Herne. Pascal Krüger (Grüne) will Oberbürgermeister in Herne werden. Er sagt: In Herne werden viele Potenziale verschenkt. Das will er ändern.
Bei den Kommunalwahlen am 13. September wird auch der Oberbürgermeister gewählt. In Herne treten fünf OB-Kandidaten an. Im Vorfeld trifft sich die WAZ mit den Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge an einem Ort ihrer Wahl zum Interview. Heute: Pascal Krüger (Grüne).
Wir treffen uns für dieses Interview auf dem Europaplatz. Warum haben Sie diesen Ort gewählt?
Der Platz ist ein gutes Beispiel für Stadtplanung in Herne. Es wird viel versteinert. Auf dem Europaplatz standen viele große Bäume, und die mussten für den Umbau weichen. Nachgepflanzt wurden kleine Magnolien mit geringem ökologischen Wert. Sie ersetzen niemals die Bäume, die die Stadt gefällt hat. Gerade Herne-Mitte und die Bahnhofstraße, das zeigt die Klimaanalyse, sind aber hitzegefährdet. Im Gegenteil müsste Bebauung aufgebrochen und mehr Grün sowie Bäume für Verschattung und Verdunstung müssten geschaffen werden.
Wie würden Sie als OB reagieren, wenn eine Partei mal so eben gegen die von der Stadt gesetzten Fristen für die Plakatierung verstoßen würde – so wie zuletzt die Grünen?
Da haben wir nicht auf die Frist geachtet, das haben wir uns zuzuschreiben. Ich finde es in Ordnung, dass wir dafür gerügt wurden.
Was entgegnen Sie Bürgern, die an Ihrer Eignung zum Oberbürgermeister zweifeln, weil sie glauben, dass Sie zu wenig Führungserfahrung haben?
Ich bin Projektleiter im Bereich kommunaler Klimaschutz und manage einige Projekte. Da nehme ich durchaus Führungsaufgaben wahr. Und ich bin kein unbeschriebenes Blatt in Herne: Ich führe den Kreisverband der Grünen und habe schon einiges bewirkt, etwa im Umweltbereich. Im Übrigen: Ich möchte ja nicht Oberbürgermeister werden, weil ich Basta-Politik machen möchte, sondern ich möchte mehr Mitsprache und Bürgerbeteiligung und eine andere Politik machen.
Es gibt Mitglieder Ihrer Partei, die erkennen hinter vorgehaltener Hand durchaus an, was Oberbürgermeister Frank Dudda bisher für Herne geleistet hat. Gilt das auch für Sie?
Da muss man nicht die Hand vor den Mund halten. Es gibt natürlich Erfolge, die der OB zu verbuchen hat. Manchmal hat er aber auch nur einfach Knoten in der Verwaltung gelöst. Da lagen Dinge in der Schublade, die vorher verhindert wurden. Und was bei ihm gut läuft, ist das Ganze öffentlich zu verkaufen. Obwohl: Was Unternehmen investieren, das ist in erster Linie das Verdienst der Unternehmen selbst.
Was würden Sie als Oberbürgermeister anders machen?
Viele Potenziale wurden verschenkt, etwa im Bereich erneuerbare Energien. Nicht mal zwei Prozent des technischen Potenzials werden in Herne genutzt. Ich würde eine Solaroffensive ausrufen: In Sachen Photovoltaik muss viel mehr passieren, denkbar sind unter anderem Balkonmodule, aber auch Mieterstrom. Da könnte etwa die Herner Wohnungsbaugesellschaft mit gutem Beispiel vorangehen und Referenzprojekte angehen. Auch im sozialen Bereich geht mehr. Da drückt der Schuh besonders. Die Hilfseinrichtungen platzen aus allen Nähten, sie müssen gestärkt werden. Nötig sind mehr Personal und mehr Budget. Außerdem brauchen wir eine Mobilitätswende: Wir brauchen mehr Investitionen in Radwege und ÖPNV und müssen Anreize dafür schaffen, dass Menschen auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel umsteigen. Nicht zuletzt brauchen wir mehr Bürgerbeteiligung, etwa mit einem Bürgerhaushalt oder mehr Fragemöglichkeiten von Bürgern in Ausschüssen. Das wird von Rot-Schwarz aktiv verhindert.
Bei der Abstimmung über die Zechenbrache General Blumenthal vor den Sommerferien haben die Grünen für die geplante Internationale Technologiewelt gestimmt und damit gegen einen Stadtwald, den eine Bürgerinitiative fordert. Warum?
