voraussichtlich 50 bis 70 Vorstellungen anbieten.

Worum geht es?

Seifert: Schauplatz ist ein Altenheim, in dem nur „von“-Leute wohnen. Die Schwester Heidi von Trübsinn zum Beispiel, oder der Graf Johann von Dreister. Innerhalb von vier Monaten sterben dort vier Leute. Da wird die Polizei hellhörig und fängt an zu ermitteln. Eine Leiche wird exhumiert und man stellt fest, dass sie vergiftet worden ist.

Hebing: In der Pause fragen wir die Zuschauer, wer ihrer Meinung nach der Mörder ist. Wer richtig liegt, kann etwas gewinnen.

Seifert: Es gibt eine Flasche Sekt. Allerdings hat in den bisherigen Aufführungen nur zweimal jemand richtig geraten.

Welche Maßnahmen treffen Sie, um das Publikum zu schützen?

Hebing: Wir werden klare Beschränkungen einführen. Wer nicht getestet, geimpft oder genesen ist, darf nicht rein. Das werden wir erstmal beibehalten, auch wenn die Inzidenz sinkt. Wenn es schlimmer wird, erhalten möglicherweise nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt. Darüber diskutieren wir gerade noch. Klar ist: Wir wollen nicht zur Virenschleuder werden.

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Seifert: Wir werden das Theater auch nicht voll besetzen. Normalerweise haben 50 Leute Platz, wir planen zunächst mit der Hälfte.

Gibt es schon Pläne für 2022?

Seifert: Während der Lockdowns habe ich ein neues Stück namens „Paarvermittlung im Mondschein“ geschrieben. Es geht darin um drei Frauen verschiedenen Alters, die von den Männern enttäuscht worden sind. Die machen eine Paarvermittlung auf und wollen Männer ranschaffen, veranstalten Speed-Datings und vieles mehr. Nächstes Jahr können wir anfangen, dieses Stück zu proben.

>>> Weitere Informationen: Zur Person

  • Jürgen Seifert wurde am 25. Februar 1944 in Gebirgsneudorf im heutigen Tschechien geboren. Noch vor seinem ersten Geburtstag kam er nach Herne. Als Elektrotechniker arbeitete er in vielen Ländern. Seine Leidenschaft fürs Theater entdeckte er erst spät: Nachdem er mit seinen Reden bei 50. Geburtstagen regelmäßig für Lacher sorgte, trat er zunächst bei Karnevalsveranstaltungen auf. 2002 begann er, beim Kleinen Theater Herne zu spielen. Seifert ist verheiratet und hat einen Sohn.
  • Heike Hebing wurde am 9. März 1970 in Gelsenkirchen geboren. Dort lebt und arbeitet die Diplomökonomin als Verwaltungschefin einer Jugendhilfeeinrichtung. Auf der Theaterbühne stand sie schon als Zehnjährige, später gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern des Kleinen Theaters Herne. Hebing ist verheiratet und hat zwei Kinder.