Gelsenkirchen. Gelsenkirchen zieht seine erste Cannabis-Bilanz. Zu gravierenden Verstößen kommt es kaum – aber bei den Kontrollen gibt es viele Unsicherheiten.

Genauso wie es mittlerweile zum Alltag gehört, die Rauchwolken sorglos kiffender Passanten beim Spaziergang wahrzunehmen, ist auch die Kontrolle zur Einhaltung der Grenzen im Rahmen der Cannabis-Legalisierung „ins normale Dienstgeschäft des Kommunalen Ordnungsdienstes übergangen“. Das betonte Stephan Kühn, Leiter der Abteilung „Lage und Strategie“, im vergangenen Ordnungsausschuss, wo er eine erste Bilanz zur Legalisierung aus Gelsenkirchener Sicht dabeihatte. Zusammenfassen lässt sich die wie folgt: Es gibt wenig Verstöße, aber man ist unzufrieden mit einer weiterhin konfusen Rechtslage.

Schwerpunkt der Arbeit des Ordnungsamtes ist es, zu kontrollieren, ob in der Nähe von Minderjährigen oder in Verbotszonen Gras geraucht wird. Seit April wurden in Gelsenkirchen lediglich sieben Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit einem Cannabis-Verstoß eingeleitet, drei weitere Verfahren sind laut Kühn derzeit in der Prüfung. „Wir werden also nicht von einer Vielzahl an Verstößen überflutet“, sagte er auf Antrag der CDU-Fraktion, die einen Sachstand zur Legalisierung verlangte. Man habe weder eine „große Beschwerdelage“ noch „besonders gravierende Verstöße“ feststellen können. Ein Ergebnis, mit dem man „zufrieden“ sei. „Wir sehen definitiv keine Überbelastung.“

Sommerfest Schloss Berge war ein Schwerpunkt bei den Cannabis-Verstößen in Gelsenkirchen

Ein Schwerpunkt der Verstöße sei das vergangene Sommerfest Schloss Berge gewesen, wo „in unmittelbarer Nähe von Kindern oder Verbotszonen“ gekifft wurde. Einzelfallmeldungen habe es ebenfalls im Umfeld des Berufskollegs Königstraße und des Grillo-Gymnasiums gegeben. Ein Hotspot von Cannabis-Verstößen sei aber noch nicht erkennbar. „Außerdem hatten wir teilweise Feststellungen von der Polizei, wo es von der Strafbarkeit in den Ordnungswidrigkeitsbereich ging“, sagte Kühn. Diese Fälle seien der Stadt also wegen der Zuständigkeit zugespielt worden.

Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Ein Problem sei jedoch weiterhin – und dazu ergriff dann auch Ordnungsdezernent Simon Nowack das Wort – die „fehlenden Anwendungshinweise des Bundes“. Dies mache der Stadt das Tagesgeschäft sowie den rechtssicheren Umgang mit der Legalisierung „sehr schwierig“. Wie Nowack erläuterte, arbeitet die Stadt deshalb vermehrt mit Platzverweisen, also Sanktionen unterhalb der Schwelle von Ordnungswidrigkeitsverfahren, um den Schutz von Kindern, Jugendlichen und anderen „vulnerablen Personen“ vor Drogenkonsum sicherzustellen. „Es braucht erst einmal Rechtssicherheit, um solche Verfahren durchführen zu können“, betonte Nowack, der sich rechtlich nicht angreifbar machen möchte.

CDU-Mann: Was tun bei Cannabis-Partys neben dem Familienhaushalt?

Julian Siempelkamp von der CDU ließ sich ebenso über aus seiner Sicht „schwammige Formulierungen“ im Gesetz aus, wie etwa: „Der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist verboten.“ Auf der Bismarckstraße, Haushöhe 62 und 64, habe der Bismarcker CDU-Mann beispielsweise erlebt, dass dort sehr viel konsumiert werde und „richtige Happenings stattfinden“. Er sei als junger Vater gezwungen, das Fenster zu schließen, damit sein Kind die Stoffe nicht einatmet. „Und es stört auch mich selbst, wenn ich auf dem Balkon in einer grünen Wolke sitze.“ Was also bedeute die Unmittelbarkeit im Gesetz für Anwohner mit Kindern? „Muss ich das hinnehmen, wenn da Cannabis-Partys gefeiert werden vor meiner Tür?“

Julian Siempelkamp (CDU): „Was tun bei Cannabis-Partys?“
Julian Siempelkamp (CDU): „Was tun bei Cannabis-Partys?“

„Sie sprechen mir aus der Seele!“, sagte Abteilungsleiter Stephan Kühn hierzu. Es sei für die Kollegen des Kommunalen Ordnungsdienstes eben sehr schwierig, rechtlich sicher mit der Unmittelbarkeit zu arbeiten. „Aber was wir auf jeden Fall machen: Wenn wir eine Situation haben, dass jemand kiffend in Richtung eines Kindes geht, dann geben wir einen Hinweis in Form einer Gefährderansprache.“ Man versuche zu erklären: Je näher der Konsument an das Kind rangeht, umso enger wird der Kreis, in dem er kiffen darf.

Jedoch betonte auch Kühn: „Wir wünschen uns Anwendungshinweise, mit denen wir rechtssicher umgehen können.“ Was sei etwa mit Personen, die neben Schulen hinter einer zwei Meter hohen Ecke wohnen: Dürfen die konsumieren oder nicht? „Gute Frage! Es grenzt natürlich an eine Schule, aber Sichtweite ist auch nicht gegeben.“ Da, so Kühn, müsse der Bund dringend noch einmal unter die Arme greifen.