Gelsenkirchen. Vom Dorf zur Industriemetropole und zu einer der ärmsten Städte Deutschlands: Gelsenkirchen feiert 150 Jahre bewegende Stadtgeschichte.
Vor 150 Jahren wurde Gelsenkirchen die Stadtrechte verliehen. Seither erlebt diese bemerkenswerte Stadt im Herzen des Ruhrgebiets eine faszinierende Geschichte, die von Industrialisierung, Strukturwandel und kultureller Vielfalt geprägt ist. Ein Blick auf die vergangenen eineinhalb Jahrhunderte zeigt, wie sich Gelsenkirchen von einem kleinen Dorf zu einer der bedeutendsten Industriestädte Deutschlands und schließlich zu einer der ärmsten Städte der Republik entwickelt hat.
Gelsenkirchens Anfänge: Ein unscheinbares Dorf
Noch im 19. Jahrhundert war Gelsenkirchen ein kleines Dorf mit nur wenigen hundert Einwohnern. Landwirtschaft und Handwerk bestimmten den Alltag. Doch die Entdeckung von Steinkohle in der Region veränderte alles. Der Beginn des industriellen Zeitalters im Ruhrgebiet war auch der Startschuss für die Verwandlung Gelsenkirchens. 1875 erhielt die aufstrebende Gemeinde die Stadtrechte – das heißt, eigentlich nur ein Teil der Stadt, die heute diesen Namen trägt – und zwar der „Landgemeinde Gelsenkirchen“, seit 1868 Verwaltungssitz und Hauptort des Amtes Gelsenkirchen.
„Auf den Bericht vom 22. November d.Js. will Ich der im Kreise Bochum belegenen Gemeinde Gelsenkirchen die Städte-Ordnung für die Provinz Westfalen vom 19. März 1856 hiermit verleihen und zugleich genehmigen, dass die genannte Gemeinde fortan auf dem Provinzial-Landtag von Westfalen im Stande der Städte vertreten werde“, verfügte am 29. November 1875 Kaiser Wilhelm I., König von Preußen. Die neue Stadt Gelsenkirchen, zu jenem Zeitpunkt wenig mehr als 11.000 Einwohner zählend, war geschaffen! Ein Meilenstein, der den Aufbruch in eine neue Ära markierte.
Blütezeit der Industrie: Die „Stadt der tausend Feuer“
Mit dem Aufstieg des Bergbaus und der Stahlindustrie wurde Gelsenkirchen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Zentrum der deutschen Schwerindustrie. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wachstum der Bevölkerung wurden jedoch Verwaltungsreformen notwendig, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Die preußische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die stark wachsenden Städte effizienter zu organisieren und regionale Synergien zu nutzen.
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Am 1. April 1928 wurde die Eingemeindung von Buer in die Stadt Gelsenkirchen offiziell vollzogen. Gleichzeitig wurde auch die Gemeinde Horst eingegliedert. Das Ergebnis war die Schaffung der Stadt „Gelsenkirchen-Buer“, die bis 1930 diesen Doppelnamen trug. Danach wurde der Name auf Gelsenkirchen verkürzt. Es wuchs eine Industriegroßstadt heran, die zeitweise die bedeutendste Kohlestadt Europas war, nahezu 400.000 Einwohner hatte und den Beinamen „Stadt der tausend Feuer“ erhielt.
Tausende Arbeitskräfte, darunter viele Zuwanderer aus Osteuropa, strömten nach Gelsenkirchen, um in den Bergwerken und Fabriken Arbeit zu finden. Die Bevölkerung wuchs rasant, und die Stadt erlebte einen wirtschaftlichen und sozialen Boom.
Krisenzeiten und Neuanfang
Die beiden Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise trafen Gelsenkirchen hart. In den 1920er Jahren wurde der Bergbau stark rationalisiert, sodass viele Bergarbeiter ihre Arbeit verloren. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde im Zuge der Aufrüstung Mitte der 1930er Jahre wieder Vollbeschäftigung erreicht. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges konnte der Arbeitskräftebedarf in der Montanindustrie nicht mehr gedeckt werden.
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Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt durch Bombardierungen schwer zerstört. Nach 1945 begann der mühsame Wiederaufbau, doch bereits in den 1960er Jahren folgte mit dem Niedergang des Steinkohlenbergbaus der nächste Einschnitt. Die Schließung zahlreicher Zechen und Fabriken brachte Arbeitslosigkeit und soziale Herausforderungen mit sich.
Der Strukturwandel: Vom Kohlenpott zur modernen Stadt
Seit den 1980er Jahren hat die Stadt einen tiefgreifenden Strukturwandel durchlaufen. Aus der ehemaligen Kohle- und Stahlmetropole sollte ein Standort für Zukunftstechnologien, Dienstleistungen und Kultur werden. Einige Transformationen sind gelungen, viele andere nicht. Gelsenkirchen wurde zu einer der ärmsten Städte Deutschlands. Aus den Fördergerüsten der ehemaligen Zechen, wie auf dem beeindruckenden Nordsternpark-Areal, sind heute Symbole für den Wandel geworden und sie dienen als Kultur- und Freizeitorte.
Gegenwart: hohe Arbeitslosenquote, großen Integrationsherausforderungen und jede Menge Weltstars
Heute ist Gelsenkirchen eine Stadt mit rund 265.000 Einwohnern, eine der grünsten Städte der Republik, aber auch eine Kommune mit einer sehr hohen Arbeitslosenquote und großen Integrationsherausforderungen. Zum Stolz der Stadt gehört nach wie vor auch sein größtes Aushängeschild: der FC Schalke 04, dessen bisher erfolgreichste Ära aber auch schon eine Weile zurückliegt.
Trotz vieler Negativrekorde steht Gelsenkirchen in der Gegenwart aber nicht nur mit unrühmlichen Schlagzeilen immer wieder im bundesweiten Fokus. In der Veltins-Arena geben sich regelmäßig Weltstars die Ehre, das Musiktheater im Revier ist eines der schönsten Theaterhäuser in der Region und auch der Zoo wird immer wieder ausgezeichnet.
Das alles soll natürlich auch gefeiert werden. Unter anderem mit einem Stadtfest im Spätsommer 2025 in der Altstadt. Zwischen Bahnhofsvorplatz und Heinrich-König-Platz werden Bühnen und Stände entlang der Bahnhofstraße aufgebaut. Am Samstag, 29. November 2025, also genau am 150. Jahrestag der Stadtrechtsverleihung, will die Stadtspitze außerdem zu einer festlichen Jubiläumsgala einladen.