Hattingen. Nach der Tat entschuldigt sich der Täter, der sich für Frauen sehr attraktiv findet. Was genau passiert ist, was Opfer und Täter sagen.

Eine junge Frau joggt durch das Hügelland in Hattingen. Ein Paketzusteller hält mit seinem Fahrzeug, fragt nach dem Weg, dann nötigt er die 17-Jährige sexuell, wendet Gewalt an. Und entschuldigt sich. Was genau passiert ist.

Licht in die Ereignisse der Tat am 14. Mai versucht das Schöffengericht Hattingen zu bringen. Gegen 13.10 Uhr joggt an diesem Tag eine 17-Jährige auf dem Berger Weg in der Nähe des Sägewerks. Sie trägt nach eigenen Angaben Kopfhörer, hört aber hinter sich ein Auto - und geht zur Seite, um es vorbeifahren zu lassen. Als der Wagen nicht überholt, so sagt sie, dreht sie sich um.

Paketzusteller spricht Joggerin in Hattingen an - und nötigt sie sexuell

Der Fahrer des Paketzustellautos steigt aus und fragt sie nach ihren Angaben „ganz lieb“ nach einer Wendemöglichkeit. „Dann hat er mich gefragt, ob er mich küssen darf.“ Das habe sie verneint. Doch der 22-Jährige soll sie an den Schultern gepackt, an sich gezogen und geküsst haben, es gab demnach auch einen Zungenkuss. „Nur einen Kuss, nichts Sexuelles“, habe er gesagt. Den Kopf habe sie weggedreht. „Ich war erst überfordert.“ Dann habe sie angefangen zu weinen und sich auf den Boden gehockt, schildert die Schülerin. Er habe sich zu ihr gehockt, wieder versucht, sie zu küssen - sich dann aber entschuldigt und entfernt.

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Mit ihrem Handy nimmt sie dann ein „Wackelvideo“, wie es Richter Johannes Kimmeskamp nennt, auf, aus dem Beamte später einzelne Bilder gewinnen können. Die Schülerin jedenfalls ruft nach der Tat ihren Freund an, der sie abholt, dann ihren Vater, gemeinsam fahren sie ins Krankenhaus.

Täter: „Ich habe bei Frauen noch nie Ablehnung erfahren“

Bei Frauen habe er noch nie Ablehnung erfahren, erklärt der Beschuldigte. „Ich bin attraktiv, habe weiße Zähne, viele Frauen wollen mich, wenn ich zu einer Frau komme, hat sie Glück.“ Und auf die Frage, ob er die 17-Jährige, die er für älter gehalten hatte, küssen dürfe, habe er kein Nein gehört. „Sie hat da so still gestanden.“ Zum Kuss sei es nur gekommen, weil sie den Kopf weggedreht habe. Und er habe ihr nur die Hände auf die Schultern gelegt. Logisch nur „ganz schwer nachzuvollziehen“ findet Richter Johannes Kimmeskamp die Einlassung. Er nennt sie „abenteuerlich“.

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Jedenfalls sagt der Beschuldigte A., er habe sich auch auf den Boden gehockt, sich dann entschuldigt und das Knie der jungen Frau geküsst. „Ich habe sie gefragt, ob sie Wasser möchte.“ Sie habe geantwortet, er solle nur weggehen. Das habe er dann getan. „Das war für mich komplett komisch.“ Und er betont: „Wir waren im Wald, da war kein Mensch, ich hätte alles machen können. Ich bin nicht böse, ich hatte Angst um sie.“

Richter: „Was haben Sie denn falsch gemacht?“

„Wenn man das so hört, würde das ja einen Freispruch bedeuten“, meint Richter Johannes Kimmeskamp, „aber sie haben sich ja entschuldigt, was haben Sie denn falsch gemacht?“ „Dass ich ihr so viel Angst gemacht habe“, meint A.

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Die Jugendliche weint, als sie erzählt, welche Folgen die Tat für sie hatte. Nachts habe sie nicht schlafen können, inzwischen könne sie aber wieder joggen - allerdings nur mit Hund. Die Entschuldigung des jungen Mannes, der auch bei Umzügen hilft, sein Abitur nachholen und studieren möchte, nimmt sie an. Im Vorfeld schon hatten die Anwälte einen Täter-Opfer-Ausgleich vereinbart - und damit ein Schmerzensgeld von 2000 Euro.

„Läppischer“ Umgang mit der Tat

Zwar sieht das Gericht die Gewalt im unteren Bereich angesiedelt, erkennt an, dass es die erste Tat ist und der Täter eine „Art von Geständnis“ abgelegt hat. Aber die psychischen Einschränkungen des Opfers wirkten verschärfend - und auch, dass der Täter „läppisch mit der Sache“ umgehe. Ein Jahr Freiheitsentzug lautet das Urteil am Ende - auf Bewährung, weil der Beschuldigte sozial gut eingebunden und berufstätig ist, Pläne hat.

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