Gelsenkirchen. Der Klinikverbund KERN will das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle auch in Gelsenkirchen „revolutionieren“. Warum auch Patienten profitieren.
Wer sucht ihn nicht, den Job, der zum eigenen Leben passt? Da ist die Mutter, die nur am Vormittag arbeiten kann, da sie nach Schulschluss ihre Kinder versorgen muss. Da sind die pflegenden Angehörigen, oder die Sportler, die wichtige Trainingszeiten nicht verpassen möchten. Und dazu gibt es noch so viele andere Gründe, beim Arbeitgeber um flexible Arbeitszeit zu bitten. Was – ganz besonders in medizinischen Berufen – noch immer unmöglich scheint, dafür fiel nun in Gelsenkirchen der Startschuss: Unter dem Dach des Klinikverbund KERN (Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord) geht „Kernflex“ an den Start.
Es ist eine Idee, die nach eigenen Angaben das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle „revolutionieren“ wird und dazu noch 400 neue Arbeitsplätze schaffen soll.
Flexibel arbeiten: Diese neue Idee soll in Gelsenkirchen und der Region 400 neue Arbeitsplätze schaffen
Worum geht's genau? Unter dem Namen „Kernflex“ wird nun ein sogenannter „Flexpool“ an den neun Häusern, die zu KERN gehören, installiert. Er bietet Pflegefachpersonal die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten flexibel und weitgehend an die eigenen Bedürfnisse und persönlichen Gegebenheiten anzupassen. Das Angebot von KERN richtet sich vorrangig an Pflegefachpersonal. Jede und jeder, der sich bewirbt, kann selbst bestimmen, wann und wie viel er oder sie arbeiten möchte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es nur ein Tag in der Woche ist oder wenige Stunden am Tag.
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Die Folge: Alle Mitarbeitenden müssen demnach weniger einspringen – der Dienstplan ist stabil, wie die Verantwortlichen es nennen. Denn das ist laut Kernflex zugesichert: Bereits mehrere Wochen im Voraus seien die Dienste geplant, das ermögliche auch eine langfristige Freizeitplanung. „Das ständige Einspringen ist eine hohe Belastung für unsere Pflegenden“, berichtet einer der Projektleiter von Kernflex, Steffen Branz.
Vor weniger als einem Jahr nahm das Projekt seinen Anfang: „Die vergangenen zehn Monate waren sehr intensiv“, berichtet Branz, der Kernflex zusammen mit seinem Kollegen Peter Mueller initiiert hat. Die Fragen, die hinter dem aufwändigen Aufbau standen: „Was können wir für unsere Mitarbeiter tun, wie können wir die Zufriedenheit verbessern?“, so Branz.
Von zahlreichen KERN-Mitarbeitenden sei dann unter anderem in umfangreichen Umfragen gespiegelt worden: Ein geregeltes Privatleben sei immer schlechter zu gestalten gewesen. Teilweise war der Notstand riesig, der Stress immens – „das schlaucht und ist auf Dauer nicht durchzuhalten“, erläutert Steffen Branz weiter.
Vorbild Niederlande: „Ein neues Arbeitszeitmodell kann jeder“
Eine nachhaltige Lösung sollte her, die Niederlande gaben das passende Vorbild: Denn dort wird schon seit längerem auf Pool-Lösungen gesetzt, um nicht nur kurzfristig für Entlastung zu sorgen, sondern auch längerfristig den immer massiver werdenden Personalmangel auszugleichen.
„Ein neues Arbeitszeitmodell kann jeder“, sagt Steffen Branz locker, bei KERN wollten sie dem Pflegenotstand aktiv entgegentreten. Mittlerweile sind sie an dem Punkt angekommen, dass die Mitarbeiter „sich nicht mehr rechtfertigen müssen“, die schon viel besprochene Work-Life-Balance zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
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Kernflex wird von drei festen Kräften betreut – denn darum geht es ja auch: Dass die Bewerberinnen und Bewerber nicht nur während des Starts begleitet werden, sondern während der gesamten Zeit. Eda Keskin gehört zum Kernflex-Team, ist für das Recruiting der Menschen verantwortlich und hat bereits erste Bewerbungsgespräche geführt.
Die Gründe, warum das Pflegefachpersonal bei Kernflex arbeiten möchte, seien „immer individuell“. Sie führe intensive und persönliche Gespräche, berichtet sie, immer mit Fingerspitzengefühl und auf Augenhöhe. Das gesamte Ansprechpartner-Team kommt schließlich ebenfalls aus der Pflege.
In den nächsten drei bis vier Jahren sollen 400 neue Arbeitsplätze entstehen
Und es geht direkt los: Ab März sind insgesamt 18 Vollzeitstellen besetzt, im April sollen weitere vier hinzukommen. In den nächsten drei bis vier Jahren werden rund 400 neue Arbeitsplätze entstehen. Begleitet wird der Start von einer großen Kampagne auf den gängigen Plattformen, Werbetafeln und in den Medien.
Gezielt sollen so auch die angesprochen werden, die der Pflege den Rücken gekehrt haben. Allein in NRW gebe es ein Arbeitskräftepotenzial von rund 90.000 Menschen, das noch nicht genutzt werde, weiß David Zocher, Leiter von Kernflex. Nun wolle man versuchen, das „starre System aufzuweichen.“
Doch nicht nur die Mitarbeiter sollen profitieren: „Das ist auch eine Verbesserung der Patientenversorgung“, wirbt Steffen Branz – etwa durch die Stabilität und Kontinuität in den Dienstzeiten, die die Ergänzung durch Kernflex-Kräfte mit sich bringt. Oder, dass Patienten nun weniger lang auf Operationen warten müssen.
Im Ruhrgebiet ist dieses neue Modell nach eigenen Angaben einzigartig. Der große Wunsch der Ideengeber: Dass sich viele Nachahmer finden, und zwar schnell. Unterstützung gab es stets seitens der Geschäftsführung: „Eigentlich ist es genau das, was uns fehlt“, erklärte KERN-Geschäftsführerin Susanne Minten zum Auftakt.
Zum Team von Kernflex gehören David Zocher, Eda Keskin und Luica Bleker. Sie alle sind unter der E-Mail-Adresse kernflex@kern.ruhr erreichbar. Weitere Informationen gibt es auch im Netz unter kernflex.ruhr