Hattingen/Sprockhövel. Amprion will die Stromtrasse von Hattingen über Sprockhövel nach Wuppertal mit deutlich höheren Masten ausstatten. Das befürchten Anwohner.
Die rund 25 Kilometer lange Stromtrasse zwischen den Umspannwerken an der Isenbergstraße in Hattingen und Linde in Wuppertal sollen in den nächsten zehn Jahren erneuert werden. Viele Bürgerinnen und Bürger sorgen sich deswegen, vor störenden Geräuschen und vor allem elektrischen und magnetischen Feldern, die die riesigen Strommasten mit sich bringen. Zu einem Infoabend hatte der Übertragungsnetzbetreiber Amprion darum ins Gemeindezentrum an der Uhlandstraße eingeladen.
Konkret heißt das: Der Betreiber ersetzt die bisherigen 220-Kilovolt-Masten durch höhere 380-Kilovolt-Masten. Vor allem die Landwirtschaft ist betroffen, weniger die Wohngebiete. Trotz aller Aufklärung, die an dem Abend von vielen Mitarbeitenden des Unternehmens geleistet wurde, ist bei der Bevölkerung eine tiefe Skepsis vorhanden. Das Ehepaar Uwe und Heike kam extra aus Wuppertal, um sich über den zukünftigen Energiewandel zu informieren.
Andere Lösungen als starke Freileitungen?
„Wir wohnen in einer Siedlung, an der die Trasse vorbeiläuft“, erzählt der Mann. Ein Mast sei im Blickfeld des Ehepaares ganz in der Nähe ihres Hauses. Die beiden Wuppertaler sind durchaus realistisch. „Natürlich wollen wir alle Strom und vor allem immer mehr Strom“, sagt Uwe. „Aber vielleicht gäbe es andere Antworten auf den wachsenden Bedarf als so starke Freileitungen wie sie geplant sind.“
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Den Grund für den Umbau kennen die beiden: Windparks an der Nordsee sollen zukünftig einen großen Teil des Stroms in Deutschland erzeugen. Für den Transport von der Nordsee bis zum Allgäu werden deutlich stärkere Leitungen benötigt. „Darum sollen ja die Masten bis zu 80 Meter hoch werden, damit die Grenzwerte unten eingehalten werden“, haben die Wuppertaler von den Fachleuten erfahren.
Kommt der seltene Nacktmull aus der Versenkung?
„Aber, was ist, wenn die Grenzwerte doch nicht eingehalten werden können? Werden sie dann ganz einfach erhöht? Solche Vorgehensweise haben wir in der EU ja schon öfter erfahren“, befürchtet der Mann. Vielleicht komme ja noch das seltene Nagetier Nacktmull aus der Versenkung und stoppe das Unterfangen, scherzt der Wuppertaler.
Er spielt auf die Notwendigkeit des Tierschutzes an, den Amprion bei den neuen Trassen berücksichtigen muss. „In manchen Gegenden müssen wir Rücksicht nehmen auf Knoblauchkröten und Haselmäuse, die von Tierschützern erst umgesetzt werden müssen, bevor wir mit dem Bau beginnen können“, bestätigt Unternehmenssprecher Andreas Lehmann. Knoblauchkröten, die sich gerne in den Boden eingraben, seien auf Hattinger Feldern aber bisher nicht gesichtet worden.
Angst vor Lärm unter Leitungen
Auch Silvia aus Hattingen hat sich interessiert ins Gemeindezentrum begeben, obwohl sie gerade erst zufällig von der Veranstaltung gehört hat. „Das Thema interessiert mich. Ich finde ja für den Klimaschutz und den Energiebedarf Wind gut. Aber mir machen der Lärm, der unter den Leitungen zu hören ist, und die Strahlung doch Sorgen“, sagt sie. Trotz der ausführlichen Information, die sie sich holt, bleibe ein mulmiges Gefühl.
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Sehr wissend und als Gesprächspartner auf Augenhöhe geht Landwirt Peter Oberdellmann mit Amprion um. Er ist der Vertreter beim Landwirtschaftsverband und setzt sich für die Hattinger Landwirte ein. „Im Grunde sind alle zwölf bis 15 Betriebe in Hattingen von dem Umbau der Stromtrassen betroffen“, sagt er. Da gelte es, rechtlich zu verhandeln und auch Rahmenverträge für Entschädigungen auszuarbeiten.
Auch viele Landwirte vor Ort
Denn vor allem dort, wo die Freileitungen eine Abbiegung machen, müssten immens stabile, riesige Fundamente in die Erde eingebaut werden. „Um die Kräne und Arbeitsgeräte dorthin zu transportieren, sind zum Teil extra stabile Straßen notwendig. Die Kräne können ja nicht einfach über die Felder fahren.“ Das habe zur Folge, dass die Landwirte über einige Zeit auch wirtschaftliche Einbußen hätten.
Auch Landwirt Reinhard Korfmann ist vor Ort. Über seine Ländereien führt die Trasse ebenfalls. Möglicherweise muss ein Mast versetzt werden. „Wenn man beispielsweise mit einem Düngestreuer über die 21 Meter breiten Fahrgassen auf den Feldern fährt und dann steht ein Mast im Weg, das ist dann nicht so praktisch“, erklärt er. Das solle, wenn‘s eben geht, vermieden werden. Daher führe auch er Gespräche mit Amprion. Es gibt also noch viel Klärungsbedarf, bis die neue Trasse 2033 in Betrieb genommen werden kann.
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