Essen-Borbeck. Seit 50 Jahren sammelt der Senior Fotos und Artikel über den Essener Stadtteil und seine Familie. Das ist seine Geschichte.

Als Heinz Werner Kreul das Licht der Welt erblickt, herrscht Krieg. Und so verwundert es kaum, dass schon vor seiner Geburt das Leben seiner Eltern überaus turbulent verläuft. Nun wird der Borbecker Heimatforscher runde 80 Jahre alt. Und sein Hobby, sein umfangreiches Archiv über seine Familie und den Stadtteil, pflegt er noch immer. Dieser Redaktion hat er seine Geschichte erzählt.

Kriegswirren wirbeln das Leben der Familie Kreul mächtig durcheinander

Sein Vater Heinrich, ein Werksmeister in Diensten von Krupp, wird im Jahr 1942 von Borbeck nach Langenbielau (Kreis Reichenbach), dem heutigen Bielawa, versetzt. Doch nur ein Jahr später kehrt er kurzfristig zurück – der Liebe wegen. Hier heiratet er seine Hildegard, die aus Dellwig stammt und ihm schon bald ins Sudetenland folgt. Später, auf der Flucht vor den Russen, verschlägt es beide ins Effelder Eichsfeld in Thüringen, eben jener Ort, wo schon ein großer Teil der Familie Kreul evakuriert wurde. Inmitten der Kriegswirren wird Heinz Werner Kreul am 25. Februar 1945 geboren – in Kolin an der Elbe, nahe Prag.

Borbecker Heimatforscher wird 80 Jahre
Große Teile seines privaten Archivs hat Heinz-Werner Kreul bereits digitalisiert. In seinem Computer schlummern so manche Geschichten: Auch über die Pfarrgemeinde St. Dionysius und das Philippusstift in Essen-Borbeck. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich
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Elternhaus der Familie Kreul wurde im Krieg komplett zerstört

Gleich nach Kriegsende macht sich sein Vater erneut auf nach Borbeck. Er ist fest entschlossen, sein Elternhaus am Weidkamp, das im Krieg nahezu komplett zerstört wurde, wieder bewohnbar zu machen. Nach und nach kehrt auch die Familie zurück. „Doch bei allem Einsatz blieb es ein Behelfsheim, bis schließlich im Jahr 1958 im Garten des alten Elternhauses neu gebaut wurde“, erinnert sich Heinz Werner Kreul.

Heimatforscher KREUL
Hilde und Heinrich Kreul im Garten des Elternhauses in Essen-Borbeck. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1947. Da war Heinz-Werner Kreul gerade einmal zwei Jahre alt. © WAZ | Michael Heiße

Zu diesem Zeitpunkt steht der junge Heinz Werner kurz vor dem Abschluss in der Dionysius-Schule, die er seit 1951 besucht. „Nach der Schule habe ich Elektromechaniker gelernt und mich mit Schaltanlagen beschäftigt. Das habe ich tatsächlich 49 Jahre lang gemacht, bevor ich 2009 in Rente ging.“

„Nach der Schule habe ich Elektromechaniker gelernt und mich mit Schaltanlagen beschäftigt. Das habe ich tatsächlich 49 Jahre lang gemacht.“ “

Heinz-Werner Kreul
über sein langes Arbeitsleben

Doch vom verdienten Ruhestand will Kreul nichts wissen. Ganz im Gegenteil konzentriert er sich auf das Sammeln und Archivieren allerlei Zeitungsausschnitte und Fotos von der Pfarrgemeinde St. Dionysius und des Stadtteils Borbeck, insbesondere des Weidkamps, seiner Heimat. „Damit habe ich Mitte der 70er Jahre begonnen.“

Eine alte, handgefertigte Blechdose mit Familiendokumenten als Initialzündung

Auslöser sei eine alte, handgefertigte Blechdose gewesen, gefüllt mit historischen Dokumenten über Haus und Hof der Familie Kreul, die er Jahre nach dem Tod seines Vaters – Heinrich starb 1969 im Alter von nur 58 Jahren – im Keller des Elternhauses entdecken sollte. So findet er heraus, dass seine Familie bereits 1809 erstmals in Borbeck erwähnt wurde.

