Essen. Das St. Josef-Krankenhaus in Essen-Kupferdreh hat die Zahl ambulanter Fälle in die Höhe gepusht. Warum man trotzdem keine Betten abbauen musste.

Es ist eine Beschwörungsformel, die mit schöner Regelmäßigkeit von den Verantwortlichen im Gesundheitssystem propagiert wird: ambulant vor stationär. Im St. Josef-Krankenhaus in Essen-Kupferdreh lässt sich der Trend längst an Zahlen ablesen. Für Betreiber Contilia ist das Anlass, die Klinik auf der Ruhrhalbinsel neu aufzustellen.

Essener Krankenhaus macht viele chirurgische Eingriffe ohne Klinikaufenthalt

„Patienten, die vor zehn Jahren definitiv stationär aufgenommen wurden und vor fünf Jahren meistens auch noch, werden heute häufig ambulant behandelt“, sagt Peter Berlin, Geschäftsführer beim Krankenhausträger Contilia. und der Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel gGmbH. „Gerade bei den chirurgischen Fächern verzeichnen wir da einen enormen Anstieg.“ Arthroskopische und endoskopische Eingriffe sind minimalinvasiv, so dass ein Klinikaufenthalt oft nicht notwendig ist.

Mehr zum Thema

Am Standort Kupferdreh mit seiner starken Orthopädie und Unfallchirurgie macht sich das bemerkbar: Verzeichnete das Krankenhaus im Vor-Corona-Jahr 2019 noch 1200 ambulante Fälle habe die Pandemie die „Ambulantisierung“ beschleunigt, so Berlin. Im Jahr 2024 zählte man schon 4100 ambulante Fälle: mehr als dreimal so viele. „Wenn man nicht im Krankenhaus liegen muss, ist das für die Patienten natürlich positiv.“ Auch darum habe man die Entwicklung bewusst „gepusht“.

„Patienten, die vor zehn Jahren definitiv stationär aufgenommen wurden und vor fünf Jahren meistens auch noch, werden heute häufig ambulant behandelt.“

Peter Berlin, Geschäftsführer beim Krankenhausträger Contilia

Der Krankenhausträger müsse jedoch mit einer „anderen Erlösstruktur“ umgehen: Die ambulante Krankenversorgung wird schlechter vergütet. Gleichzeitig braucht man auch bei weniger stationären Patienten eine gewisse Grundvorhaltung, die entsprechend kostet. In Kupferdreh kommt hinzu, dass die Fallzahl insgesamt gesunken ist: Zählte man 2019 noch 15.000 Fälle, waren es im vergangenen Jahr nur noch 11.000.

Krankenhausträger Contilia sortiert sich nach Scheitern des Essener Modells neu

Stellen das St. Josef-Krankenhaus der Contilia in Essen-Kupferdreh neu auf: die Geschäftsführer Matthias Schnelting, (l.) und Peter Berlin.
Stellen das St. Josef-Krankenhaus der Contilia in Essen-Kupferdreh neu auf: die Geschäftsführer Matthias Schnelting, (l.) und Peter Berlin. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Bundesweit kämpften Kliniken zuletzt mit steigenden Energie- und Personalkosten, während die Vergütung der Behandlungen nicht auskömmlich angehoben wurde und Pandemie-bedingte Sondermittel wegfielen. Im Jahr 2023 hätten 70 Prozent der deutschen Krankenhäuser rote Zahlen geschrieben, heißt es in der jährlichen Krankenhausstudie des Beratungsunternehmens Roland Berger. Die laufenden Krankenhausreformen von Land und Bund verstärkten die Unsicherheiten; vermehrte Kooperationen von Kliniken seien ein Lösungsweg.

