Gelsenkirchen. Krieg, Corona, Klima: Gelsenkirchen muss in Zeiten globaler Krisen einen neuen Haushalt vorlegen. Dabei hat die Stadt noch ganz andere Probleme.
Haushaltsmagie? Buchhalterische Taschenspielertricks? Unlautere Schönrechnerei? Nein, Gelsenkirchen schöpft nur gesetzliche Möglichkeiten aus, wenn die Stadt trotz ihrer Verschuldung, überschwänglicher Sozialausgaben und angesichts der vielen weltpolitischen Herausforderungen mit einem ausgeglichenen Haushalt plant.
Der Kniff in den vergangenen zwei Jahren war die Isolierung der Corona-Schäden; in diesem Jahr sind es finanzpolitische Instrumente wie die sogenannte „globale Minderausgabe“ mit denen sich die Stadt über Wasser hält. Ohne besondere Haushaltsmanöver würde sich Gelsenkirchen in den roten Zahlen wiederfinden. Die Stadtfinanzen sind alles andere als krisenfest. Und noch weiß keiner, wie teuer das nächste Haushaltsjahr durch den raketenhaften Anstieg bei den Energiepreisen, Baupreisen und sonstigen Kriegs- und Pandemiefolgen tatsächlich wird.
Könnte die Stadt Gelsenkirchen klüger Geld ausgeben? Vielleicht - einen Unterschied würde es aber kaum machen
Wer die Berichterstattung der WAZ Gelsenkirchen in den vergangenen Monaten verfolgt hat, dem mögen zwar viele Beispiele einfallen, bei denen die Stadt haushälterisch nicht mit der größten Finesse agiert hat – von Dienst-E-Bikes, deren Leasing zwar schon läuft, die aber nicht gefahren werden dürfen, über teure Gutachten, die wenig handfeste Ergebnisse liefern, bis zu kaum genutzten Förderprogrammen für den Umbau von privaten Schottergärten. Aber selbst wenn die Stadt keinen einzigen Cent aus dem Fenster rauswerfen würde und die Rolle der schwäbischen Hausfrau musterhaft erfüllen würde: Einen entscheidenden Unterschied würde das wohl nicht machen.
Denn während die Krisen auf der Welt – Klima, Kriegsfolgen, Corona – sich immer mehr in den Stadtfinanzen niederschlagen, steigen die Pflicht-Sozialausgaben gleichzeitig weiter und immer weiter.
Alleine diese Zahl muss man mal sacken lassen: Mit 55,8 Millionen Euro für die Hilfen zur Erziehung kalkuliert die Stadt für 2023. Das sind fast 20 Millionen Euro mehr (!) als noch im Jahr 2019. So viel mehr muss die Stadt aufgrund gestiegener Fallzahlen alleine ausgeben, um Kinder und Jugendliche zu schützen, deren Wohl gefährdet ist.
Steigende Sozialausgaben in Gelsenkirchen: Irgendwann ist das Limit erreicht
Diese Hilfen machen allerdings nur einen kleinen Teil der gesamten Transferaufwendungen im sozialen Bereich aus, die über 550 Millionen Euro betragen und allesamt weiter steigen und steigen – aufgrund der Armutsmigration aus Südosteuropa, aufgrund der geringen Aufstiegschancen benachteiligter Kinder, aufgrund der wachsenden Rentnerarmut, aufgrund so vieler Probleme, die alle in Gelsenkirchen zusammenkommen. Und für die die Stadt oft zu einem großen Anteil selbst finanziell aufkommen muss.
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Man hat sich beinahe daran gewöhnt, dass Gelsenkirchen so viele soziale Ausgaben stemmen muss. Aber eigentlich darf man sich daran nicht gewöhnen. Eigentlich müsste man sich jedes Mal, wenn man diese schwindelerregenden Zahlen liest, empören. Und sich fragen: Wie lange soll das bitte noch gut gehen? Wie lange kann der Sozialstaat das noch vertragen?
Denn irgendwann ist das Limit erreicht, dann wird Gelsenkirchen erwürgt von seinen sozialen Pflichtaufgaben. Dann werden sie so teuer, dass an eine aktive Stadtgestaltung durch Investitionen überhaupt nicht mehr zu denken ist. Und dann helfen keine besonderen haushälterischen Manöver mehr.