Essen. Der Wechsel im Essener Sterne-Restaurant ist vollzogen. Knut Hannappel übergibt an zwei junge Kollegen. Deren „Probezeit“ ist jetzt vorbei.

Kurz vor 13 Uhr mittags – in der Küche des Essener Sterne-Restaurants „Hannappel“ pulsiert elektronische Musik aus einer Soundbox. Stunden, bevor die ersten Gäste eintreffen, ist das Team schon konzentriert bei der Arbeit. Es sind junge Gesichter, die sich über Schneidebretter, Schüsseln und Töpfe beugen. Die beiden Chefs machen da keine Ausnahme: Seit Jahresbeginn führen Tobias Weyers (34) und René Silva Sampaio (29) das renommierte Restaurant auf der Dahlhauser Straße. Der Name bleibt. Doch der angekündigte Generationswechsel ist jetzt vollzogen.

Knut Hannappel (58), der den Familienbetrieb in Essen-Horst mehr als drei Jahrzehnte lang leitete und die rustikale Bergmanns-Pinte zum Spitzenlokal entwickelte, zieht sich aus gesundheitlichen Gründen zurück. Das bescheiden wirkende Eckhaus bleibt im Familienbesitz. Hannappel, der über dem Lokal wohnt, hat die Restaurantfläche im Erdgeschoss an seine Nachfolger vermietet, die zuvor schon über Jahre seine Kollegen waren. Weyers kam 2018 als Küchenchef, Sampaio stieg Ende 2022 als Restaurantleiter ein. Dass sie künftig den Betrieb leiten würden, als gleichberechtigte Gesellschafter, war eingestielt, die Zusammenarbeit ist offenbar harmonisch. „Das war unsere Probezeit“, sagen sie jetzt.

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Nur noch zwei Sterne-Restaurants in Essen: „Hannappel“ gehört dazu

Nachdem Nelson Müller seine „Schote“ mit dem Jahreswechsel von Rüttenscheid nach Bergisch-Gladbach verlegt hat, gibt es aktuell nur noch zwei Restaurants mit Michelin-Stern in Essen. „Kettner‘s Kamota“ in Essen-Werden ist das eine, „Hannappel“ das andere. Erstmals 2020 hat das Team um Knut Hannappel die höchste Gourmet-Auszeichnung erhalten. Küchenchef Tobias Weyers hat viel dazu beigetragen, hat den Stil des Restaurants mit geprägt. Daher werden sich die Veränderungen auf der Karte in Grenzen halten.

Ein junges Team kocht im Essener Spitzenlokal „Hannappel“: Hier ist Köchin Laura Polaczek in den Vorbereitungen für das Abendmenü.
Ein junges Team kocht im Essener Spitzenlokal „Hannappel“: Hier ist Köchin Laura Polaczek in den Vorbereitungen für das Abendmenü. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Moderne, saisonale Küche“, bescheinigen die Fachleute des Guide Michelin dem „Hannappel“ in ihrer aktuellen Bewertung. Von „top Produkten und ebensolchem Handwerk“ ist die Rede. Der junge Spitzenkoch Tobias Weyers sagt, das Schwierigste sei die Reduktion aufs Wesentliche. „Wenn weniger Komponenten auf dem Teller sind, dann dürfen sie nullkommanull Fehler haben.“ Das Vier- oder Sechs-Gang-Menü hätte früher alle sechs bis acht Wochen komplett gewechselt. Jetzt werden in diesem Rhythmus nur jeweils zwei, drei Gerichte ausgetauscht. Wahlweise gibt es – nur auf Vorbestellung – eine vegetarische Variante. Laut Weyers entscheiden sich etwa 30 Prozent der Gäste dafür.

