Essen-Borbeck. Beinahe hätte Borbecks Bürgermeister Heinrich den Bau der Essener Klinik gestoppt. Dies ist ihre bewegte Geschichte.
Als der Kirchenvorstand der katholischen Dionysius-Gemeinde am 23. Oktober 1890 beschließt, ein Krankenhaus in Borbeck zu bauen, kommt Gegenwind von prominenter Seite: Borbecks damaliger Bürgermeister ist dagegen. „Wäre es nach Rudolf Heinrich gegangen, dann gäbe es heute das Philippusstift wohl nicht“, erklärt Kliniksprecherin Christa Herlinger. „Und das Evangelische Bethesda-Krankenhaus auch nicht, denn Heinrich hätte lieber ein Gemeindekrankenhaus bauen lassen.“
Ausstellung in der Alten Cuesterey in Essen-Borbeck beginnt am 15. Februar
Alte Cuesterey zeigt Ausstellung
Zu einer historischen Zeitreise „130 Jahre Philippusstift“ lädt die Ausstellung in der Alten Cuesterey. Im Haus am Weidkamp 10 sind alte Fotos und Dokumente zu sehen, die Christa Herlinger und Jakob Baranowski von der Unternehmenskommunikation des Philippusstifts zusammengetragen haben. Die Anregung dazu gab der Kultur-Historische Verein Borbeck.
Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet, bei dem einzelne Abteilungen des Borbecker Krankenhauses Informationen, Diskussionen und Fragerunden zu ausgewählten gesundheitlichen Themen anbieten. Einen historischen Vortrag zum Philippusstift unter dem Titel „Ein Krankenhaus mitten im Dorf Borbeck“ hält der Heimatforscher Werner Kreul, der dabei von Udo Kühn unterstützt wird. Zum Programm ist ein Flyer erschienen, der auf der Homepage des Philippusstifts ab sofort abrufbar ist.
Offiziell eröffnet wird die Ausstellung am Samstag, 15. Februar, um 15 Uhr mit Grußworten und Gesprächen. Geöffnet ist das Haus immer donnerstags bis sonntags in der Zeit von 15 bis 18 Uhr. Sowohl die Ausstellung, die bis einschließlich 9. März 2025 zu sehen ist, als auch die Veranstaltungen können kostenfrei besucht werden.
Nun gibt es das Philippusstift bereits über 130 Jahre. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Jakob Baranowski hat Herlinger daher Monate lang alte Chroniken gewälzt, hat historische Bilder und Unterlagen gesichtet und das Ganze zu einer Ausstellung vereint. „Doch es ist schwer, die gesamte Geschichte des Krankenhauses darzustellen“, ergänzt Baranowski. „Es ist so viel passiert, in all den Jahren.“

Dass die Idee zweier Krankenhäuser, nach Konfessionen getrennt, Realität wird, ist dem Engagement der Pfarrer Sonnenschein und Haardt (Bethesda) zu verdanken. Im Jahr 1892 folgt die Grundsteinlegung des Philippusstifts neben dem Friedhof Hülsmannstraße. Namenspatron ist der Kölner Erzbischof Kardinal Philipp Krementz. An Allerheiligen 1893 wird der erste Bauabschnitt eröffnet, zum 1. Mai 1894 ist die Klinik fertig.

Bürgermeister Heinrich stellt der Dionysius-Gemeinde zähneknirschend einen Zuschuss von 21.446 Mark in Aussicht. Jedoch unter der Bedingung, die Klinik möge für kleines Geld von der Kommune überwiesene, mittellose Kranke aufnehmen. Die Gemeinde akzeptiert, immerhin wäre so ein Drittel der ursprünglichen Baukosten gedeckt. Doch am Ende wird es teurer: 10.000 Mark steuert das Essener Bergbau-Unternehmen „König Wilhelm“ bei. Weitere 2000 Mark stellt die Arenbergsche Aktiengesellschaft bereit. Dennoch nimmt die Pfarrei einen Kredit von 60.000 Mark auf.
Anfangs nur ein einziger Arzt für 157 betreute Patienten

Das Philippusstift startet eher bescheiden: Anfangs praktiziert dort nur ein Arzt, zwei Kollegen folgen bis 1903. Verpflegt das Philippusstift im Gründungsjahr insgesamt 147 Kranke, steigt die Zahl bis 1898 auf 356. Auch deshalb, weil Borbeck rapide wächst und sich die Einwohnerzahl von ca. 31.000 auf 59.000 nahezu verdoppelt. Die Klinik wird ab 1905 um zwei Flügel erweitert, samt Isolierhaus für Infektionskranke. Bei der Typhus-Epidemie leistet das Philippusstift wichtige Arbeit.