Wirbel um die Plastische Chirurgie

Die Plastische Chirurgie wird am St. Josef-Krankenhaus in Kupferdreh nicht weitergeführt. Zuletzt machte sie 2023 durch einen Streit der Contilia mit dem Chefarzt der Ästhetischen Chirurgie um eine Summe von etwa zwei Millionen Euro Schlagzeilen. In der Schadensersatzklage ging es um die Nebentätigkeiten des Mediziners: Laut einer seit 1996 bestehenden Abmachung durfte der Chefarzt zur Behandlung von Privatpatienten OP-Säle, Geräte und Personal des St. Josef-Krankenhauses nutzen. Dafür hatte er seinem Dienstherrn eine Nutzungsentschädigung von gut 400.000 Euro im Jahr zu zahlen. Die Contilia meinte, dass ihr mehr Geld zustehe. Ende 2024 teilte die Contilia dazu mit, man habe in Kupferdreh „die Arbeitsverträge mit mehreren leitenden Mitarbeitern einvernehmlich aufgelöst“.

Der Bereich Lipödem bleibe dagegen erhalten, sagt St. Josef-Klinikmanager Matthias Schnelting: „Wir liegen bundesweit an Platz 6 bei der Versorgung von Lipödem-Patientinnen.“

Diesen Weg beschreitet auch die Contilia: Nach dem Scheitern des Essener Modells mit den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) und den Krupp-Krankenhäusern sortiert man sich erstmal selbst neu. Der Gemischtwarenladen Contilia, der auch Häuser in anderen Städten betreibt, „denke nun über Standorte hinweg“. Überkapazitäten sollen abgebaut, die Spezialisierung verstärkt werden, ganz wie es die Krankenhausreform von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann fordert.

Für das St. Josef-Krankenhaus heißt das etwa den Verzicht auf Bauchspeicheldrüsen- und Speiseröhren-Operationen, die an anderen Contilia-Häusern in deutlich höherer Zahl gemacht werden. Die Hernie-Chirurgie soll indes in St. Josef konzentriert werden. In der Fußchirurgie kümmert man sich auch um das diabetische Fußsyndrom, ergänzend zur Diabetologie im Elisabeth-Krankenhaus.

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Im lukrativen Feld der Knie- und Hüft-Operationen, das Laumann landesweit erheblich zusammengestrichen hat, konnte sich Kupferdreh behaupten. Auch insgesamt sei man mit den Zuweisungen aus Düsseldorf zufrieden. Verloren habe man nur die Bereiche Wirbelsäulenchirurgie und tiefe Rektums-Eingriffe: „Das war angesichts unserer geringen Fallzahlen nachvollziehbar.“

„Wir haben aktuell 305 Betten, 2019 waren es 296.“

Matthias Schnelting, Klinikmanager St. Josef-Krankenhaus in Essen-Kupferdreh, erklärt, dass es trotz der vielen ambulanten Fälle keinen Bettenabbau gegeben habe.

Die weiter forcierte Spezialisierung auf Orthopädie und Unfallchirurgie scheint folgerichtig: Bei der Schulterchirurgie zieht St. Josef Patienten aus Essen und Umgebung. Ähnlich sieht es bei der Handchirurgie aus: „Hier entwickeln wir uns zu einer fast ausschließlich ambulanten Versorgung“, sagt Berlin. Wirtschaftlich sei das freilich herausfordernd. Und so setzt Kupferdreh neuerdings neben der Chirurgie und der für den Großraum wichtigen Notfallmedizin samt Stroke Unit auf eine dritte Säule: Altersmedizin und neurodegenerative Erkrankungen.

Geriatrie wechselte von Hattingen-Niederwenigern nach Essen-Kupferdreh

Auch hier hat es eine Verschiebung innerhalb der Contilia gegeben: Bis 2022 saß die Geriatrie in Hattingen-Niederwenigern, dann wechselte sie nach Kupferdreh. Mit einem multiprofessionellen Team von spezialisierten Pflegekräften, Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten sei man hier gut auf ältere Patienten eingestellt. Die Chirurgie werde sich als Alterstrauma-Zentrum zertifizieren lassen.

Daneben nutzt die Geriatrie stationäre Kapazitäten, die die Chirurgie nicht mehr benötigt. Und so gebe es trotz des Ambulantisierungs-Schubes insgesamt keinen Bettenabbau, sagt St. Josef-Klinikmanager Matthias Schnelting: „Wir haben aktuell 305 Betten, 2019 waren es 296.“