In Eigenarbeit das Archiv der Pfarrgemeinde St. Dionysius überarbeitet

Diese Leidenschaft hat sich der Heimatforscher bis heute bewahrt. Doch bei seinem Privatarchiv allein soll es nicht bleiben. Und so beginnt er im Jahr 2009, das Archiv der Pfarrgemeinde St. Dionysius zu sichten, zu ordnen und im Anschluss persönlich ins Bistumsarchiv nach Essen-Kray zu bringen. Dort ist es bis heute zu finden, wenn auch in digitaler Form. „Da bin ich im ersten Jahr nach der Übergabe jede Woche einmal vorbeigefahren, um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.“

Pfarrarchiv St. Dionysius in Essen-Borbeck lagerte in riesiger Schrankwand

Am Ende sei er aber glücklich gewesen, dieses Projekt abgeschlossen zu haben. „Ich habe damals das Archiv von meinem Nachbarn Herrmann-Josef Kappenberg übernommen, der sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr darum kümmern konnte.“ Das historische Material lagerte in einer riesigen Schrankwand mit gefühlt 100 Schubladen. „Es war nicht ganz einfach, da eine neue Ordnung reinzubringen.“

Nachbarn werfen dem Essener Heimatforscher Archivmaterial in den Briefkasten

Zeitgleich wächst sein privates Archiv, das Kreul mittlerweile im früheren Mädchenzimmer seiner Tochter Annette untergebracht hat. Das meiste habe er selbst gesammelt, aber mitunter bekommt er auch Fotos und andere Informationen von Freunden und Bekannten geschenkt, die diese Dinge bei ihm in guten Händen wissen. „Noch heute finde ich ab und an etwas in meinem Briefkasten – ohne Absender.“ Andere hinterlegen ihre Funde für ihn im Pfarrbüro St. Dionysius. „Es hat sich eben rumgesprochen, dass ich mich intensiv damit befasse.“

Mittlerweile sind so über 60 Aktenordner zusammengekommen. Roter Karton für die Familiengeschichte und den Weidkamp. Weiß und Gelb für St. Dyonisius und Blau für Borbeck. Dass er noch bis 2023 als Küster für die Pfarrei Dionysius arbeitet, erwähnt Kreul nur am Rande. Auf seine immer noch aktive Mitarbeit im Kultur-Historischen Verein, die 2009 begann, legt er da schon größeren Wert.

Essener Heimatforscher hält viele Vorträge

Viele Vorträge hat Kreul seitdem gehalten. Beispielsweise über Pastor Brokamp (2012), die Mühlenbetriebe in Borbeck (2015), den Friedhof an der Hülsmannstraße (2019) und unter dem Titel „Watt für ein Laden“ über alte Borbecker Geschäfte. Auch während der Ausstellung zum 130-Jährigen des Philippusstifts, die am 15. Februar in der Alten Cuesterey am Weidkamp beginnt, wird er Geschichten erzählen. Dass man ihm gerne zuhört, macht ihn stolz. „Viele wissen, dass ich gerne das Publikum mit einbeziehe. Wenn jemand einen Zwischenruf macht, dann lasse ich den seine Geschichte erzählen.“

Doch das Leben ist endlich. Auch Heimatforscher Kreul muss kürzertreten. „Das Herz“, sagt er bedauernd. Deshalb sucht er nun jemanden, der sein Archiv übernimmt und seine Arbeit fortsetzt, denn das Krayer Archiv hat für eine Sammlung wie diese einfach keine Verwendung. „Dort sucht man eher nach originalen Dokumenten.“

Ehepaar Kreul aus Essen-Borbeck ist viel mit dem Rad im Revier unterwegs

Langeweile wird auch ohne das Archiv nicht aufkommen. Gemeinsam mit seiner Frau Elfi (69) radelt Kreul noch immer leidenschaftlich gerne durchs Revier. „Von hier bis Essen-Mitte sind es 14 Kilometer. Und zum Wasserbahnhof in Mülheim sind es 20. Das schaffen wir beide heute noch.“

Heimatforscher KREUL
Der eigene Garten am Haus in Essen-Borbeck ist Heinz-Werner Kreuls ganzer Stolz. Auch seine Frau Elfi hilft bei der Pflege der grünen Oase. © WAZ | Michael Heiße

Die Woche seines runden Geburtstages werden beide in Cuxhaven verbringen. „Dort habe ich von 1965 bis 1966 meinen Wehrdienst im Panzer-Bataillon abgeleistet.“ Doch richtig feiern werden beide erst im Sommer, wenn Elfi am 9. Juni runde 70 wird. Dann im eigenen Garten am Weidkamp. „Der ist tiptop in Schuss“, wie Kreul betont, „denn Gartenarbeit ist unser größtes Hobby.“

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