Gladbeck. Eine im Marienhospital Gelsenkirchen beschäftigte Krankenschwester aus Gladbeck wurde trotz Schwerbehinderung gesundheitsschädigend eingesetzt.
Eine Krankenschwester aus Gladbeck hat jetzt Recht bekommen, dass ihr Arbeitgeber, - das zum katholischen Krankenhausverbund St. Augustinus gehörende Marienhospital Gelsenkirchen -, sie trotz Schwerbehinderung und ärztlicher Atteste überlastend und gesundheitsschädigend eingesetzt hat. Ihre Vorwürfe gegen den Arbeitgeber und ihre Schadensersatzansprüche seien im Kern gerechtfertigt, so das Urteil des Arbeitsgerichtes.
Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen verurteilte die Marienhospital Gelsenkirchen GmbH aufgrund schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens am 10. Dezember dieses Jahres zur Zahlung von 45.205,68 Euro Schadensersatz. Die Krankenschwester (49) hatte vor nunmehr 31 Jahren ihre Ausbildung beim katholischen Arbeitgeber absolviert und danach als Krankenschwester in Vollzeit gearbeitet. Aufgrund einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung ist die Frau gesundheitlich eingeschränkt und hat einen anerkannten Schwerbehindertengrad von 50 Prozent.
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Auf die Bitte um einen leidensgerechten Arbeitsplatz nicht reagiert
Wie ihr Rechtsanwalt Martin Löbbecke auch laut Urteilsschrift berichtet, war die Klägerin seit dem 30. September 2019 arbeitsunfähig krank. Während der krankheitsbedingten Abwesenheit sei ihr ursprünglicher, körperlich weniger belastende Arbeitsplatz in der proktologischen Ambulanz des Marienhospitals entfallen. Gleichwohl sei die Stelle am 19. November erneut ausgeschrieben worden, „die meine Mandatin gerne erhalten hätte, oder das Angebot einer Tätigkeit in einer anderen Ambulanz“.
Die Krankenschwester habe auch um das nach längerer Abwesenheit durch Krankheit gesetzlich vorgeschriebene betriebliche Eingliederungsmanagement gebeten. Auf ihren Hinweis und ihre Bitte, das sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr schwer heben könne, und so um einen leidensgerechten Arbeitsplatz nachsuche, habe die Krankenhausleitung nicht adäquat reagiert. Die Klägerin sei vielmehr als Krankenschwester in der Gefäßchirurgie (Station 6B) in Vollzeit eingesetzt worden.
Die Arbeit unter starken Schmerzen mit Medikamenten fortgesetzt
Seine Mandantin habe die Arbeit daraufhin unter starken Schmerzen und der Einnahme von Schmerzmitteln fortgesetzt. Schließlich hätte sie den Betriebsarzt aufgesucht, der in einer arbeitsmedizinischen Stellungnahme Mitte Mai 2020 empfahl, „sie wegen ihrer gesundheitlichen und körperlichen Einschränkungen nicht mehr auf dieser Station einzusetzen“. Auch Atteste weiterer behandelnder Ärzte seien aber nicht berücksichtigt worden, „niemand reagierte auf die Schmerzen meiner Mandantin und ihre Bitte, sie weniger körperlich belastend einzusetzen“, kritisiert Löbbecke.
Krankenhausträger spricht von überraschendem Urteil
Warum der angestellten Krankenschwester nicht sofort eine leichtere Tätigkeit angeboten wurde, die ihrem Gesundheitszustand entsprochen hat? Nur eine der Fragen, die die WAZ der St. Augustinus Gmbh gestellt hat, mit bitte um Stellungnahme zum Gerichtsurteil. Das Urteil des Arbeitsgericht Gelsenkirchen liege zur Prüfung vor, so die Antwort von Wolfgang Heinberg, Leiter der Unternehmenskommunikation. „Die Begründung der Entscheidung und die rechtlichen Ausführungen sind auf den ersten Blick in Teilen überraschend und können von unserer Seite nicht nachvollzogen werden. Bei der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts kommen wir nach erster, vorläufiger Einschätzung zu anderen Ergebnissen.“Die Ausführungen der Kammer werden man daher zunächst prüfen, um anschließend sorgfältig abzuwägen, ob innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist Berufung gegen die Entscheidung eingelegt werde. „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt und die Berufungsfrist für die Prüfung des weiteren Vorgehens möglicherweise ausgeschöpft werden muss“, so Heinberg, könne derzeit auch zu einzelnen Fragestellungen keine Stellungnahme abgegeben werden. Mit der weiteren Bitte um Verständnis, „dass wir derzeit zur Wahrung unserer Rechtsposition keine inhaltliche Aussagen über den Verfahrensgang machen“. Die Berufung ist bis zum 14. Januar 2022 möglich.
Aufgrund der körperlichen Überanstrengung sei sie dann, wenig überraschend, im Juli erneut arbeitsunfähig erkrankt. Da der Arbeitgeber der Fürsorge und dem gesundheitlichen Schutz seiner Arbeitnehmerin nicht nachgekommen sei, habe er „schließlich die Reißleine gezogen“, so Anwalt Löbbecke. „Von unserer Kanzlei wurde die Arbeitgeberin am 14. September abgemahnt mit Androhung einer Kündigung wegen dauerhafter Überlastung mit den für unsere Mandantin zu schweren Arbeiten.“ Da trotzdem das Eingliederungsmanagement nicht begonnen worden sei und auch keine vorläufige Versetzung in einen anderen Tätigkeitsbereich erfolgte, „haben wir zum Schutz der Gesundheit der Mandantin das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 30. November des Jahres gekündigt“.
Es bestand zwangsläufig die Gefahr weiterer Arbeitsunfähigkeit
Im Urteil zur daraufhin erhobenen Klage mit Schadensersatzansprüche habe das Arbeitsgericht Gelsenkirchen betont, dass für seine Mandantin „zwangsläufig die Gefahr weiterer Arbeitsunfähigkeiten bestand“. Bei den Gesamtumständen sei das Gewicht der Vertragspflichtverletzung der Arbeitgeberin als verhältnismäßig schwer beurteilt worden, da die Klägerin „eine leidensgerechte Beschäftigung auch als Schwerbehinderte verlangen konnte“. Seine Mandantin habe mittlerweile eine neue Anstellung in einem anderen Krankenhaus in der Region erhalten, „sie ist in Vollzeit als von der Pflege frei gestellte Wundexpertin tätig“.