Langenberg. Amprion rüstet eine Stromtrasse zwischen Hattingen und Wuppertal auf. Vorher finden diverse Begehungen des Geländes statt – auch in Langenberg.

Wer in den kommenden Wochen in den Wäldern spazieren geht, wird eventuell auf ganz besondere Wanderer treffen: Experten, die sich genau anschauen, was vor allem rund um Nierenhof und Bonsfeld so Tierisches unterwegs ist.

Faunistische Planungsraumanalyse heißt das im Fachdeutsch und ist Teil der Planung für eine neue Höchstspannungsfreileitung, die die Umspannanlage Hattingen mit der Umspannanlage Linde bei Wuppertal verbinden wird.

Experten begutachten Tierwelt

Die bestehende Trasse bei Hattingen: Zwar verläuft die Trasse nicht über Langenberger Gebiet, dennoch sind Experten unterwegs, um zu erfassen, wie die Tierwelt rund um den Verlauf aussieht.
Die bestehende Trasse bei Hattingen: Zwar verläuft die Trasse nicht über Langenberger Gebiet, dennoch sind Experten unterwegs, um zu erfassen, wie die Tierwelt rund um den Verlauf aussieht. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Obwohl diese Leitung gar nicht über Langenberger Gebiet verläuft, sind die Fachleute dennoch in den hiesigen Wäldern und so genannten Offenländern unterwegs. Denn: „Wir schauen uns den Raum rund um die Trasse an“, sagt Sandra Vogel. Die Dipl. Bio-Geografin ist Projektleiterin bei AFRY Deutschland, einem Unternehmen, das im Auftrag von Amprion genau diese Untersuchung durchführt.

Rund um die Trasse bedeutet, dass links und rechts der Leitung bis zu einem Abstand von jeweils 3300 Metern – jedoch in gestaffelter Intensität – das Gelände untersucht wird. Und so gelangen die Experten eben auch auf Langenberger Gebiet. „Das zu untersuchende Areal ist so groß, weil die unterschiedlichen Tierarten eben auch unterschiedliche Aktionsradien und Empfindlichkeiten haben“, erläutert Sandra Vogel.

Unterschiedliche Aktionsräume

Zauneidechsen etwa „bewegen sich nur innerhalb kleinerer Distanzen und sind lediglich innerhalb der Baufelder zu betrachten. Großvögel wiederum sind zum einen im Bereich ihrer Horste äußerst störungsempfindlich, zum anderen aufgrund ihrer großen Aktionsräume an Freileitungen kollisionsgefährdet“, führt die Bio-Geografin weiter aus. Bevor die Begeher ausrücken, ist allerdings schon viel Vorarbeit geleistet worden: „Wir schauen uns Kartenmaterial an und erfassen, welche Tiere in diesem Raum überhaupt vorkommen können.“

Das sei wichtig, um zum Start der Begehung bereits einen guten Plan zu haben, „wo zum Beispiel ein Horst wahrscheinlich ist“. Dazu gebe es ergänzend eine Abstimmung mit den entsprechenden Behörden, biologischen Stationen und Datenabfragen zu frei verfügbaren Daten.

Außerdem ist es „für die Leute, die rausgehen, wichtig zu wissen, ob es schon Vorkommen bestimmter Tierarten in dem Bereich gegeben hat“, ob dort bereits einmal ein Schwarzstorch genistet hat.

Begehung folgt wissenschaftlichen Standards

Die Trasse verläuft zwischen dem Umspannwerk Hattingen (im Bild) und dem in Linde.
Die Trasse verläuft zwischen dem Umspannwerk Hattingen (im Bild) und dem in Linde. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Ziel der faunistischen Planungsraumanalyse ist es, aufbauend auf den vorhandenen Strukturen im Gelände und anhand der bestehenden Daten einen Plan aufzustellen für die erforderlichen Kartierungen von Arten und Artengruppen, die sich daran anschließen.

Und mit nur einer Begehung für die Kartierung ist es auch nicht getan: „Es gibt klare wissenschaftliche Standards, die bei der Erfassung der Artengruppen eingehalten werden müssen“, erläutert Projektleiterin Sandra Vogel. „Diese Standards legen etwa fest, wie viele Begehungen es geben muss oder zu welchen Jahreszeiten diese stattfinden müssen.“

Insgesamt über ein Jahr werden die Kartierungen nach Abschluss der faunistischen Planungsraumanalyse erfolgen. So lange können auch immer wieder Experten in den Wäldern angetroffen werden.

Weitere Schritte folgen

Und diese Analyse ist auch nur der erste Schritt von ganz vielen: Aktuell erfolgt die erste Information von betroffenen Anwohnern, parallel dazu hat Amprion – zukünftiger Betreiber der Höchstspannungsleitung – mit der Erstellung der entsprechenden Anträge begonnen. „All das zusammen“, schätzt Carsten Schulz, Vorhabenleiter bei Amprion, „wird etwa zweieinhalb Jahre dauern“.

Er rechne damit, dass „wir 2025 ins Verfahren selber einsteigen“, Baubeginn werde voraussichtlich im Jahr 2028 sein, mit der Fertigstellung rechnet der Vorhabenleiter 2033. Doch was genau wird in dem Gebiet überhaupt gebaut?

Netzverstärkung ist notwendig

Für die Höchstspannungsleitung müssen auch die Masten neu gebaut werden.
Für die Höchstspannungsleitung müssen auch die Masten neu gebaut werden. © WP | Steffen Gerber

Zwischen Hattingen und Linde gibt es bereits eine 220-Kilovolt-Stromtrasse, die bislang mit 110 kV betrieben wurde. Im Zuge der Netzverstärkung sollen dort nun neue 380-kV-Leitungen angebracht werden. Allerdings müssen dazu die Masten neu aufgestellt und neue Leiterseile angebracht werden. Die aktuellen Masten, erläutert Carsten Schulz, „sind statisch nicht für das ausgelegt, was wir vorhaben“.

Die Netzverstärkung zwischen Hattingen und Linde ist bereits seit 2019 im Netzentwicklungsplan vorgesehen und nötig, weil das aktuelle Netz nicht ausreicht, um den Windstrom aus Norddeutschland in den Süden zu transportieren und den bundesweit stark steigenden Bedarf an Strom zu decken.

„Insgesamt wollen wir zwei Ziele erreichen“, sagt Carsten Schulz: „Einmal die Erhöhung der Übertragungskapazität zwischen den Umspannanlagen, um die zukünftige Einspeiseleistung vollumfänglich abführen zu können, vornehmlich von Nord nach Süd; und die Erhöhung der elektrischen Versorgungssicherheit in der Region.“

Zahlen und Daten zum Projekt

Rund 18 Kilometer Luftlinie liegen zwischen den beiden Umspannwerken in Hattingen und Linde. Das Projekt ist als Freiluftleitung festgesetzt, da eine Verlegung der Kabel unter die Erde aufgrund der schwierigen Topographie im Bergischen Land zu umständlich und teuer geworden wäre.Die Bauzeit wird etwa fünf Jahre dauern; ans Netz gehen soll die neue 380-KV-Leitung laut Plan im Jahr 2033. Amprion investiert in dieses Projekt etwa 300 Millionen Euro.Amprion ist einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland und zuständig für ein Gebiet, das sich von Niedersachsen bis an die Alpen erstreckt. Rund 11.000 Kilometer Netz betreut Amprion, in dem Gebiet leben 29 Millionen Menschen.