Hattingen. Konkrete Zahlen: Was ein Ladenlokal in Hattingens Toplage kostet, was Vermieter und Ex-Mieter über den Handel vor Ort sagen – wie es weitergeht.

„Wir haben in 20 Jahren einen unbeschreiblichen wirtschaftlichen Niedergang der Fußgängerzone Hattingen miterleben müssen“, sagt Hans-Heinrich Bendix, Geschäftsführer der Barrique GmbH. Die hat ihre Filiale in bester Lage in Hattingen jetzt geschlossen.

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„Vielen Dank für 20 Jahre Treue“ war an den letzten Öffnungstagen auf einem Plakat an der Schaufensterscheibe des Barrique-Ladenlokals am Obermarkt zu lesen. „Wir sind nur ein kleines Familienunternehmen und der Verlust jedes einzelnen Kunden schmerzt“, erklärt Bendix.

Hattingen: Was ein Ladenlokal in Toplage kostet

Er bedauert das Aus nach 20 Jahren. „Wir hatten das Ladengeschäft ab 1. März 2015 angemietet, nachdem es zuvor von einem Franchisenehmer schon zehn Jahre als Barrique-Geschäft betrieben wurde.“ Das war damals Horst Lubitz., ehemaliger Stadtmarketingvereins-Vorsitzender.

Einzelhandel Hattingen
In Hattingen hat die Barrique jetzt geschlossen. © WAZ | Liliane Zuuring

Bendix erklärt: „Weil 2015 zumindest der untere Teil der Heggerstraße und insbesondere die Lage rund um den Obermarkt noch wirtschaftlich halbwegs intakt war, hatten wir damals eine sehr hohe Umsatzmiete von 15 Prozent vom Nettoumsatz und eine Mindest-Kaltmiete von 5057,50 Euro, also 4250 Euro netto, bei einer Laufzeit von zehn Jahren akzeptiert, vor allem weil unser Franchisenehmer das Geschäft dort von 2005 bis 2014 sehr erfolgreich betrieben hatte.“

Mieter: „Anmietung war ein Fehler“

Aber: Es habe sich aber in den ersten Jahren gezeigt, dass die „Anmietung zu diesen Konditionen ein Fehler war, denn die Fußgängerzone in Hattingen verschlechterte sich rapide. Es gab mehr und mehr Leerstände. Die Umsätze gingen kontinuierlich zurück.“ Mit der Corona-Krise 2020 seien die Umsätze völlig zusammengebrochen, hätten sich seitdem nicht erholt. „Unser Umsatz lag 2024 bei gerade mal der Hälfte von 2019“, so Bendix.

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Schon länger ist das Barrique-Ladenlokal im Internet zur Vermietung angeboten. Bendix sagt, dass er Vermieter in der Corona-Krise nicht bereit gewesen sei, sich an den Folgeschäden durch die Corona-Umsatzverluste zu beteiligen. „Wir haben dann im Rahmen des Mietmoratoriums von März bis Mai 2020 die Miete einbehalten. Nach Ende des Moratoriums hat der Vermieter die rückständigen Mieten von rund 12.500 Euro im Jahr 2024 eingeklagt.“

Es habe einen Vergleich gegeben, er habe 6750 Euro nachgezahlt. Durch Corona liege der Gesamtumsatzverlust in den Jahren 2020 bis 2022 bei über 300.000 Euro. Und: „Für eine eventuelle. Verlängerung des Mietvertrages konnten wir mit dem Vermieter keine Einigung über eine ausreichende Senkung der Miete erzielen.“

Vermieterin weist Vorwürfe zurück

Der Mietvertrag des Ladenlokals mit 100 Quadratmetern im Erdgeschoss und 70 im Untergeschoss sei von der Barrique GmbH gekündigt worden, bestätigt Birgit Baumann, Inhaberin der Hausverwaltung Potthoff und Geschäftsführerin der ROOMS GmbH. Aber: „Während der vergangenen zwei Jahre hat der Mieter keinen Versuch unternommen, das Mietverhältnis zu einem verringerten Mietpreis über den 28. Februar 2025 hinaus zu verlängern.“

Sie betont, dass es trotz gelegentlicher Unstimmigkeiten jederzeit die Bereitschaft gegeben habe und gebe, das Mietverhältnis zu einem deutlich verringerten und dem jetzigen Markt angepassten üblichen Mietpreis anzubieten, „um das schöne Fachgeschäft und Angebot in der Innenstadt zu erhalten“. Inzwischen sei per Post an die Barrique GmbH ein Angebot zur Weiterführung des Mietverhältnisses mit abgesenktem Mietzins gegangen.

