Gelsenkirchen-Bismarck. Die Lage im Consol-Park ist so ernst, dass der Präventionsrat Gelsenkirchen-Bismarck eine Sondersitzung einberief. Ein Hilferuf.
Mit dramatischen Schilderungen über haarsträubende Missstände im Consol-Park in Gelsenkirchen sendeten Anwohner, Lehrkräfte und Kulturschaffende einen Hilferuf in Richtung Polizei und Verwaltung. Der Präventionsrat Bismarck hatte zu einer Sondersitzung mit Ortsbegehung auf dem Gelände geladen.
Den Berichten nach kann man den Drogendealern auf den umliegenden Parkplätzen des Consol-Theaters „täglich bei der Arbeit zusehen“, mühelos beobachten, wie Geld und Rauschmittel unbehelligt die Besitzer wechselten, wie Regisseurin Andrea Kramer der gut 30-köpfigen Runde berichtet, in der auch der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) sitzt – aber dieses Mal überraschend nicht die Polizei.
Immer wieder habe sie die Fahrer in den Autos mit ortsfremden Kennzeichen angesprochen, so Kramer weiter, gefragt, was sie denn hier täten, um zu signalisieren, dass ihr Treiben auffalle. Denn Kinder holten sie ja nicht von der nahen Trendsportanlage ab. „Im günstigsten Fall hat meine Ansprache die Männer kalt gelassen“, sagt Kramer. Ansonsten seien ihr wüste Beleidigungen entgegengeschleudert worden bis hin zu Drohungen.
Gelsenkirchener Consol-Park: Drogendeals auf Parkplätzen, Kot, Spritzen, Flaschen, Müll
Wie bestellt biegen an diesem Mittwochabend (17. Mai) zwei dunkle Limousinen mit Recklinghäuser Kennzeichen auf den Parkplatz nahe der Sammlung Thiel ein. Die Fahrer bleiben im Wagen sitzen und warten. Als die beiden Männer kurz darauf die Uniformen des KOD sehen, machen sie sich wieder aus dem Staub.
Dass es schlimmer geht, davon erzählt Georg Kentrup, Mitglied des Consol-Leitungsteams und Sprecher der Bühne, der mit seinem Team gerade erst die gröbsten Vandalismusschäden nach einem Einbruch in das Theater beseitigt hat: „Aggressive Jugendliche und Heranwachsende verfolgen unsere Mitarbeiter bis zum Auto nach Vorstellungen oder Probeabende. Selbst im Auto sitzend haben sie schon gewalttätige Übergriffe über sich ergehen lassen müssen“.
Die Problemlage rund um das Consol-Theater ist aber augenscheinlich noch weitaus schwieriger. Es gibt eine Trinker- und Drogenszene, die ihre Flaschen und Spritzen in die Ecken wirft. Dazu eine Reihe von Obdachlosen, die an geschützten Seiten- und Hintereingängen übernachten. „Meistens ist das kein Problem, weil sie friedlich sind“, so die Kulturschaffenden.
Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.
Zum Problem und zu einer Gefahr wird es erst, wenn „eine Matratze am Gebäude in Flammen aufgeht“ oder die Mitarbeiter der verschiedenen Einrichtungen vor Ort (Musikprobenzentrum, Sammlung Thiel, Consol-Theater, Bergbausammlung) „tags darauf in menschliche Exkremente treten“.
Grüne Oase Consol-Park Gelsenkirchen: Ohne Hilfskräfte eine Müllkippe
Als ob das alles nicht schon schlimm genug ist, hält sich zudem auf dem Freizeit-Gelände ein hartnäckiges Müllproblem. Davon war am Mittwochabend nichts zu sehen. Von illegalen Graffitis dafür umso mehr.
„Das liegt daran, weil eine Schar langzeitarbeitsloser Menschen und auch Gelsendienste hier unter der Woche Berge von Müll aufsammeln“, erklärt Andrea Kramer. Was Kentrup als „entwürdigende Arbeit“ kommentierte. Sonntagabends sähe das ganz anders, da rückten oft genug Consol-Kräfte an, um den ganzen Dreck zu beseitigen.
Diskussion über Lösungsansätze: Outdoor-Sportanlage, Kameraüberwachung, Streifen
Die anschließende Diskussion über Lösungsansätze verlief kontrovers. Und offenbarte zum Teil auch Überraschendes.
Martin Weyer-von-Schoultz, didaktischer Leiter der Gesamtschule Bismarck, warb eindringlich dafür, an den Plänen für eine Sportanlage mit Outdoor-Trainingsgeräten festzuhalten. Sein Argument: „Wenn Jugendliche Mitsprache haben und ihren Kiez für ihre Freizeit mitgestalten dürfen, so entsteht eine starke Identifikation. Sie empfinden ihre Heimat dann als schützenswert, lassen sie nicht im Müll verkommen.“
Zumindest in dem Punkt scheint breiter Konsens zu herrschen, Widerspruch gab es nicht in der Runde. Die Stadt hat gerade die Zusage über rund zehn Millionen Euro an Fördergeldern erhalten. Für die sogenannte Calisthenics-Anlage im Consol-Park sind dabei unter anderem rund 600.000 Euro vorgesehen.
Sperren wie Zäune und Kameras haben Weyer-von-Schoultz zufolge die Lage an der Gesamtschule Bismarck deutlich verbessert. Unliebsame Gäste blieben fern, Kameras schreckten Randalierer und Graffiti-Sprayer ab. Das sahen aber nicht alle so. Den Theaterleuten ist es eher ein Gräuel, sich derartig einzuigeln, sie hängen an einer offenen Spielstätte, die nicht abgeriegelt ist wie ein Bunker. Zweifel an der Effektivität hatten einige Zuhörer angesichts von Dunkelheit, Kapuzenpullis und Baseballcaps, die manch zweilichter Gestalt mit unlauteren Absichten dazu dienten, sich zu tarnen. Ihre Meinung: „Auf solchen Bildern lässt sich kaum einmal jemand erkennen.“
Szene im Consol-Park flüchtet, sobald Dienstagwagen im Anmarsch sind
Wie hartnäckig das „Consol-Problem“ ist, zeigen auch die Äußerungen von Kevin Bacher vom KOD. „Wir brauchen mit unseren Dienstwagen gar nicht mehr kommen. Sobald aus der Ferne nur die silber-blauen Autos zu sehen sind, machen sich alle aus dem Staub. Wir müssen da viel subtiler und unauffälliger vorgehen.“ Spricht für eine gut funktionierende Meldekette der Szene vor Ort.
Bacher warb dafür, Straftaten, Missstände und Ähnliches sofort dem KOD über die Leitstelle (0209 169 3000) und der Polizei über den Notruf (110) zu melden – und zwar immerfort. „Wir erarbeiten regelmäßig Lagebilder. Gehen wenig Meldungen ein, so erscheint die Örtlichkeit zunächst einmal nicht besonders auffällig. Wenn sich Beschwerden häufen, lässt sich Hilfe schneller organisieren.“
Fragen danach, wen man unter welcher Nummer denn anrufen könne, zeigen aber auch eines: Seit offizieller Inbetriebnahme der KOD-Leitstelle im Sommer 2019 wissen augenscheinlich viel zu wenige Bürger, wie sie Hilfe bekommen.
Die nächste Sitzung des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) – eine öffentliche Veranstaltung – ist am 31. Mai im Hafenquartier Graf Bismarck (14 bis 16 Uhr). Treffpunkt: vor dem Stölting-Firmensitz.