Herne. Die Leidenschaft von Malin Pohlmann (22) aus Herne ist Stadtgeschichte. Dafür recherchiert sie oft wochenlang. Was ihr Traumjob wäre.
Wenn Malin Pohlmann durch die Herner Innenstadt läuft, dann interessiert sie sich weniger für die Läden, in denen sie shoppen könnte. Was vielmehr ihr Interesse weckt: die Gebäude und die Geschichte, die sie erzählen. "Mittlerweile laufe ich wie ein wandelndes Geschichtsbuch durch Herne", sagt die 22-Jährige und lacht. Denn die ehemalige Schülerin der Mont-Cenis-Gesamtschule betreibt eine eigene Facebook-Seite über historische Stadtgeschichten aus Herne. An die 100 Abonnenten und über 10.000 Leser erreicht sie damit.
"Ich war schon immer geschichtsinteressiert. Als Kind wurden mir viele Fragen zum Krieg von meinen Urgroßeltern aber nicht beantwortet, so dass ich mich selbst auf Spurensuche gemacht habe", sagt Pohlmann, die hauptberuflich als Verkäuferin arbeitet. Sie begann gemeinsam mit ihrem Partner an Wochenenden Zechen und Bunker im ganzen Ruhrgebiet zu besuchen. "Er hat Fotos gemacht, und ich habe in den historischen Bezugsquellen recherchiert", sagt Pohlmann, die sich besonders für den Zweiten Weltkrieg und das Thema Bergbau interessiert.
Recherche im Stadtarchiv, im Internet und in Geschichtsbüchern
Die Fakten, auf die sie dabei gestoßen ist, haben die Hernerin teilweise überrascht. "Die NSDAP Kreisleitung Herne und Castrop-Rauxel plante zum Beispiel den Wasserturm im Volkspark mit einer über 1000 Quadratmeter großen Bunkeranlage zu verbinden", sagt Pohlmann. 1944 sei der Bau aber eingestellt worden. Die Informationen recherchiert Pohlmann im Stadtarchiv, im Internet und in Geschichtsbüchern. "Um neue interessante Gebäude zu entdecken, suche ich auch mal bei Google Maps oder schaue mir historische Luftbildaufnahmen an", sagt sie.
So ist sie auch auf den Wasserturm, ein Denkmal für Kaiser Friedrich Wilhelm im Sodinger Volkspark, gestoßen: "Ein imposantes Bauwerk, welches viel zu wenige Herner kennen." Man könne sich an verschiedenen Stellen den Schlüssel ausleihen und den Turm besichtigen. Doch es geht Pohlmann nicht nur darum, Freizeittipps für Herner zu geben, sondern um viel mehr: "Ich möchte Geschichte auf eine jugendliche Art erzählen und zum Austausch anregen."
Für Texte recherchiert sie oft wochenlang
Das alte Bergrevieramt Herne, das alte Hallenbad Wanne-Eickel, das alte Hafthaus - Pohlmann hat Hintergrundwissen zu allem davon. Dass die Bushaltestelle "Am Solbad" zum Beispiel heute wohl nicht so hieße, hätten nicht 1891 Bergleute der Zeche Pluto-Thies in 503 Metern Tiefe eine warme Solquelle gefunden, woher die Markgrafenstraße ihren Namen hat oder warum wir zum Ruhrpott auch heute noch "Revier" sagen - all das kann man auf der Seite von Pohlmann lernen.
Für einen Artikel darüber recherchiert sie teilweise wochenlang. Je mehr das Gebäude verfallen ist, desto spannender findet sie es. Sie fragt sich dann: Welche historische Bedeutung hatte es einst? Wie wurde es genutzt, wer hat hier gewohnt, wem zu Ehren wurde es errichtet? "Ich würde mich freuen, wenn Eltern ihrer Straße neu begegnen und gemeinsam mit ihren Kindern auf Spurensuche gehen", sagt sie.
Wenig junge Gleichgesinnte
In ihrer Generation trifft Pohlmann nicht auf viele Gleichgesinnte. "Ich bin wohl die Einzige in meinem Alter, die das Steigerlied auswendig kann", sagt sie und lacht. Dabei steigere das Wissen über die Heimatstadt auch die Verbundenheit zum eigenen Wohnort. "Man bekommt einen ganz anderen Blick auf die eigene Stadt", ist sie sich sicher.
Ob sie schon einmal überlegt hat, beruflich umzusatteln? "Ewig werde ich wohl kaum Verkäuferin bleiben", sagt sie. Und schiebt hinterher: "Irgendwann einmal im Stadtarchiv zu arbeiten, das wäre schon toll".
>> WEITERE INFORMATIONEN: Vom Schlägel bis zum Eisen
Die Facebook-Seite von Malin Pohlmann heißt "Stadtgeschichten vom Schlägel bis zum Eisen". Darauf stellt sie zum Beispiel Luftschutzbunker oder Bergämter vor oder erklärt Abkürzungen auf Hauswänden.
Das Herner Stadtarchiv befindet sich im Kulturzentrum am Willi-Pohlmann-Platz 1. Es übernimmt, erfasst, bewertet und erschließt Archivgut aus den städtischen Fachbereichen, Dienststellen und Einrichtungen sowie Sammlungsgut aus der Wirtschaft, von Vereinen und Privatpersonen.