Gelsenkirchen. Karin Welge, Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen, tritt 2025 nicht erneut für die SPD an. Diese Frau soll ihre Nachfolgerin werden.

Lange hat sich die amtierende Oberbürgermeisterin Gelsenkirchens nicht dazu geäußert, ob sie bei der Kommunalwahl 2025 erneut für die SPD ins Rennen gehen will. Doch jetzt steht fest: Karin Welge wird nicht für eine zweite Amtszeit als Chefin des Hans-Sachs-Hauses kandidieren. Die 62-Jährige teilte ihre Entscheidung nach WAZ-Informationen am Montagvormittag zunächst im engeren SPD-Kreis mit.

OB Karin Welge zieht sich zurück - Andrea Henze soll SPD-Kandidatin werden

Als SPD-Kandidatin nachfolgen soll ihr nach Informationen unserer Redaktion Gelsenkirchens Sozialdezernentin Andrea Henze. Die SPD-Fraktion hat sich demnach für die 50-Jährige starkgemacht. Henze erfährt parteiübergreifend viel Respekt und Zuspruch für ihre Arbeit, die sie in Gelsenkirchen seit 2022 leistet. Neben ihren eigenen Aufgabegebieten (Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz) übernimmt sie seit einigen Monaten auch große Teile des Ressorts der erkrankten Stadträtin, Anne Heselhaus. Darunter beispielsweise das Themenfeld Bildung.

Sozialdezernentin Andrea Henze soll nach Wunsch der SPD-Fraktion OB-Kandidatin in Gelsenkirchen werden.
Sozialdezernentin Andrea Henze soll nach Wunsch der SPD-Fraktion OB-Kandidatin in Gelsenkirchen werden. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Ihre persönliche Erklärung zum Verzicht auf die erneute OB-Kandidatur veröffentlichte Karin Welge gegen 11.30 Uhr. „Diese Entscheidung war keine leichte“, erklärt sie darin den Bürgern der Stadt. „Aber Gelsenkirchen verdient eine Oberbürgermeisterin, die sich mit aller Kraft, weit über das übliche Maß hinaus für die Stadt einsetzt. Ich fühle, dass die letzten Jahre ihren Tribut gefordert haben und meine Kraft nicht mehr für weitere fünf Jahre reicht.“

Die 14 Jahre, die sie insgesamt in Gelsenkirchen tätig waren, seien „ganz besondere Jahre unter ebenso besonderen Herausforderungen“ gewesen, so Welge. Ihr sei es immer ein Anliegen gewesen, „ohne falsche Versprechungen, übertriebene Selbstinszenierungen oder Populismus Lösungen im Rahmen geordneter demokratischer Prozesse zu erarbeiten“, betonte die Oberbürgermeisterin. Dabei sei sie stets auf der Suche nach vertretbaren, realistischen Kompromissen gewesen, um möglichst viele Mitstreiter zu gewinnen. Welges komplette Erklärung lesen Sie hier.

Karin Welge tanzte und demonstrierte, doch die Menschen wurden nicht warm mit ihr

Nachdem die Kontaktbeschränkungen nach und nach aufgehoben wurden, bemühte sich Welge bei möglichst vielen Terminen auf Tuchfühlung mit den Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern zu gehen. Sie tanzte und sang bei Karnevalsveranstaltungen und stellte sich entschlossen und unbeirrt an die Spitze antifaschistischer Kundgebungen. Und doch wurde sie den Eindruck der Unnahbaren nie so richtig los. Besonders beliebt war Welge, die als Präsidentin der kommunalen Arbeitgeber mitunter auch den Groll ihrer eigenen Angestellten auf sich zog, in Gelsenkirchen nicht.

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„Ich bin kein Typ für Propaganda-Sprüche und große Ankündigungen“, hatte Karin Welge einst in einem Interview mit der WAZ gesagt. Und auch: Ich will als OB nicht nur freundlich im Stadtbild wahrgenommen werden, sondern möchte an anderen wichtigen Positionen die Stimme für Gelsenkirchen mit Beharrlichkeit und Überzeugungskraft erheben, für eine Stadt, die bei Bund und Land ohnehin unter dem Radar läuft. Ich zeige Präsenz in den Ministerien, dem Städtetag und anderen Gremien. Das bedeutet viel Anstrengung, Zeit und Engagement. Ist nicht sonderlich laut, sieht man manchmal nicht, ist aber effektiv und notwendig für eine gute Zukunft unserer Stadt.“

Bis zu 100 Millionen Euro für Schrotthausrückbau in Gelsenkirchen

Und tatsächlich ist es Welge etwa gelungen, mit dem Bauministerium ein in den Nachbarstädten viel beachtetes Paket für Gelsenkirchen zu schnüren, das eine Förderung von bis zu 100 Millionen Euro vorsieht, um Schrotthäuser vom Markt zu nehmen. Beim Thema Armutszuwanderung aus Südosteuropa und der Unterstützung, die Gelsenkirchen nötig hätte, ist aber auch Welge weder in Düsseldorf noch in Berlin der ganz große Wurf gelungen, obgleich sie noch vor wenigen Tagen zusammen mit Andrea Henze im Bundeskanzleramt um mehr Unterstützung für Gelsenkirchen geworben hat. „Wir haben einmal mehr deutlich gemacht: Wir brauchen einfach mehr Geld, damit Integration vor Ort gelingen kann. Und Städte, die wie Gelsenkirchen eine überproportionale Zuwanderung zu verzeichnen haben, brauchen mehr Geld als andere. Der hochkarätig besetzte Termin im Kanzleramt lässt zumindest hoffen, dass hier nun ein Umdenken stattgefunden hat“, zeigte sich Welge anschließend im Gespräch mit der WAZ vorsichtig optimistisch. 

Die Jecken übernehmen an Altweiber die Macht - das ist auch in Gelsenkirchen so. Selbst wenn Bürgermeister Werner Wöll, Oberbürgermeisterin Karin Welge und Bürgermeisterin Martina Rudowitz das zu verhindern versuchen.
Die Jecken übernehmen an Altweiber die Macht - das ist auch in Gelsenkirchen so. Selbst wenn Bürgermeister Werner Wöll, Oberbürgermeisterin Karin Welge und Bürgermeisterin Martina Rudowitz das zu verhindern versuchen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

An die große Glocke hängen mochte Welge ihre Arbeit im Hintergrund nie besonders gerne. Wohl auch deshalb wurde ihr häufig nachgesagt – auch aus Reihen der SPD –, sie könne nicht gut repräsentieren, nicht die Herzen der Menschen für sich gewinnen. Dass die überzeugte Europäerin, die rund um die Uhr alles ihrem Amt untergeordnet hat, zwar eine gute Stadtdirektorin abgebe, aber eben keine beliebte Oberbürgermeisterin sei.