Heiligenhaus. Das militärische Depot und das zivile Gerätelager der Bundeswehr sind in Heiligenhaus längst Geschichte. Renate Heidrich hat die Zeit mit- und viel erlebt.

Endlos lang schlängelt sich der hohe Drahtzaun die Talburgstraße hinunter. Die zwei meterlangen, dicken Rolltore, an denen der Lack an einigen Stellen schon ab ist, öffnen sich nur noch äußerst selten. Was sich genau auf dem abgesperrten Gelände befindet, kann man durch das Dickicht der vergangenen Jahrzehnte nur erahnen, die alten, maroden Hallendächer sind jedoch auch von weiter weg zu erkennen. Viele Mythen gibt es rund um das ehemalige Bundeswehrgelände im Wassermangel, viel sollte hier passieren, nun wird die Stadt das Grundstück kaufen. Der Stadtteil wird um Wohnbebauung und Gewerbe erweitert. Wie es mittlerweile auf dem Gelände aussieht und was hier früher eigentlich passiert ist.

Das ehemalige Bundeswehrgelände in der Wassermangel

Reportage altes Bundeswehrgelände
Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
Reportage altes Bundeswehrgelände
Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Das alte Bundeswehrgelände an der Talburgstraße © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
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Drei dicke Fotoalben liegen vor Renate Heidrich. Die 79-jährige Heiligenhauserin kennt das ehemalige Bundeswehr-Grundstück wohl wie kaum jemand sonst. „Ich habe mit 14 Jahren im zivilen Wehrbereichsgerätelager angefangen zu arbeiten“, erinnert sich die Unterilperin zurück. Das war der Bereich am Ende der Talburgstraße, Ecke Kantstraße. Sie wohnte nur wenige Meter entfernt, gerade aus der Schule entlassen, hatte ein Nachbar ihr die Ausbildung dort vermittelt. „Ich war ja noch blutjung und schüchtern“, lacht sie über die Anfangsjahre, „da waren ja noch die alten Kommisköppe, das war nicht immer einfach“.

Heiligenhauserin kümmerte sich um das zivile Wehrbereichsgerätelager

Mit Minirock, wie es damals üblich war, mischte sie den Laden ordentlich auf, „aber alle waren immer sehr nett und anständig mir gegenüber“. Ihr Selbstbewusstsein, das habe sie sich über die Jahre durch die Arbeit mit den ehemaligen Offizieren nach und nach erarbeitet, „man musste sich auch schon mal durchsetzen, aber ich hatte da eine sehr diplomatische Art und habe jeden Chef auf seine Art akzeptiert“, so Heidrich, die liebevoll „Mutter des Gerätelagers“ genannt wurde.

Von Heiligenhaus wurden viele Kasernen mit Grundausstattung beliefert. Hier ein Bild aus dem Jahr 1984.
Von Heiligenhaus wurden viele Kasernen mit Grundausstattung beliefert. Hier ein Bild aus dem Jahr 1984. © Renate Heidrich

Was genau geschah hier auf dem Gelände? „Oberhalb, wo zuletzt das THW war, lag das Bundeswehr-Depot, das war militärisch und alles Hochsicherheitsgebiet“, berichtet Heidrich. Über 200 Menschen waren dort beschäftigt, gelagert wurde dort alles rund ums Thema Panzer. „Wir hatten immer ein gutes Verhältnis mit den Kollegen dort, sie haben uns zu Sommerfesten eingeladen, da konnten wir auch Familie mitnehmen, die Kinder durften da in die Panzer klettern, und auch zu größeren Feiern traf man sich“, erinnert sich Heidrich auch an eine Großveranstaltung in der Kant-Aula. Knapp 20 Mitarbeiter waren es hingegen im Gerätelager nur.

Bewaffnetes Depot und eigene Wachrunden übers Gelände

Bewaffnet bewacht worden sei das Depot zudem, die Einfahrt mit Pförtner wurde streng kontrolliert, Wachposten liefen bis zur Schließung 1998 umher, „daher hatte ich früher auch Angst vor Schäferhunden, aber das hat sich mit den Jahren gelegt“. Vor allem als Pino, der Hund einer Kollegin, von der Bundeswehr offiziell die Erlaubnis zum Bürohund erhielt. In der Mittagspause spazierten sie dann oft über das Grundstück, „wir hatten einen kleinen Teich, Wiesen und Bäume, und am Wochenende haben wir auch Rehe gesehen“, erzählt Renate Heidrich weiter. Denn den Wachdienst übers Wochenende hatten zuletzt die Gerätelager-Mitarbeitenden selber übernommen, „dann haben wir immer das große Tor unten an der Kantstraße aufgeschlossen, mein Mann und ich haben dann mit dem Hund meiner Nichte eine Runde gedreht und nach dem Rechten geschaut“, erinnert sie sich.

