Gelsenkirchen. Ein Gelsenkirchener Forscher bezeichnete das Hafenquartier in Bismarck als „städtebauliche Sünde“. So halten die Anwohner dagegen.
„Wie konnte man so etwas eigentlich zulassen?“ – das fragte Frank Eckardt, gebürtiger Gelsenkirchener und Professor für sozialwissenschaftliche Stadtforschung an der Bauhaus-Universität Weimar, in der WAZ mit Blick auf das eigentlich sonst oft gelobte Hafenquartier in Bismarck. Ein Vorzeige-Viertel? Aus ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei das Viertel viel mehr eine „städtebauliche Sünde“, argumentierte Eckardt – ein Standpunkt, für den er unter WAZ-Lesern vereinzelt Zuspruch bekommt, aber auch deutlichen Widerspruch erntet.
Hafenquartier-Anwohner: Hier wohnt ein „gesunder Querschnitt der Bevölkerung“
„Ziemlich perplex“ seien die Anwohner der Marina selbst von den Aussagen des Professors gewesen, berichtet Wolfgang Kothe, Sprecher der Interessengemeinschaft des Wohnquartiers Graf Bismarck, in einem Leserbrief an die Redaktion. „Wir teilen absolut nicht seine Meinung, dass es an sozialer Durchmischung fehle, dass wenig Kaufkraft gebunden werde, und dass man aus Rohstoffmangel doch eher frei stehende Häuser (Schrotthäuser) und Wohnungen aktivieren sollte“, so Kothe. Eckardt verkenne, dass „durch dieses Quartier viele Bauwillige in Gelsenkirchen gehalten werden konnten, die sonst ins Umland abgewandert wären.“ Zudem würden im Viertel „keine Schickimicki-Menschen“ wohnen, sondern „ein gesunder Querschnitt der Bevölkerung“.
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„Was der Forscher ganz außer Acht lässt, er aber durch seine Vergangenheit als Gelsenkirchener wissen müsste, ist die Tatsache, dass unser Quartier von einer verseuchten Industriebrache zu einem schmucken Wohn,- Arbeits- und Naherholungsgebiet geworden ist, um das uns viele auswärtige Gäste beneiden“, betont Kothe. „Er verkennt auch, dass hier Hunderte von Millionen Euro investiert wurden, und noch werden.“
WAZ-Leser: Hafenquartier war „Industriebrache der schlimmsten Art“
Auf die triste Vergangenheit des heutigen Hafenquartiers macht auch Leser Eberhard Bergjohann aufmerksam. „Ein verkommenes Hafenbecken, westlich angrenzend die Reste einer Kokerei, südöstlich das ehemalige Zechenkraftwerk und dazwischen ,Urwald‘; das Ganze also eine Industriebrache schlimmster Art‘“ - so beschreibt Bergjohann den Bismarckhafen der 80er- und 90er-Jahre. Bergjohann hält Eckardts Einwurf für „ewige Nörgelei“ und findet, das Viertel gelte gerade mit Blick auf seine Vergangenheit heute „zurecht als ein Vorzeigeprojekt in Gelsenkirchen.“
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Für eine treffende Analyse hält dagegen eine Leserin aus Bulmke-Hüllen die Darstellung Eckardts. „Gelsenkirchen hat eine Chance, es besser zu machen“, meint die Anwohnerin, die anonym bleiben möchte. Sie nennt die „alte Knochenmühle“ in Bulmke-Hüllen als konkretes Beispiel. Schon 2022 berichtete die WAZ darüber, dass das ehemalige orthopädische Kinderkrankenhaus an der Hohenstaufenallee 1-5 abgerissen werden und ein Neubau an gleicher Stelle errichtet werden könnte. Um ein „positives Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung“ zu setzen und „den aktuellen Herausforderungen der Stadtentwicklung gerecht zu werden“, sollte die Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (GGW) für den Erhalt und die Modernisierung der alten Knochenmühle eintreten.