Gelsenkirchen-Bismarck. Anwohner aus Gelsenkirchen-Bismarck schlagen Alarm. Angeblich nehmen die Probleme an einem „Hotspot“ wieder zu, auch der Drogenhandel.

Über die Robergstraße im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck ist schon öfter berichtet worden. Vor drei Jahren galt das Umfeld rund um den nahen Rewe-Markt als Hotspot. Polizei, Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) und auch der Entsorger Gelsendienste waren dort häufig im Einsatz. Probleme mit Zuwanderern, Schrottimmobilien, Lärm und stetige Vermüllung traten dort offen und konzentriert zu Tage. Von Selbstjustiz und Drogenhandel war sogar die Rede.

Anwohner klagen über Rattenplage an der Robergstraße und Ferdinandstraße in Gelsenkirchen-Bismarck

Die WAZ erreichte nun von dort abermals ein Hilferuf von Anwohnern. Im Fokus der Klage: Eine Rattenplage, ausgelöst nach Ansicht der Anwohner durch die stetige Vermüllung in zwei angeblichen Problemhäusern. Christa Augustin-Sayin, Gerda Meier, Selua Dhrifi und Abdul Hamed, die in unmittelbarer Nachbarschaft und in einem Fall in einem der beiden Mehrfamilienhäuser selbst wohnen, klagen: „Die Ratten tummeln sich am helllichten Tag in unseren Gärten, auf unseren Balkonen oder auf den Regenrinnen. Unsere Bitten um Abhilfe stoßen beim Vermieter aber bislang leider auf taube Ohren - seit Wochen und Monaten.“ Auch auf Anfrage dieser Redaktion, erfolgte bislang keinerlei Reaktion vom Eigentümer.

Christa Augustin-Sayin ist es auch, die jetzt eine Nachbarschaftsinitiative ins Leben gerufen hat, „Carewoche/Kehrwoche“ genannt. Dabei geht es - ähnlich wie in anderen Stadtteilen - darum, Bürgerinnen und Bürger dafür zu gewinnen, ihren Kiez mit regelmäßigen gemeinschaftlichen Reinigungsaktionen zu mehr Ordnung und Sauberkeit zu verhelfen. Treffpunkt ist jeder erste und dritter Montag im Monat, jeweils ab 15 Uhr an der Ecke Robergstraße/Ferdinadstraße.

Die Hoffnung dabei: Das Engagement soll bei Müllsündern eine Art reinigende Wirkung erzielen, sodass „das achtlose Entsorgen von Abfall rund um Haus und Wohnung endlich aufhört.“ Große Chancen auf ein Gelingen rechnen sie und ihre Schar Mitstreiter sich nicht aus. Dazu ist die Fluktuation in den Häusern angeblich zu hoch. Rumänen und Bulgaren wohnten dort. Trotzdem sagen die Anwohner, „einen Versuch ist immer wert“. Es gehe schließlich um ihre Stadt und ihre Heimat.

„Wir als Anwohner verlieren die Hoffnung, dass es sich zum Besseren wendet. Man hat das Gefühl, Rumänen und Bulgaren leben hier in einem rechtsfreien Raum.“

Gerda Meier und Selua Dhrifi
Anwohnerinnen der Roberg- und Ferdinandstraße in Gelsenkirchen

Zum Auftakt am Montag, 21. Oktober, haben sie gut 20 Nachbarn um sich versammelt. Gelsendienste, KOD, die Polizei und auch Vertreter des zuständigen Stadtteilbüros Schalke-Nord sind vor Ort. Ziel: Die Menschen im Viertel für die Probleme sensibilisieren, Kontakte zu knüpfen, einen Zugang zu den Neuankömmlingen zu schaffen. Gelsendienste hat dazu beispielsweise bunte Modellmülltonnen mitgebracht, um Abfalltrennung zu erklären, der Entsorger verteilt Greifzangen, Müllbeutel und Kehrbesen, um Abfall im Straßenzug beiseite zu schaffen.