Förmliche Kleidung wird nicht erwartet

Den Begriff „Casual Fine Dining“ findet der Gault Michelin treffend für das „Hannappel“. Der Chefkoch versteht darunter ein „Gesamterlebnis“, in dem die Etikette zurücktritt, der Spaß dominieren soll. So seien die Tische anfangs nur für den ersten Gang eingedeckt, „es stehen auch nicht vier Weingläser bereit, mit denen der Gast überfordert ist“. Förmliche Kleidung werde ebenso wenig erwartet. „Man soll so kommen, wie man sich wohlfühlt.“

Blick in den Gastraum des Essener Gourmetrestaurants „Hannappel“: Tischdecken gibt es dort bewusst nicht.
Blick in den Gastraum des Essener Gourmetrestaurants „Hannappel“: Tischdecken gibt es dort bewusst nicht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Wer außerhalb der Öffnungszeiten ins Restaurant tritt, erlebt auch Weyers und Sampaio lässig gekleidet, freundlich-entspannt. „Tobias.“ „René.“ So reichen sie Besuchern die Hand, beide tragen Kapuzen-Sweater, Tobias Weyers deutlich sichtbare Tattoos. Dennoch schultern sie jetzt die Verantwortung für ein Sterne-Restaurant, in dem das große Menü inklusive Wein 230 Euro kostet oder mehr. In dem auf gleichbleibend hohem Niveau gekocht werden muss.

Das „Hannappel“ sammelt seit etlichen Jahren Auszeichnungen und zählt stetig zu den besten Lokalen im Ruhrgebiet. „Aktuell sind wir das am besten bewertete Restaurant in Essen“, sagt Tobias Weyers. „Ich würde nie sagen: ,das beste Restaurant‘“, skizziert er einen feinen sprachlichen Unterschied. Doch ziehe man alle relevanten Auszeichnungen zusammen, rangiere das „Hannappel“ momentan ganz oben. „Und darauf sind wir extrem stolz.“

Keine klassische Hierarchie in der Küche: „Hier wird nicht rumgebrüllt“

Auf diesem Level sei es vergleichsweise einfach, gutes Personal für die Küche zu finden, meint Weyers. Für junge, ambitionierte Leute hat ein Sterne-Restaurant einen hohen Reiz. Neun Festangestellte arbeiten im „Hannappel“, die beiden Chefs mitgerechnet, davon sechs in der Küche. Aushilfen verstärken das Team. Dem legendär schlechten Ruf, den die Arbeitsbedingungen in Sterneküchen haben, wollen Weyers und Sampaio auf ihre Weise begegnen. Sie versichern, bei ihnen gebe es nicht die klassische Hierarchie. „Hier wird nicht rumgebrüllt. Wir lassen Dinge, die wir selber in der Ausbildung noch erlebt haben, nicht zu.“

Das „Hannappel“ an der Dahlhauser Straße in Essen-Horst war vor Jahrzehnten eine rustikale Kneipe. Innen verbirgt sich ein modernes Top-Restaurant.
Das „Hannappel“ an der Dahlhauser Straße in Essen-Horst war vor Jahrzehnten eine rustikale Kneipe. Innen verbirgt sich ein modernes Top-Restaurant. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Auf freundschaftlicher Basis wollen sie ihr Team führen. „René und ich sind die Chefs“, sagt Weyers, „aber wir laufen nicht wie Gockel rum“. Privat haben sie räumlichen Abstand zum Arbeitsplatz, das war bei Knut Hannappel anders. Weyers pendelt von Duisburg aus, Sampaio wohnt in Dortmund. Geboren sind beide etwas außerhalb des Ruhrgebietes, in Dinslaken beziehungsweise Soest, wollen sich in Essen-Horst aber offenbar ernsthaft und langfristig binden.

Der Betrieb im Sterne-Lokal laufe fast ausschließlich über Reservierungen, sagt Weyers, was die Arbeit planbar mache. Zeitablauf, Einkauf, Teamgröße sind kalkulierbar. Das Restaurant sei vor allem an den Wochenenden gut gebucht, unter der Woche sei es ruhiger. Vielleicht eine regionale Spezialität: „Wir sind hier nicht in München oder Berlin“, sagt der junge Sternekoch, „hier im Ruhrpott sieht die Welt anders aus. Da sagen nicht viele, wir haben am Dienstagabend Lust, zu zweit exklusiv essen zu gehen, und geben 500 Euro aus.“

Der Vorteil: Das Team kann an solchen Tagen durchatmen. „Wir wollen das hier ja jetzt 20, 30 Jahre machen“, sagt René Silva Sampaio.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]