Herne. In Herne treten am 13. September fünf OB-Kandidaten an, darunter Frank Dudda (SPD). Das hat der Amtsinhaber im Fall seiner Wiederwahl vor.
Bei den Kommunalwahlen am 13. September wird auch der Oberbürgermeister gewählt. In Herne treten fünf OB-Kandidaten an. Im Vorfeld trifft sich die WAZ mit den Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge an einem Ort ihrer Wahl zum Interview. Heute: Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD).
Warum treten Sie ein zweites Mal als OB-Kandidat für die SPD an?
Ich habe eine erste gute Wahlperiode hinter mit. Wir haben 2,5 Milliarden Euro an Investitionen in die Stadt geholt, darunter viele neue Unternehmen, vom Elektrofahrzeug-Hersteller Mosolf über den Online-Supermarkt Picnic bis hin zum Logistikunternehmen Duvenbeck. Vor Corona waren wir auf einem sehr guten Weg, und nach der Pandemie möchte ich den Aufholprozess starten, um Herne nach all den Transformationen in ein zukunftsfähiges Fahrwasser zu bringen.
Im Winter mussten Sie erst in sich gehen, bevor Sie sich entschlossen, ein zweites Mal zu kandidieren. Hatten Sie Zweifel?
Ich nehme solche Entscheidungen sehr ernst und stimme sie mit meiner Familie ab. Die Belastungen durch den Job sind sehr hoch – auch ohne Pandemie. Das heißt: Man muss sich sehr genau fragen: Was kann ich bewegen und bewirken? Und: Geht das mit der Lebensplanung der Familie? Da haben wir uns zusammengesetzt und einige klare Verabredungen getroffen, die bis ins Private reichen. Die getroffenen Verabredungen möchte ich jetzt nicht darlegen, aber sie tragen dazu bei, dass meine Familie die Entscheidung, wieder anzutreten, mitträgt.
Vor Ihrer ersten Wahl versprachen Sie, dass Sie sich als OB vor allem um drei Bereiche kümmern wollen: Arbeitsmarkt, Region und demografischer Wandel. Sind Sie da so weit, wie Sie sich das vorgenommen haben?
Ja, und wir sind sogar noch weiter. Zwischen 2016 und 2020 wurden in Herne 4300 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen. Das hätte ich mir nicht erträumen lassen. Außerdem sind viele neue Ausbildungsplätze entstanden. Und die Tendenz ist dabei auf Wachstum ausgerichtet. Siehe der Tiefkühllogistiker Nordfrost: Der ist in Unser Fritz mit einem großen Tiefkühlzentrum gestartet, aber hat erst einmal keine großen Beschäftigungseffekte ausgelöst. Ebenso der Fahrzeughersteller Mosolf. Und auch in den Neuen Höfen Herne und im Hilton-Hotel wird noch eingestellt. Und: Es sind noch so viele Potenziale da.
Vor Corona war Herne auf einem guten Weg, sagen Sie. Um wie viele Jahre wirft die Pandemie Herne zurück?
Um ein bis zwei Jahre, davon gehe ich aus. Die Pandemie hat uns schon heftig erwischt. Nach zwei ausgeglichenen Haushalten machen wir nun 60 bis 70 Millionen Euro Verlust und haben 2500 Arbeitslose mehr. Und es wird von Woche zu Woche schwieriger, die Stadt zusammenzuhalten. Die Kluft zwischen den Menschen, die sagen „Das ist ja alles nicht so schlimm, wie wir gedacht haben“ und denen, die Sorge haben, dass sich die Pandemie jetzt in einer zweiten Welle richtig ausbreitet, wird immer größer. Ich traue mir aber zu, den eingeschlagenen Weg wieder aufzunehmen und mehr noch: ich will Verantwortung für das ganze Ruhrgebiet übernehmen und mit der Stadt den nächsten Schritt gehen.
Was steht dabei in Herne oben an?
Die Internationale Technologiewelt auf der Zechenbrache General Blumenthal. Dieses Projekt wollen wir technologisch, architektonisch und mit hohem Innovationspotenzial im Ruhrgebiet platzieren. Für mich geht es in Herne nur dann weiter, wenn das Ruhrgebiet eine Innovationsschmiede wird. Das ist aber nicht alles: Im Zukunftsstab der Stadt haben wir gesagt, dass wir noch zwei, drei weitere große Projekte auf den Weg bringen wollen. Die ersten stellen wir in Kürze vor.
Was ist in Ihrer Amtszeit nicht gut gelaufen oder sogar schief gelaufen?