Es gab noch keine Abstimmung über die Technologiewelt! Es wurde unter anderem nur über die Gründung einer Projektgesellschaft abgestimmt und nicht darüber, was dort gebaut wird. Wir haben für die Bebauung gestimmt, weil es auf der Fläche Altlasten gibt. Um die krebs- und Wasser-gefährdenden Stoffe loszuwerden, muss dort eine Nachnutzung hin. Die Internationale Technologiewelt, so, wie sie bislang präsentiert wurde, ist aber viel zu massiv und hat keine erneuerbaren Energiesysteme. Aktuell sind zehn Prozent der Fläche versiegelt, wir möchten, dass das so bleibt.
Wenn die Fläche nur zu zehn Prozent versiegelt werden soll, kann dort aber keine Technologiewelt hinkommen.
Die kommt sowieso nicht. Das Projekt ist zu groß gedacht und funktioniert hier nicht.
Hätte Ihr Wahlkampf ohne Corona anders ausgesehen?
Natürlich. Es ist jetzt sehr schwer, mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Mit Maske am Infostand und mit Abstand können mich Bürger kaum erkennen. Außerdem fallen viele Veranstaltungen weg. Das betrifft aber alle Parteien. Auf der anderen Seite verlagert sich vieles in den digitalen Raum, es gibt Podcasts, Videos und mehr Auftritte in sozialen Medien. Diesen Schub hätte es ohne Corona so nicht gegeben.
Bei den Grünen gab es Anfang des Jahres Personalquerelen: Ihre Co-Vorsitzende an der Parteispitze Susanne Marek trat zurück, weil ihr Ex-Fraktionschefin Dorothea Schulte überraschend den Listenplatz wegnahm. Wie bewerten Sie den Vorgang in der Rückschau?
Das waren demokratische Vorgänge. Bei uns kann jeder kandidieren – wann immer und für welchen Platz er oder sie das möchte. Im zwischenmenschlichen Bereich ist es aber natürlich immer schwierig, wenn Menschen gegeneinander antreten. Beim Unterlegenen reißt das Wunden auf. Das Ergebnis akzeptiere ich, finde es aber persönlich schade.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Ihrer neuen Co-Vorsitzenden Claudia Krischer?
Die Zusammenarbeit klappt weiterhin wunderbar. Das ganze Team funktioniert, es musste sich gar nicht so viel einspielen, weil Claudia Krischer schon vorher dem Vorstand angehört hat.
Können Sie sich eine Neuauflage von Rot-Grün im Rat vorstellen?
Wir werden am Wahlabend schauen, was rechnerisch möglich ist und reden dann mit allen demokratischen Parteien. Wir haben keine Berührungsängste. Bei uns zählen ganz klar die Inhalte.
Sollten Sie kein Oberbürgermeister werden: Erheben Sie nach der Wahl Anspruch auf den Fraktionsvorsitz bei den Grünen?
Seit 2017 Vorsitzender der Grünen in Herne
Pascal Krüger ist Ingenieur, er hat an der Ruhr-Uni Umwelttechnik und Ressourcenmanagement studiert. Er ist Projektleiter bei einem Großprojekt zu kommunalem Klimaschutz.
2004 trat der heute 34-Jährige bei Bündnis 90/Die Grünen bei, er hat 2005 die Grüne Jugend gegründet, ist seit 2008 Mitglied im Umweltausschuss, seit 2012 Mitglied des Rates und seit 2017 Vorsitzender der Grünen-Kreisverbands Herne. Außerdem ist Krüger Umweltbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises Herne.
Nein. Ich möchte Oberbürgermeister werden und habe keinen Plan B. Und mit dem aktuellen Fraktionsvorsitzenden Tom Reinke bin ich mehr als zufrieden. Er macht die Arbeit super.
Vielleicht muss Thomas Reinke ja gegen Dorothea Schulte, die Ex-Fraktionschefin, antreten – sie will ja zurück in den Rat?
Eine Kandidatur wäre ihr gutes Recht. Auch der Fraktionsvorsitz kann in einer demokratischen Abstimmung ausgefochten werden.
Entweder/Oder
Fernsehen oder Streaming?
Fast gar nichts. Manchmal höchstens am Wochenende. Dann ist es die Tagesschau im „normalen“ Fernsehen oder Netflix. Zuletzt habe ich „Suits“ durchgeguckt, jetzt gucke ich „Sense 8“.
Nordsee oder Cote d’Azur?
Städtereisen. Ich kann nicht bequem am Strand liegen, sondern muss aktiv was tun. Ich bin sehr gerne in Amsterdam, weil ich auch Niederländisch spreche. Letztes Jahr habe ich eine Zugtour gemacht und war in Nürnberg, Wien, Prag und Berlin.
Bier oder Wein?
Weißwein – aber selten.
Schalke oder BvB?
Weder noch. Mit Fußball gucken kann ich wenig anfangen. Ich spiele aber selbst, mit Freunden, dann bin ich Abwehrspieler. Ansonsten: Fitness, Radfahren und joggen.
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