Hattingen/Velbert. „So ein Splitterfeld sieht auch ein Polizist nicht alle Tage“, sagt ein Zeuge nach dem schweren Unfall in Hattingens Wodantal. Das ist passiert.
Krachend fliegt die Türe auf. Sichtlich wutentbrannt stürmt der gerade verurteilte 32-Jährige aus dem Saal 1 des Hattinger Amtsgerichts. Eine seltene Szene. Verurteilt hat ihn das Schöffengericht wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
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Es ist der 25. September 2023, als im Wodantal ein schwerer Unfall passiert. Eine 28-jährige Bochumerin fährt mit ihrem Pkw in Richtung Velbert. An der Schulenbergstraße, in unmittelbarer Nähe des Landhauses Wegermann, will sie mit ihrem Hyundai nach rechts abbiegen, sieht aber, dass die Straße gesperrt ist. Sie entscheidet sich um, setzt den Blinker nach links, um in die Straße Raffenberg abzubiegen. Ein Velberter (32), der in dieselbe Richtung fährt, überholt gerade mit seinem gemieteten BMW einen Wagen und stößt mit dem Hyundai der jungen Frau zusammen.
Der BMW überschlägt sich mehrmals, der Fahrer muss schwer verletzt mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden. Die junge Frau erleidet einen Schock.
Vor Gericht ist der BMW-Fahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. In seinem Wagen wurden zwei Handys gefunden, zirka 100 Gramm Haschisch, ein Messer und 390 Euro Bargeld. Eine Blutprobe ergab, dass er unter Drogeneinfluss stand.
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Er habe damals regelmäßig gekifft, zwei bis drei Gramm pro Tag, gibt der Angeklagte zu, heute würde er nur noch ab und zu Drogen konsumieren. Richter Johannes Kimmeskamp rechnet die Menge der Drogen in Bierflaschen um. „Sie hätten ja für den Eigenkonsum 1200 Flaschen Bier zu Hause haben müssen, was machen Sie mit so einer Menge?“ Ob der Angeklagte mit Drogen gehandelt hat, ist allerdings nicht Gegenstand der Verhandlung.
„Wir wollen hier keinen großen Heckmeck machen, sondern die Sache vernünftig zu Ende bringen“, sagt der Pflichtverteidiger des arbeitslosen 32-Jährigen. Dass sein Mandant zu schnell gefahren sei, bestreitet der Anwalt nicht. Denn in dem Bereich, in dem er überholt hat, wird die Geschwindigkeit von vorher 100 auf 70 und im Einmündungsbereich auf 50 km/h reduziert. Wie heftig der Zusammenstoß ist, berichtet ein Polizist: „So ein großes Splitterfeld wie bei diesem Unfall sieht man auch als Polizeibeamter nicht alle Tage.“
Unfallfahrer aus Velbert ohne Fahrerlaubnis unterwegs
Im Laufe der Verhandlung stellt sich heraus, dass der Velberter gar keine Fahrerlaubnis hatte, den BMW hat sein Cousin angemietet. „Einen Führerschein hab ich noch nie gehabt“, gibt er zu. Außerdem ist er zwölfmal vorbestraft. „Und fast immer einschlägig wegen Drogen und Fahrgeschichten“, stellt der Richter fest. Dazu kommt: Der Angeklagte befindet sich noch in einer Bewährungszeit von 20 Monaten durch zwei Verurteilungen in anderen Städten. Und: Die Auswertung der BMW-Technik, die alle paar Sekunden die Geschwindigkeit aufzeichnet, ergibt: Der Angeklagte fuhr 135 km/h anstatt der dort erlaubten 70 km/h.
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In seinem Plädoyer wertet der Staatsanwalt das Geständnis als entlastend, die vielen einschlägigen Vorstrafen allerdings als negativ. Auch dass der Angeklagte noch unter langer Bewährung steht, ist nicht gerade ein Vorteil für den 32-Jährigen. Er habe sich schwergetan, sagt der Staatsanwalt. Aber weil der Unfallverursacher selbst der Hauptleidtragende gewesen sei und das Damoklesschwert jetzt über ihm hänge, hofft er, dass das Urteil eine Zäsur bedeute. Er fordert eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten auf eine Bewährungszeit von vier Jahren.
Der Verteidiger allerdings fordert Freispruch, weil seinem Mandanten ein verkehrswidriges Verhalten nicht nachzuweisen sei.
Kurz bevor sich das Schöffengericht zur Beratung zurückzieht, dann der Paukenschlag: Ein Schöffe, der ganz in der Nähe des Unfallortes wohnt, weist darauf hin, dass genau an der Stelle sogar ein Überholverbot gilt. Das war vorher nicht zur Sprache gekommen.
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Das Urteil fällt unter den Umständen dann deutlich aus: Ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe für den Angeklagten. Und zwar ohne Bewährung wegen grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens im Straßenverkehr.