Düsseldorf. Die neue Corona-Schutzverordnung für NRW setzt ab Freitag auf die „3-G-Regel“: Geimpfte, Genesene und Getestete haben Vorteile.

Ob die neue Corona-Schutzverordnung (CSV) in NRW tatsächlich eine „Zeitenwende“ einleitet, wie NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) behauptet, sei dahingestellt. Leichter verständlich ist das Regelwerk, das ab Freitag für vorerst vier Wochen greift, aber allemal. Acht statt 37 Seiten ist die CSV kurz. Und es gibt nur noch eine einzige Inzidenzstufe.

Was ist der Kern der neuen Schutzverordnung?

Die so genannte „3-G-Regel“. „G“ steht für vollständig geimpft, genesen oder getestet. Ab einer landesweiten Sieben-Tage-Inzidenz von 35 -- derzeit liegt die Inzidenz bei fast 60 – müssen alle, die nicht komplett geimpft oder genesen sind, bei vielen Aktivitäten einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Das gilt für die Innengastronomie, Hotels und Pensionen, Sport in Hallen, grundsätzlich für Veranstaltungen in Innenräumen und für Großveranstaltungen im Freien ab 2500 Teilnehmern. Bei Schülern, die ja mehrmals wöchentlich getestet werden, reicht die Vorlage des Schülerausweises.

Dort, wo das Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren besonders groß ist, zum Beispiel in Diskotheken, Clubs und Tanzveranstaltungen, reicht ein aktueller Schnelltest nicht. Hier müssen Bürger einen negativen PCR-Test vorlegen. Gleiches gilt bei sexuellen Dienstleistungen.

Die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Maske gilt weiter beim Einkaufen, im Nahverkehr und in Warteschlangen – auch für Geimpfte und Genesene.

Wichtig: Es gibt nur noch eine Inzidenzstufe (ab 35) und nicht mehr vier.

Warum fährt NRW diesen Kurs?

Weil sich die Bund und Länder zuletzt darauf geeinigt hatten, Geimpften keine oder nur noch geringe Einschränkungen zu machen. „Wir können vielen Menschen wieder Freiheiten zurückgeben“, sagte Laumann am Dienstag. Zwar steigen die Inzidenzwerte in NRW seit Wochen an, andererseits sei die Corona-Lage in den Krankenhäusern derzeit „entspannt“.

Gibt es bald einen anderen Richtwert als die Sieben-Tage-Inzidenz?

Vorerst nicht. „Wir haben noch keine neue Kennzahl“, gab Laumann zu. Sein Ministerium schaue bei der Beurteilung der Corona-Lage aber stets nicht nur auf die Inzidenz, sondern zum Beispiel auch auf die Zahl der Corona-Patienten in Krankenhäusern, auf den Stand der Impfkampagne und den R-Wert, mit dem die Ausbreitung des Virus beschrieben wird.

Der Aachener Intensivmediziner Gernot Marx, der auch Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin ist, sagte, man benötige dringend einen einfachen neuen Vorhersagewert. Der Weg dahin sei aber hochkomplex. Marx appellierte an alle noch Ungeimpften, sich schnell immunisieren zu lassen. Man sei bei der Pandemie „noch nicht über den Berg“.

Wann beginnen die Auffrischungsimpfungen?

Praktisch ab sofort, zumindest für bestimmte Menschen: In Pflegeheimen und bei Personen über 80 Jahren sollten laut Minister Laumann die Auffrischungsimpfungen jetzt über die Hausärzte erfolgen, wenn die Zweitimpfung schon sechs Monate zurückliegt. Auch Personen, die daheim gepflegt werden, sollen von den Hausärzten Auffrischungsimpfungen bekommen.

Auffrischungsimpfungen für alle Menschen, die mit Vektor-Impfstoffen wie dem von Astrazeneca oder Johnson & Johnson geimpft wurden, sollen frühestens sechs Monate nach der Zweit- beziehungsweise Einfachimpfung verabreicht werden. Dies betrifft besonders die rund 460 000 Menschen, die Ostern mit Astrazeneca geimpft wurden und nun zum Jahreswechsel ihre Auffrischungsimpfung mit den Impfstoffen von Biontech oder Moderna bekommen könnten. Bis Ende September ist das noch in den Impfzentren möglich, danach in den Arztpraxen.

Auch bei Menschen, die jünger als 80 Jahre sind, seien Auffrischungsimpfungen zu erwarten, ähnlich wie bei der Grippe-Impfung, sagte Gernot Marx. Es könne aber noch nicht gesagt werden, ab wann.

Werden jetzt viele Schüler geimpft?

Die NRW-Regierung begrüßt die neue Haltung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Impfung von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren. „Wir werden dafür werben, dass sich Zwölf- bis 17-Jährige verstärkt impfen lassen“, sagte Laumann. Die Impfzentren sollten den Heranwachsenden jetzt Impfangebote machen. Schulen könnten dort auch Termine für Schüler vereinbaren, den Einsatz mobiler Impfteams an Schulen schließt die Regierung nicht aus. Bedingung ist die Einwilligung der Erziehungsberechtigten, die schriftlich erfolgen kann.

Etwa jeder vierte Jugendliche in NRW ist mindestens einmal geimpft. „Da ist noch viel Luft nach oben“, so Laumann. Die Möglichkeit zum Schulbesuch sei nicht an den Impfstatus gekoppelt, betonte er. Komplett geimpfte und genesene Schüler müssten aber nicht mehr an den Corona-Tests in den Schulen teilnehmen.

Was wird aus den Impfzentren?

Sie werden Ende September aufgelöst und durch so genannte „koordinierende Covid-Impfeinheiten“ ersetzt. Diese vom Land finanzierten Einheiten sollen Partner für Ärzte und Pflegeheime sein und dezentrale Impfaktionen etwa in Vereinsheimen, Turnhallen, Dörfern und Stadtteilen organisieren. Die Impfzentren kosten laut Laumann jeden Monat rund 91 Millionen Euro.