Gelsenkirchen. Der Schuldenstand und die Zinslast in Gelsenkirchen bieten aktuell einige Überraschungen. Aber der Ausblick ist schattig.

Seitdem die Zinswende eingeleitet worden ist, zittern überschuldete Revier-Kommunen wie Gelsenkirchen. Denn während die massiven Schuldenberge einige Jahre aufgrund der Nullzinspolitik nicht ganz so erdrückend waren, zeichnete sich durch die seit Mitte 2022 wieder steigenden Zinsen ab, dass es wieder deutlich kostspieliger für die Städte mit großen finanziellen Altlasten werden könnte.

Doch der neueste „Jahresbericht zum städtischen Schulden- und Anlagenmanagement“ aus Gelsenkirchen weckt zunächst den Eindruck, dass nicht alles so heiß gegessen wie gekocht wird, wenn das Schreckengespent der Zinswende mit am Tisch sitzt: Der Durchschnittszins in Gelsenkirchen, und damit auch die Kosten für die Überschuldung, hält sich überraschenderweise weiter relativ stabil.

Das Portfolio der Stadt umfasst zurzeit 91 Investitionskredite. Der Durchschnittszins hat sich hier innerhalb eines Jahres von 1,34 Prozent auf nur 1,37 Prozent Ende 2023 erhöht. Auch bei den Liquiditätssicherungskrediten - die Kredite für das laufende Geschäft, die üblicherweise gemeint sind, wenn von „Altschulden“ gesprochen wird - gab es nur eine verhaltene durchschnittliche Zinssteigerung von 1,18 Prozent Ende 2022 auf 1,55 Prozent Ende 2023.

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Und da ist noch eine Überraschung: Während nämlich zum einen im Hans-Sachs-Haus viel darüber geredet wird, dass in Gelsenkirchen eine „Dekade“ der Investitionen ansteht, zum anderen aber viel geächzt wird unter dem Berg der Altschulden, konnte man die Gesamtverschuldung in Gelsenkirchen sowohl hinsichtlich der Investitionskredite als auch der Altschulden merklich reduzieren.

Schulden und Zinsen in Gelsenkirchen: Positive Entwicklung, negativer Ausblick

Demnach lag die Verschuldung bei den Investitionskrediten Ende 2022 bei rund 680 Millionen Euro und Ende 2023 nur noch bei 611,6 Mio. Euro. Die Liquiditätskredite konnten im selben Zeitraum von 523 auf 483 Mio. Euro reduziert werden. „Erhebliche Verbesserungen“, nennt auch Luidger Wolterhoff, Kämmerer der Stadt Gelsenkirchen, die Entwicklung. Ein Grund dafür seien die sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen gewesen. „Die haben wieder viel Liquidität in die Kasse gebracht.“

Immerhin rund 1,2 Millionen Euro konnte die Stadt mit angelegten Liquiditätsüberschüssen erzielen.
Immerhin rund 1,2 Millionen Euro konnte die Stadt mit angelegten Liquiditätsüberschüssen erzielen. © dpa | Fernando Gutierrez-Juarez

Man sollte sich aber nichts vormachen: Wolterhoff betont auf Nachfrage auch, dass sich diese positive Entwicklung bald wieder „umdrehen wird“. Denn zum einen würden viele großen Investitionen, für die neue Kredite abgeschlossen werden, erst noch anstehen - der fortschreitende Schulbau, weitere Kitas, Großprojekte wie der Bildungscampus in der City mit dem neuen Zentralbad. Man werde zwar versuchen, den größtmöglichen Teil der Finanzierung über zinsgünstige Förderkredite abzuwickeln, die deutlich unter üblichen Marktkonditionen liegen können. Aber der Ausblick ist klar: Gelsenkirchen wird viele neue Schulden aufnehmen müssen.

Steigende Zinsen haben auch für die Stadt Gelsenkirchen eine positive Seite

Des Weiteren wird laut Wolterhoff aber auch die Zinslast bei den Altschulden nicht weiter nur verhalten steigen wie bisher. Zwar habe man sich bei den Krediten diversifiziert, also Verträge mit unterschiedlich langen Laufzeiten abgeschlossen. Aber der Großteil der Liquiditätssicherungskredite (245 Millionen Euro) hat eine Laufzeit von bis zu einem Jahr, 163 Millionen Euro umfassen die Kredite mit bis zu fünfjähriger Laufzeit. Und Verträge mit langfristiger Zinsbindung von bis zu zehn Jahren, von denen die Stadt 2023 noch profitieren konnte, sind mittlerweile sogar schon komplett ausgelaufen.

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Das heißt: Bald wird die Stadt viele neue Kreditverträge mit - im Vergleich zu früher - gewaltigen Zinsen abschließen müssen. Wolterhoff: „Dann sind wir schnell in einem Bereich von dreieinhalb bis vier Prozent.“ Nur für die Altschulden könnte das bedeuten, dass die Stadt zeitnah statt sieben Millionen Euro das Doppelte aufbringen müsste, allein um die Zinsen zu bedienen.

Aber zumindest eine kleine positive Nachricht steckt auch aus städtischer Sicht in den steigenden Zinsen: Es lohnt sich wieder mehr, Geld anzulegen. Und das hat die Stadt auch getan, immer dann, wenn sie kurzfristige Liqudititätsüberschüsse (etwa durch Hauptfälligkeiten der Gewerbesteuer oder Grundbesitzabgaben) nicht sofort brauchte. Somit konnten im Jahr 2023 immerhin Zinserträge von rund 1,2 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Tendenz: steigend.