Im ersten Weltkrieg nimmt die Klinik bis zu 200 Verwundete auf. Eine enorme Belastung, die ohne die Hilfe der Elisabeth-Schwestern (tätig von 1894 bis 1925) nicht bewältigt werden könnte. Danach übernehmen dies die „Hiltruper Missionsschwestern“. Erst im April 1985 soll die Ära der Ordensschwestern im Philippusstift enden. Das Krankenhaus wird indes stetig erweitert. Im Jahr 1925 wird das Philippusstift das erste konfessionelle Allgemeinkrankenhaus Deutschlands mit eigener psychiatrisch-neurologischer Klinik.

Der zweite Weltkrieg stellt die Klinik auf eine harte Probe: Im August 1939 werden drei Chefärzte, später Assistenz-Ärzte und Pfleger einberufen. Nur der Chefarzt der Chirurgie und Gynäkologie bleibt am Haus. Das nahe Exerzitienhaus wird als Hilfskrankenhaus genutzt.
Philippusstift wird im Zweiten Weltkrieg durch Luftminen stark beschädigt
1942 wird erst das Philippusstift, später der nahe Bahndamm durch Luftminen stark beschädigt. Beide Querflügel der Klinik können nicht mehr genutzt werden. Mehr als 200 Patienten müssen in andere Essener Krankenhäuser evakuiert werden. Nach Großangriffen am 5. und 11. März 1943 erhält die Klinik einen 17 Meter langen, unterirdischen Luftschutzbunker für mehr als 300 Menschen.
Im Juli 1943 brennt das Exerzitienhaus nach Bombardierung, erst im Oktober kehren die Patienten dorthin zurück. Im Oktober 1944 treffen Bomben das Philippusstift, die Handarbeitsschule und den Kindergarten. Alle Räume oberhalb des Kellers sind unbrauchbar. Doch der Betrieb geht weiter, operiert wird im Exerzitienhaus. Bei Stromausfall leuchten Schwestern den Ärzten mit Karbidlampen.

Ab Juni 1948 investiert man 533.100 Reichsmark in den Wiederaufbau. Der Löwenanteil, 405.000 Reichsmark, stammt aus der Kriegsentschädigung. Die Klinik verfügt 1962 unter anderem über 88 Krankenzimmer, ein Säuglingszimmer, ein Pfortenzimmer, zwei Operationssäle, zwei Kreißsäle, zwölf Untersuchungsräume. Diätküche und Metzgerei befinden sich im Keller.
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
Später plant die Gemeinde am Düppenberg einen kompletten Neubau, doch die Pläne sind 1983 vom Tisch. Stattdessen wird der Altbau saniert und neben dem „alten Philipp“ ein Funktionsneubau errichtet. Die Generalsanierung bezuschusst das Land mit 50 Mio. Mark und startet startet im Frühjahr 1985. Die Leichenhalle, Waschhaus und Saal verschwinden, das neue Gebäude, im Februar 1990 eröffnet, kostet 37,5 Mio Mark. Auf sechs Etagen entstehen OPs, Intensivstation, Radiologie und Zentrale Notaufnahme. 1994 ist die Generalsanierung beendet.

Der König von Tonga auf Besuch in Essen-Borbeck
Aus dieser Zeit stammt eine Anekdote, die Christa Herlinger in dieser Zeitung fand: „Im Jahr 1990 meldete sich hoher Besuch an: Tupour IV., König von Tonga, fuhr mit einem schwarzen Mercedes 600 Pullmann vor, um sich das Krankenhaus anzusehen und sich für eine Bettenspende aus Borbeck zu bedanken. Ob seiner Leibesfülle von 340 Pfund verzichtete er beim Empfang auf Canapeés und Champagner.
Seit Beginn der 2020er Jahre wird wieder modernisiert und saniert: Zentrale Notaufnahme, Radiologie, Endoskopie und Herzkatheter-Messplätze sind bereits fertig. Der Umbau des „Stroke Unit“ hat in diesem Jahr begonnen. Und es geht weiter: In 2023 erhielt das Haus Fördermittelbescheide für den geplanten Erweiterungsbau am Philippusstift, das seit 2018 zur Contilia gehört.
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