Hattingen. Über Jahre hat ein HIV-Infizierter mit seinem Mann ungeschützten Sex. Der ahnt nichts von der Krankheit. Jetzt urteilte das Gericht in Hattingen.
Fünf Jahre lang - von Januar 2015 bis Anfang 2020 - hatten der Angeklagte und sein damaliger Ehemann mehr als 120 Mal ungeschützten Verkehr. Doch hat der 53-Jährige dem damaligen Lebenspartner, heute auch HIV-positiv, seine Infektion auch verschwiegen? Und: War er überhaupt ansteckend?
Versuchte gefährliche Körperverletzung lautet die Anklage
Das soll am zweiten Prozesstag vor dem Schöffengericht in Hattingen mithilfe weiterer Zeugen klarer werden. Versuchte gefährliche Körperverletzung wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten dabei vor - in insgesamt 127 Fällen.
Eine den Angeklagten behandelnde Ärztin ist dieses Mal geladen. Sie sagt, bis April 2015 sei die HI-Viruslast des Angeklagten „unter der Nachweisgrenze gewesen“. Damit galt er für jene Zeit als nicht ansteckend. Von April 2015 bis Anfang 2020 habe es indes „eine längere Lücke gegeben, wo er sich bei uns nicht vorgestellt hat“, daher könne sie für diesen Zeitraum nichts über eine mögliche Ansteckungsgefahr sagen. Der Angeklagte selbst hatte zum Prozessauftakt noch behauptet, diese habe es bis 2017 nicht gegeben.
Angeklagten „gefragt, ob sein damaliger Partner weiß, dass wir positiv sind“
Ein weiterer Zeuge (67) sagt ebenfalls anders aus als der Angeklagte. So hatte jener zunächst erklärt, bei einem Dreiertreffen habe der ebenfalls HIV-positive Bekannte aus einer Positiv-Kochgruppe zu seinem Mann gesagt, dass er und der Angeklagte „ja beide positiv sind“. Der 67-Jährige dagegen erklärt nun, er wisse nur, dass er den Angeklagten „gefragt habe, ob sein damaliger Partner weiß, dass wir positiv sind“. Der Ex-Mann sei dabei nicht anwesend gewesen.
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Versuchte gefährliche Körperverletzung gegen den Ex-Mann als erwiesen an sieht in seinem Plädoyer der Staatsanwalt, der Angeklagte habe diesem den HIV-Infekt „nie direkt gesagt“. Auch Rückschlüsse auf diesen habe der Ex-Mann entgegen den Behauptungen des Angeklagten nicht ziehen können. Mehr noch: „Man erwartet, dass man einem eine HIV-Infektion mitteilt.“ Auch ein Geständnis des Angeklagten habe er vermisst: „Man muss Verantwortung für sein Verhalten übernehmen.“ Gestanden hatte der Angeklagte lediglich, dass er mit einem anderen Sexpartner (66), mit dem er zusammen mit seinem damaligen Mann ebenfalls einige wenige Male verkehrte, „nie“ über seine HIV-Infektion gesprochen habe.
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Drei Jahre Haft fordert der Staatsanwalt, der Verteidiger des Angeklagten dagegen Freispruch für die Anklagefälle gegenüber dem Ex-Mann und „eine milde Strafe“ für die drei zur Anklage stehenden Fälle gegenüber dem weiteren Sexpartner.
„Nicht absichtlich auf eine Schädigung des Partners hingewirkt“
Das Schöffengericht unterdessen - überzeugt, dass der Angeklagte dem Ex-Mann nicht ausdrücklich etwas von seiner HIV-Infektion gesagt hat - verurteilt den 53-Jährigen zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe, drei Jahre ausgesetzt zur Bewährung. Die Aussagen der Ärztin zur Nicht-Ansteckungszeit hinzuziehend, kommt das Schöffengericht dabei am Ende zu insgesamt 103 Fällen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Der Vorsitzende Richter Johannes Kimmeskamp: „Wir gehen aber auch davon aus, dass der Angeklagte nicht absichtlich auf eine Schädigung des Partners hingewirkt hat.“
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