Renate Heidrich (r.) 1991 in ihrem Büro im zivilen Wehrbereichsgerätelager in Heiligenhaus.
Renate Heidrich (r.) 1991 in ihrem Büro im zivilen Wehrbereichsgerätelager in Heiligenhaus. © Renate Heidrich

Wie war der Alltag im Gerätelager, bis es 2004 dicht gemacht wurde? „Von Heiligenhaus aus haben wir zum Beispiel Kasernen Grund ausgestattet“, zeigt sie alte Fotos, auf denen Betten und mehr zu sehen ist. Lieferungen erfolgten auch in Krisengebiete, wie zum Beispiel in den Kosovo in den 1990er Jahren, wo auch die Bundeswehr stationiert war. „Da habe ich dann auch schon mal die Nacht durch an der Schreibmaschine gesessen und Unterlagen, unter anderem für den Zoll, in mehrfacher Ausführung getippt“, denn wenn es schnell gehen musste, musste auch das Schreibbüro besetzt sein.

Angespannte Stimmung während der Kuba-Krise

Die Stimmung sei in solchen Momenten zwar angespannt gewesen, „nie vergessen werde ich aber die Kuba-Krise 1962. Da waren alle höchst beunruhigt, da war auch eine Angst bei den Chefs, die ich so nicht kannte. Vor einem erneuten Weltkrieg, die alten Offiziere wussten ja, was das heißt“. Die Vorgesetzten aus ihrer Anfangszeit kamen nach dem Zweiten Weltkrieg aus Kriegsgefangenschaft, ob da auch ein alter Nazi dabei war? „Die waren alle vom Krieg gezeichnet, das wollte keiner mehr erleben“. Im Laufe der Zeit wurden aber auch die Chefs jünger – und auch mehr Frauen kamen in den Dienst.

Die alten Hallen (hier 1984) sind teilweise auf dem Gelände noch immer erhalten; wegen der hohen Sanierungssumme hatte die Bundeswehr entschieden, das Grundstück aufzugeben.
Die alten Hallen (hier 1984) sind teilweise auf dem Gelände noch immer erhalten; wegen der hohen Sanierungssumme hatte die Bundeswehr entschieden, das Grundstück aufzugeben. © Renate Heidrich

Irgendwann war dann der Tag gekommen, da wurde Renate Heidrich auf einem Hubwagen hinaus- und in ihren Ruhestand hineingefahren, „nach über 40 Jahren, da vergießt man natürlich auch ein Tränchen“, schaut sie auf die alten Bilder. Noch immer erinnert ein Tisch aus einer (leeren) Panzergranate in ihrem Wohnzimmer sowie eine Ehrenurkunde an der Wand an diese Zeit, „ich habe immer gerne gearbeitet, die Bundeswehr war ein toller Arbeitgeber. Es war eine schöne und spannende Zeit, das Miteinander war klasse“, sieht sie sich alte Karnevalsbilder an. Der Alkohol, der sei früher wohl auch öfter mal geflossen, „das war zu den Zeiten noch normal, aber irgendwann wurde auch das untersagt. Das habe ich dann auch durchgezogen, auch wenn das nicht allen Chefs gefallen hat“, berichtet sie lachend. Nur zum Abschied natürlich, ein Glas Sekt in Ehren.

Gras wächst langsam über die alten Straßen des Bundeswehrgeländes.
Gras wächst langsam über die alten Straßen des Bundeswehrgeländes. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Nun ist sie gespannt auf die Entwicklung, „ich finde es gut, dass hier was entsteht“, schaut sie sich die Bilder des WAZ-Fotografen an, wie es heute aussieht auf dem Gelände. „Das ist ja komplett zugewachsen, aber das war ja klar, ich bin verwundert, dass doch noch so viele Hallen stehen. Aber es hat sich doch sehr verändert“. Dass hier viel Arbeit noch reingesteckt werden muss, weiß auch der Technische Beigeordnete Andreas Sauerwein: „Wir sind in guten Gesprächen mit dem Bima, ich bin zuversichtlich, dass wir bald Eigentümer sind und dann kann es losgehen.“ Auf das Ergebnis gespannt ist Renate Heidrich, „da werde ich sicher nichts mehr wiedererkennen“. Doch die Erinnerungen bleiben.

Der Technische Beigeordnete Andreas Sauerwein (l.) und Wirtschaftsförderer Henry Kreilmann freuen sich auf die Entwicklung des Geländes.
Der Technische Beigeordnete Andreas Sauerwein (l.) und Wirtschaftsförderer Henry Kreilmann freuen sich auf die Entwicklung des Geländes. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos