Gelsenkirchen. Mehr als 1,4 Milliarden Euro wird die Stadt Gelsenkirchen nächstes Jahr wieder ausgeben. Wofür das Geld draufgeht und warum kaum Spielraum ist.
Vergnügungssteuerpflichtig ist es gewiss nicht, den Haushalt für die Stadt Gelsenkirchen aufzustellen. Denn wie man es auch dreht und wendet, die Finanzierungsdecke ist immer sehr kurz. Diese Tatsache und noch viel mehr stellten Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) und Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff am Donnerstag (22. August) den 88 Stadtverordneten im Rat der Stadt Gelsenkirchen vor. Rund 1,4 Milliarden Euro ist der städtische Haushalt wieder schwer, doch der tatsächliche Spielraum bei den Finanzen ist vergleichsweise mickrig.
Das liegt im Wesentlichen an zwei Faktoren: Die Einnahmenseite der Stadt – etwa über die Gewerbesteuer – ist überschaubar und die Pflichtausgabenseite seit vielen Jahren sehr groß. Und sie wird immer größer. Denn zum Strukturwandel und der ohnehin hohen Arbeitslosigkeit in der Stadt kommen seit einigen Jahren auch demografische Entwicklungen hinzu, die ihrerseits teuer zu Buche schlagen.
Fast jeder zweite Euro geht in Gelsenkirchen für Transferausgaben drauf
Denn während Gelsenkirchens Einwohnerzahl lange Zeit sank, drehen die Migrationsbewegungen der letzten Jahre den Trend des Bevölkerungsschwunds ins Gegenteil - die Einwohnerzahl wächst seit einigen Jahren wieder. Neben generellen Mehrbedarfen im Bereich der Daseinsvorsorge fordert der hohe Anteil sehr junger Neueinwohner die Stadt insbesondere in ihrer Rolle als Schulträgerin. Das bedeutet: Die erforderlichen Investitionen in Schulraum und Betreuungsplätze bringen die Stadt Gelsenkirchen an den Rand des finanziell und faktisch Leistbaren.
Denn Transferaufwendungen wie die Kosten der Unterkunft für Bürgergeld-Empfänger sind im armen Gelsenkirchen bekanntermaßen der mit Abstand größte Posten im Haushalt. Fast jeder zweite Euro ging bereits 2024 für Transferausgaben drauf - und das bleibt auch 2025 so. In Zahlen sind das: 682,1 Millionen Euro. Ein Betrag, durch den die Stadt ihre finanziellen Gestaltungsräume nahezu komplett einbüßt.
Zu den Transferaufwendungen zählen auch die Hilfen zur Erziehung, also die Unterstützung für Familien und Kinder in problematischen Lebenslagen, etwa durch Sozialpädagogen, die die Familien besuchen. Aufgrund deutlich gestiegener Fallzahlen sowie gestiegener Personalkosten wuchs der Betrag 2024 bereits auf deutlich über 80 Millionen Euro, das ist mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr 2019. Und auch 2025 rechnet die Stadtkämmerei mit ähnlichen hohen Kosten.
Unverändert belastend für den Haushalt ist auch die weiterhin nicht auskömmliche Gegenfinanzierung durch Land, Bund und EU für die Aufwendungen der Stadt zur Integration der Zuwandernden aus Südosteuropa. Für 2024 kalkulierte die Kämmerei dafür rund 14,7 Millionen Euro ein, die allein die Stadt zu tragen hat.
Gelsenkirchen ist vor allem auf Schlüsselzuweisungen angewiesen
Und auch die Umlage für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) steigt seit Jahren kontinuierlich. Für 2025 werden dafür 134 Millionen geplant - bis 2028 soll der Betrag auf 158 Millionen Euro wachsen. Zum Vergleich: 2020 waren es nur 92,5 Millionen Euro. Ein Fokus der LWL-Arbeit liegt darauf, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
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Der gestiegene Leitzins und höhere Personalkosten tun ihr Übriges und belasten den Etat zusätzlich, während die Stadt auf der Ertragsseite nur vergleichsweise geringe Steigerungen bei der Gewerbesteuer von 190 Millionen Euro in 2025 auf 199 Millionen Euro in 2028 erwartet (der Haushalt wird grob für die nächsten drei Jahre vorgeplant).
Auch die Teileinnahmen durch die Einkommensteuer werden laut Stadt voraussichtlich nur von 110 Millionen Euro im kommenden Jahr auf 129 Millionen Euro in 2028 wachsen, während die Schlüsselzuweisungen für die Stadt, also das Geld, was sie von Land und Bund zugewiesen bekommt, laut Prognose von 400 auf 522 Millionen Euro steigen werden. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die Entwicklung der Schlüsselzuweisungen so wie auch die der Steuereinnahmen ein ziemliches Glaskugellesen sind.
Haushalte: Kaum eine NRW-Stadt kommt noch mit Steuergeld aus
Mit einer schweren Haushaltslage steht Gelsenkirchen in NRW bei weitem nicht alleine dar. Vielmehr ist es so, dass die Finanzlage der nordrhein-westfälischen Kommunen immer dramatischer wird. Wie Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) kürzlich auf Anfrage der SPD-Opposition bekanntgegeben hatte, verfügten zum 31. Dezember 2023 nur noch 73 der 396 NRW-Kommunen über einen ausgeglichenen Haushalt. Laut Städte- und Gemeindebund werden es zum Ende des laufenden Jahres sogar nur noch 24 sein. Vor fünf Jahren waren es noch 135.
Zum Vergleich der Haushaltsplan 2024: Das sind die Aufwendungen in Gelsenkirchen