Gelsenkirchen. Für Gelsenkirchens Ordnungsamt ist und bleibt das Hafenquartier in Bismarck ein Hotspot. Was bei Schwerpunktkontrollen an der Marina herauskam.
Dieses Viertel ist ein Aushängeschild Gelsenkirchens – und zieht immer wieder Unruhestifter von außerhalb an: Dass der auch von der WAZ regelmäßig dokumentierte Ärger der Anwohner des Hafenquartiers Graf Bismarck zuletzt wieder schlimmer geworden ist, bestätigte die Verwaltung im vergangenen Ordnungsausschuss. Man hätte die Situation 2021/2022, als es „für die Anwohner nicht mehr auszuhalten war“ schon einmal „gut unter Kontrolle gebracht“, habe 2024 aber in der Tat wieder „ein erhöhtes Beschwerdeaufkommen“ registriert, teilte Stephan Kühn vom Ordnungsreferat mit. „Wenn wir Hilferufe von dort hören, sind wir hellhörig“, sagte er. Aktiv geworden sei man deshalb in Form von Schwerpunktkontrollen – mit teils überraschend unauffälligen Ergebnissen.
Gepose an der Marina – schöne Bilder für Instagram & Co.
Den Sachstand zum Quartier forderte die CDU ein, die ebenfalls Unmut über Ruhestörung bis zu „fragwürdigem Gewerbe“ vor Ort wahrgenommen hatte. Um die Beschwerdelage vor Ort greifbarer zu machen, zeichnete Kühn zunächst ein Lagebild (siehe Grafik).
Demnach wird am östlichen und westlichen Ende, sowohl von der Münsterstraße als auch von der Alfred-Zingler-Straße kommend, häufig das Durchfahrtsverbot missachtet, das ab 22 Uhr gilt. Neu für das Ordnungsamt: Dass bis ans Hafenbecken vorgefahren wird.
„Die Zufahrt zwischen den Lofts wird von Rad- und Autofahrern genutzt, um am Hafenbecken zu posieren und vielleicht schöne Bilder für ein Instagram-Profil zu machen.“ Am Hafenbereich kommt es dann zu Beschwerden wegen Lärms und Vermüllung, am Parkplatz an der Hafenbrücke zu Menschenansammlungen, berichtete Kühn und bezog sich auf „ausreichend Video- und Bildmaterial“, das ihm aus dem Kreis der Anwohnerschaft zur Verfügung gestellt wurde.
Schwerpunktkontrollen am Hafenquartier Bismarck: Das kam dabei heraus
In Zahlen heißt das: Von Januar bis August sind nach Angaben der Stadt 34 Beschwerden beim Ordnungsdienst vorgebracht worden. „Allein davon sind aber 20 erst seit Juni eingegangen“, sagte der Leiter der Leitstelle für Sicherheit und Ordnung. „Daran konnte man sehen: Es passiert dort wieder etwas!“ Also habe man die Kontrollen hochgefahren und neben den anlassbezogenen Einsätzen, zu denen der Ordnungsdienst von Anwohnern gerufen wurde, von Juni bis August 28 weitere Streifen durchgeführt. „Zum Zeitpunkt der Kontrollen ergab sich ein unauffälliges Lagebild“, bilanzierte Kühn. Dennoch habe man anschließend ein „Statement setzen“ wollen.
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So gab es im August vier Schwerpunkteinsätze, wo gemeinsam mit der Polizei von 8 bis 23 Uhr kontrolliert wurde. Das Ergebnis: Zum einen wurde 153 Mal gegen das Durchfahrtsverbot verstoßen. „Dabei gingen natürlich auch Leute ins Netz, die einfach nur nach Hause wollten“, sagte Kühn. Hier habe die Polizei im Rahmen ihres Ermessensspielraums „sehr besonnen“ reagiert und nicht zu hart sanktioniert. Zudem gab es 41 Park- und acht Verstöße, die unter „Sonstiges“ fallen – zum Beispiel das Füttern von Wildgänsen.
Gelsenkirchener Ordnungsdienst: Anwohner nehmen Kontrollen wohlwollend zur Kenntnis
Diese Schwerpunkteinsätze seien bei den Anwohnern vor Ort „auf Wohlwollen gestoßen“, so Kühn. Dennoch hätte sich vor Ort nicht das problematische Bild aus Gepose, Lärm und Verunreinigung gezeigt, das ihm von Anwohnern per Videos und Fotos dokumentiert wurde. „Wenn wir so einen Einsatz fahren, dann spricht sich das natürlich schnell herum.“ Nachlassen wolle man in Graf Bismarck dennoch nicht, wolle den Kontrolldruck aufrechterhalten und Beschwerden immer wieder „sehr ernst nehmen“.
Schilderungen von Anwohnern klingen in der Tat weitaus dramatischer als das Ergebnis der Kontrollen. In einem „offenen Brief“ der besorgten Anwohner der Johannes-Rau-Allee, welcher der WAZ vorliegt, ist die Rede von Angst und Belästigung („Sobald es dunkel ist, trauen sich die Menschen nicht mehr mit ihrem Hund zu gehen“), Konsum auch von harten Drogen, der von den Balkonen aus zu erkennen sei, sowie von Prostitution und „sexuellen Handlungen in Autos“. Gesprochen wird auch von angeblicher „Wegelagerei“, von Diebstählen, rücksichtslosen Radfahrern und „Müllhalden“. Polizei und KOD würden jedoch nur zu „Alibi-Auftritten“ ausrücken, zu Zeiten, in denen naturgemäß wenig passiere.
Die Polizei meldete sich im Ordnungsausschuss nur kurz zu Wort und konnte nicht bestätigen, dass es vor Ort zuhauf zu Prostitution oder Drogendelikten kommt.
Einsätze in Graf Bismarck: Keine besonderen Merkmale der kontrollierten Personen
Tobias Obernyer von der AfD wollte zudem wissen, welche „Personentypen“ und „Phänotypen“ auffällig seien, welche Sprache unter den kontrollierten Personen gesprochen werde, welche Musik gehört und welche Fahrzeuge welches Herstellers dort zu erkennen seien. Ein besonderes Lagebild sei mit Blick auf all diese Faktoren nicht zu geben, sagte Stephan Kühn hierzu zur. „Mit Ausnahme eines Oldtimers ist mir nichts aufgefallen.“ Und Deutsch habe man mit allen Anwesenden ohnehin sprechen können.
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Auffällig sei nur schon im Videomaterial der Anwohner gewesen, dass viele Kennzeichen außerhalb von Gelsenkirchen zu erkennen waren. „Graf Bismarck ist halt einfach ein schöner Fleck, das ist ein Naherholungsgebiet für viele Menschen auch von außerhalb“ – mit all seinen Schatten- und Sonnenseiten.