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Bei Abschluss des Mietvertrages im Jahr 2015 habe es mehrere Bewerber gegeben, beiderseitiges Stillschweigen über den Inhalt des Vertrages sei vereinbart worden. „Die Firma Barrique bekam damals den Zuschlag, da sie bereits mit mehr als zehn Filialen über eine fundierte Erfahrung verfügte“, so Birgit Baumann. „Erst während der Corona-Zeit ergaben sich Unstimmigkeiten zwischen dem Mieter und der Vermieterin, da trotz Betreiberpflicht und keiner staatlichen Schließungsauflage das Geschäft sehr häufig geschlossen war. Der Mieter stellte die Zahlung der Mieten und Nebenkosten ein, mit der Begründung des rückläufigen Umsatzes. In dieser Zeit wurden vermieterseits diverse Angebote gemacht, unter anderem ein Verzicht auf bestehenden Mietrückstand im Falle einer Vertragsverlängerung. Da die Parteien sich nicht einig wurden, stellte ein gerichtlicher Vergleich Einigkeit her.“

Kritik an Warenanlieferung

Dass die Vermietung schwieriger geworden ist, haben bereits auch Makler in Hattingen beklagt - und die Stadt kritisiert. Das tut auch Bendix. Er erklärt, dass die Stadt aus seiner Sicht keine Anstrengungen zur Verbesserung der Lage als Einkaufsstadt unternommen und Einzelhändler nicht unterstützt hätte. „Im Gegensatz zum Onlinehandel zahlen wir ganz erhebliche Gewerbesteuern.“

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Zudem sei die Warenanlieferungs-Möglichkeiten katastrophal gewesen. „Wir liefern mit eigenen Lkw an, dürfen aber die Fußgängerzone nicht befahren. Beim Halten in den Nebenstraßen (natürlich im Parkverbot) zur Anlieferung kassierten wir regelmäßig Ordnungswidrigkeitsanzeigen“, klagt er.

Stadtsprecherin Jessica Krystek entgegnet: „Zwischen 19 und 10.30 Uhr dürfen Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen die Fußgängerzone zum Be- und Entladen befahren. Wer im Halteverbot parkt, muss natürlich mit Verwarnungen rechnen.“

Das sagt die Stadt

Online-Handel und Corona-Folgen setzten dem Einzelhandel stark zu, so Stadtsprecherin Jessica Krystek. „Es herrscht immer Bewegung in unserer Innenstadt, seien es Ab- und Zugänge oder auch Umzüge von Einzelhandelsgeschäften.“

Wie die City lebendig gehalten werden könne, sei länger ein Thema, das Stadtverwaltung, Hattingen Marketing und weitere Akteure beschäftige. Die Stadt sei ins Förderprogramm des Landes NRW „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen“ aufgenommen worden.

„Ein Wandel findet aber nicht von jetzt auf gleich statt. Aus Sicht der Stadtverwaltung ist die Stärke der Hattinger Innenstadt, dass nicht nur große Filialisten sich ansiedeln, sondern viele inhabergeführte Läden und eine vielfältige Gastronomie vor Ort ist. Ziel ist es, langfristig auch alternative Nutzungen von leerstehenden Flächen zu entwickeln und die Händler und Gastronomen vor Ort stärker zu vernetzen“, erklärt Krystek.

Als positives Beispiel, sagt sie, sei der aus der Marketingkampagne „Nettes Hattingen“ entstandene Verbund aus Einzelhändlern, Gastronomen und Dienstleistern, „die seit einigen Jahren erfolgreich die Innenstadt mit verschiedenen Aktionen, Festen und Veranstaltungen beleben“. Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung würden das begleiten. Die Verwaltung setze zudem auf die Beratung und Unterstützung von Eigentümern, Gewerbetreibenden und Interessenten.