Gladbeck.. Oma Angela ist Italienerin geblieben. Sohn Raffaele lebt in beiden Kulturen. Die Enkel fühlen sich als Deutsche. Und alle leben gern in Gladbeck.


Das ist eine typische Gastarbeiter-Geschichte: 1965 verließ Angela Piromalli mit ihren drei Kindern Guiseppe, Maria und Raffaele das kleine Dorf Cinquefrondi in Kalabrien und folgte ihrem Mann Michele nach Deutschland. Der hatte die Heimat schon zwei Jahre zuvor verlassen, um in der Fremde zu arbeiten und seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen.

„Die haben mit Äpfeln und Oliven bezahlt“

Michele Piromalli betrieb in Italien eine kleine orthopädische Schuhmacherwerkstatt und spielte Klarinette in einer Kapelle. Den vielen Freunden und Bekannten, die ihre Schuhe bei ihm reparieren ließen, mochte er nie Geld dafür abnehmen. „Die haben mit Äpfeln oder Oliven bezahlt“, erzählt Angela Piromalli. Mit anderen Worten: Das Geld war immer knapp, und Michele Piromalli suchte sein Glück erst in Frankreich, dann in Deutschland. In Essen fand er Arbeit in einer orthopädischen Werkstatt, wo er bis zur Rente blieb. 1997 starb er.

Raffaele Piromalli (62) macht Musik und sammelt Gitarren.
Raffaele Piromalli (62) macht Musik und sammelt Gitarren. © Unbekannt | FUNKE Foto Services






Die ersten Jahre waren schwer, erinnert sich Angela Piromalli (91). Als sie mit den Kindern nach Deutschland kam, hatte ihr Mann über einen Bekannten in Gladbeck eine Wohnung gefunden: zwei Zimmer, kein Badezimmer, die Gemeinschaftstoilette für alle Hausbewohner im Hausflur. In einem Zimmer schliefen die Eltern, „das zweite war Wohnküche, Esszimmer und das Schlafzimmer der Kinder zugleich“, erzählt der jüngste Sohn Raffaele (62). Der musikalische Familienvater spielte in einer Kapelle der Zeche Mathias Stinnes, und dank dieses Engagements konnten die Piromallis nach zwei Jahren in eine größere Wohnung in einem Zechenhaus an der Heringstraße umziehen.

Angela Piromalli hat als Näherin bei Buschfort, dann bei Siemens gearbeitet

Das Geld war immer noch knapp. Angela Piromalli musste auch arbeiten, zuerst als Näherin bei Buschfort, dann bei Siemens. „Nicht leicht mit drei Kindern“, zollt Raffaele seiner Mutter noch heute Respekt. „Sie musste nach der Arbeit einkaufen und für uns kochen, sich um die Wohnung kümmern, und eine Waschmaschine gab es auch erst nach ein paar Jahren.“

Zeit für einen Deutschkurs blieb da nicht. Angel Piromalli hat an ihren Arbeitsplätzen Deutsch gelernt – und spricht noch heute lieber und besser Italienisch. Sie schaut italienisches Fernsehen, und sie macht sich wegen der poltischen und wirtschaftlichen Lage Sorgen um ihre Heimat. Sie ist im Herzen Italienerin geblieben.

Sohn Raffaele betreibt in Feldhausen eine Elektrofirma

Ihr Sohn Raffaele, der in Feldhausen eine Elektrofirma betreibt und mit einer deutschen Frau verheiratet war, ist sich nicht ganz so sicher, ob er sich eher als Italiener oder als Deutscher fühlt.

„Meine Eigenschaften wie Ordnung und Pünktlichkeit sind sicher deutsch, ich lebe gern in Gladbeck, fühle mich hier zu Hause, habe aber die italienische Staatsangehörigkeit behalten.“

Und wenn der Elektromeister, der die Musikalität von seinem Vater geerbt hat und leidenschaftlich Gitarren sammelt, mit seiner Rock-Pop-Band „Scala“ auftritt, gibt es „Italien für die Ohren“, wie er es nennt. Die Band covert alle bekannten italienischen Sänger. Auch in Sachen Fußball schlägt sein Herz für die alte Heimat: An der Tür zu seinem Musikzimmer hängt noch der Spielplan der WM 2006 – als Italien in Deutschland Weltmeister wurde.

Lisa und Marco haben sich mit 18 für den deutschen Pass entschieden


In der dritten Generation ist die Sache eindeutig: Raffaeles Kinder Lisa (28) und Marco (30) haben sich mit 18 für den deutschen Pass entschieden. „Wir sind Deutsche“, sagen sie. Italienisch sprechen sie nur rudimentär. Dass auch italienisches Blut in ihren Adern fließt, macht Marco an seiner Vorliebe für Oma Angelas italienische Gerichte fest und Lisa an ihrem Temperament und ihrer Impulsivität.

Allen drei Generationen gemein ist der Familiensinn, stark ausgeprägt wie bei Italienern eben. Raffaeles Bruder und Schwester mit ihren Familien sind auch in Gladbeck geblieben. Bei großen Familientreffen geht es immer hoch her – italienische und deutsche Musik inklusive.