Die Reinigungsutensilien finden reichlich Absatz, schnell sind die Gehwege rund um Ferdinandstraße und Robergstraße wieder sauber. Einige junge Mütter und Kinder aus den angeblichen Problemhäusern beteiligen sich an der Aktion, ins Gespräch mit Nachbarn oder den städtischen Vertretern kommen sie aber kaum. Sie sondern sich in einer Gruppe ab. Möglicherweise liegt’s an der Sprachbarriere.

Die Polizei und Gelsendienste bewerten den Straßenzug als „unauffällig“ - es gebe keine offiziellen Klagen

Anwohner der Robergstraße und Ferdinandstraße beklagen Vermüllung. Sie haben Fotos gemacht, die die Missstände an zwei Problemhäusern zeigen sollen.
Anwohner der Robergstraße und Ferdinandstraße beklagen Vermüllung. Sie haben Fotos gemacht, die die Missstände an zwei Problemhäusern zeigen sollen. © Christa Augustin-Sayin

Abdul Hamet wohnt seit 2012 in einem der Häuser. Der 56-Jährige arbeitete „dort als Hausmeister“. Vier Jahre später, nach einem Eigentümerwechsel, endete ihm zufolge das Beschäftigungsverhältnis. Seine Tochter und er berichten, dass es seither bergab geht mit den beiden Häusern. „Es gibt Schäden und Mängel, die vom neuen Vermieter zum Teil seit Jahren nicht behoben werden.“ Eine Baustelle soll acht Jahre alt und nicht fertiggestellt sein. Sie zeigen Fotos von verschimmelnden Wänden, offenen Wänden mit herabgefallenen Fliesen und frei liegenden Leitungen, tropfenden Siphons und mehr. Hinzu komme, so Vater und Tochter weiter, die massive Müll- und Rattenproblematik.

Angeblich soll der Drogenhandel rund um den Kiosk wieder zugenommen haben. Zuletzt hatten Anwohner im Präventionsrat Bismarck über Dealer und illegale Geschäfte an der Bismarckstraße geklagt.

Die Hameds und auch Selua Dhrifi bezeichnen sie die Zustände rund um die beiden Häuser mit den Neu-Zugewanderten als „schwer erträglich.“ Dhrifi, vor neun Jahren von Ückendorf nach Bismarck gezogen, und Gerda Meier, die seit ihrer Geburt dort in ihrem Elternhaus wohnt, sagen: „Wir als Anwohner verlieren die Hoffnung, dass es sich zum Besseren wendet. Man hat das Gefühl, Rumänen und Bulgaren leben hier in einem rechtsfreien Raum.“

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Was die Schäden und Mängel im Haus anbelangt, da steht der Vermieter in der Verantwortung. Eine Reaktion seinerseits blieb bislang aus. Bei Untätigkeit von Eigentümern - vor allem bei Missachtung der Reinigungspflichten und bei Rattenbefall - kann das städtische Referat „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“, zu dem der KOD gehört, eingeschaltet werden. Es würde nicht wundern, wenn die betroffenen Häuser demnächst in den zweimal monatlich stattfindenden „Objektprüfungen“ des sogenannten Interventionsteams EU Ost aufgelistet wären.

Aus polizeilicher Sicht ist die Örtlichkeit „unauffällig“. Seit Jahresbeginn seien nach Beschwerden drei Einsätze gefahren worden. „Offizielle Klagen“ gebe es nicht. Ein Umstand, über den in den Sitzungen der örtlichen Präventionsräte oft gesprochen und gestritten wird. Anwohner werfen dabei den Ämtern und Behörden häufig Untätigkeit vor - KOD, Gelsendienste und Polizei wiederum ziehen sich auf die Position zurück, dass man nur reagieren könne, wenn die Menschen bei den Leitstellen (KOD: 0209 169 3000; Polizei: 0209 365 2160) auch Probleme meldeten. Gelsendienste teilte mit, dass „zu den beiden Häusern nichts vermerkt“ sei.