Gelsenkirchen. Die Corona-Pandemie ist lange vorbei. Aber immer noch werden in Gelsenkirchen und der Region viele Anträge auf Entschädigungszahlungen gestellt.

Dass man in seinem Haus einmal dafür zuständig sein wird, die Unternehmen zu entschädigen, deren Beschäftigte wegen Ansteckungsgefahr mit einem pandemischen Virus nicht arbeiten können, das hätte er sich vor der Corona-Zeit „nie träumen lassen“, gab Georg Lunemann, Direktor des Landwirtschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), vergangenes Jahr bei einem Besuch in Gelsenkirchen zu. Fast beiläufig erwähnte er in diesem Zusammenhang dann auch noch einen überraschenden Fakt: Immer noch beantragen Hunderte Unternehmen und Selbstständige in der Region Ausgleichszahlungen wegen Corona-Ausfällen.

Der LWL ist mit seinen 20.000 Beschäftigten eigentlich verantwortlich für Inklusion in den Kommunen – indem er Hilfezahlungen für Menschen mit Behinderung leistet oder Förderschulen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen betreibt. Hinzukommen kulturelle Aufgaben, der LWL-Namenszusatz in zahlreichen Museen in NRW dürfte vielen Kulturinteressierten schon einmal aufgefallen sein. In der Corona-Zeit kam aber noch eine weitere Aufgabe hinzu: Der Landschaftsverband war und ist zuständig für die sogenannten Verdienstausfallentschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz.

Corona-Entschädigungszahlungen: 820 Euro im Durchschnitt ausgezahlt

LWL-Direktor Georg Lunemann, ehemals Kämmerer der Stadt Gelsenkirchen.
LWL-Direktor Georg Lunemann, ehemals Kämmerer der Stadt Gelsenkirchen. © WP | Michael Kleinrensing

Ob aufgrund von Quarantäne, geschlossener Kita oder Tätigkeitsverbot: Wer während der Corona-Pandemie nicht arbeiten konnte, erhielt vom Arbeitgeber eine entsprechende Entschädigungszahlung. Die Arbeitgeber – und auch Selbstständige – wiederum konnten die Entschädigungszahlungen vom Staat erstattet bekommen, und zwar beim LWL. Die epidemische Lage ist längst für beendet erklärt, dennoch sprach Lunemann in Gelsenkirchen von „2000 Anträgen“, die der LWL immer noch wöchentlich erhielt. Die Pressestelle des LWL korrigiert diese Zahl zwar auf WAZ-Nachfrage deutlich nach unten und spricht von „zirka 100 Fällen pro Woche“ – aber auch das ist verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Corona-Schutzmaßnahmen in NRW schon seit April 2023 ausgelaufen sind.

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„Warum im Einzelfall Anträge erst zu einem sehr späten Zeitpunkt gestellt werden, entzieht sich unserer Kenntnis“, heißt es aus der Pressestelle. Fakt ist: Anträge müssen spätestens zwei Jahre nach Beginn des Tätigkeitsverbots oder dem Ende der Quarantäne gestellt werden. 50 Mitarbeiter seien weiterhin zur Bearbeitung der Anträge eingesetzt, Lunemann sprach davon, dass man zeitweise „innerhalb kürzester Zeit“ 250 Kräfte zur Bewältigung der Aufgaben beim LWL hätte einsetzen müssen. 10.000 Anträge pro Woche seien in der Corona-Hochzeit gestellt worden.

Insgesamt wurden im Zuständigkeitsbereich des LWL – also in den Kommunen Westfalens – knapp 640.000 Anträge gestellt. Neben dem LWL ist auch der LVR, der Landschaftsverband Rheinland, für die Entschädigung zuständig. „Sofern es zu einer Bewilligung kam, wurden durchschnittlich 820 Euro pro Fall ausgezahlt“, heißt es aus dem LWL. Lokale Statistiken für Gelsenkirchen zum Antragsaufkommen und den bewilligten Zahlungen gibt es nicht.

So teuer ist der Landschaftsverband für Gelsenkirchen

Seine Pflichten erfüllt der LWL mit Millionen aus den Stadtkassen: Gelsenkirchen und alle anderen Kommunen entrichten eine Landschaftsumlage an den LWL, die als finanzielle Kompensation dafür gilt, dass der Verband seine sozialen Aufgaben erfüllen kann. Für Gelsenkirchen wird diese Kompensation immer teurer, und zwar deutlich: Im Zeitraum 2020 bis 2024 haben die Umlagezahlungen um 36 Prozent zugenommen, für 2025 rechnet die Stadt mit Kosten in Höhe von 134,3 Millionen Euro, 2028 sollen es den Haushaltsprognosen zufolge sogar schon 158,3 Millionen Euro werden. Immerhin: Die Corona-Ausgleichszahlungen sind kein Teil der Umlage, sie werden komplett durch Landesmittel gestemmt.

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