(überlegt). Wenn man die großen strukturellen Probleme von Herne betrachtet, ist vieles sehr gut gelaufen, richtig schief gelaufen ist nichts. Enttäuschend war allenfalls, dass Ikea nicht nach Herne gekommen ist, nachdem wir den Standort-Wettbewerb, den Ikea fürs Ruhrgebiet ausgerufen hat, gewonnen hatten. Nein: Alle Problemlagen von der Wanner Innenstadt bis zur Herner Innenstadt haben wir angepackt. Die Herner Innenstadt haben wir so revitalisiert, wie das keiner von uns erwartet hat. Nach diesem Vorbild wollen wird in der nächsten Wahlperiode die Wanner Innenstadt hinbekommen. Apropos Zentren: Mit einzelnen Projekten wird man Herne nicht weiter entwickeln können: Alles ist miteinander verwoben. Wir müssen an verschiedenen Stellen Netze zusammenbinden. Wir haben gezeigt, dass wir das können.
Sie haben gesagt, dass Sie Verantwortung für das ganze Ruhrgebiet übernehmen wollen. Sie spielen auf die Wahl des RVR-Parlaments an. Dort sind Sie Spitzenkandidat der SPD. Was sind im Ruhrparlament Ihre wichtigsten Ziele?
Erst einmal freue ich mich, dass ein Herner an die Spitze der RVR-Parlaments kommt (lacht – Anmerkung der Redaktion: Spitzenkandidat der CDU ist der Herner Hans-Peter Noll). Mein wichtigstes Ziel: Wir wollen die grünste Industrieregion der Welt werden. Wir wollen den klimafreundlichen Umbau der Industrie vorantreiben. Das heißt, dass wir mehr zukunftsfähige Arbeit brauchen. Das Ruhrgebiet hat längst noch nicht den Beschäftigungsstand und auch noch nicht die Qualität der Beschäftigung wie viele andere Regionen. Grünste Industrieregion heißt auch, dass wir einen Fokus legen müssen auf das Thema Neue Mobilität. Da sind Mosolf und Picnic wieder hervorragende Beispiele. Beim Thema Mobilität sollte man eben nicht nur über Ticketpreise für den öffentlichen Personennahverkehr reden. Wichtig ist eine Vernetzung der Verkehrsträger. Dazu gehört auch der E-Roller-Verleiher Spin, der sehr erfolgreich in Herne ist. Im Frühjahr 2021 wollen wir mit Spin Mobilitätsstrukturen aufbauen.
Was ist da geplant?
Wir werden mit verschiedenen Partnern über den Ausbau von so genannten Mobilitätszentren sprechen, an denen verschiedene Verkehrsmittel vom Rad bis zum E-Scooter angeboten werden.
Würden Sie ausschließen – eine entsprechende Mehrheit vorausgesetzt – dass Sie in der kommenden Wahlperiode als wiedergewählter Oberbürgermeister als Regionaldirektor an die Verwaltungsspitze des RVR wechseln?
Das sieht meine Lebensplanung nicht vor.
Was wäre im Falle Ihrer Wiederwahl Ihre Wunschkoalition im Herner Rat, sollte eine Koalition nötig sein? Wieder Rot-Schwarz oder Rot-Grün?
Rot-Schwarz arbeitet vernünftig und gut zusammen. Aber über mögliche Bündnisse entscheidet letztlich die Partei. Rot-Grün ist für unsere Stadt aber auch eine Option.
Sie haben sich das Café im Literaturhaus in Herne-Mitte als Treffpunkt für das Interview ausgesucht. Warum?
Das ist mein Lieblingspausenort, hier kann ich wirklich abschalten. Ein Besuch ist eine Flucht aus dem Alltag, aus dem Hamsterrad. Wenn ich hier sitze und mal auf andere Gedanken kommen will, schaue ich in Bücher oder kaufe sie mir (Anmerkung der Redaktion: Er zeigt auf die Bücher „Der letzte Satz“ von Robert Seethaler und „Auf der anderen Seite des Flusses“ von Pedro Mairal, die er gerade gekauft hat).
Lesen Sie viel?
Ja, jeden Abend. Am liebsten Romane, die Lokalkolorit und Atmosphäre, die den Flair von Orten einfangen, gerne auch von exotischen Orten. Aber ich lese auch gerne Krimi-Reihen, etwa von Andrea Camilleri.
Entweder/Oder:
Fernsehen oder Streaming:
Fernsehen. Weil ich am liebsten Nachrichten und Sportsendungen schaue; da ist das Angebot im Fernsehen sehr gut.
Nordsee oder Mallorca?
Ich mag beides, im Sommer aber lieber Mallorca: Weil ich Wärme mag und andere Kulturen.
Bier oder Wein?
Je nach Anlass. Je wärmer es wird, gerne mal ein Bier. Bei Wein: Im Sommer eher Weiß-, im Winter eher Rotwein.
Wie ergänzt der Borussia-Dortmund-Fan Frank Dudda den folgenden Satz? Der BVB wird am Ende der kommenden Saison. . .
. . .leider wieder Vize-Meister (lacht).
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