Essen. In der Weihnachtsbäckerei gibt’s manche Leckerei. Die Essenerin Edith Tekolf erzählt von ihrer Familientradition: Warum es Plätzchen erst an Heiligabend gab.

In vielen Familien ist die Weihnachtsbäckerei liebe Tradition. Edith Tekolf bereitet gerade Vanillekipferl zu: „Bei mir sind gemahlene Mandeln drin. Macht auch nicht jeder. Und ganz viel gute Butter.“ Die Essenerin steht in ihrer Küche und schabt Vanilleschoten aus: „Natürlich kommt mir keine Chemie in die Rührschüssel, sondern echte Vanille. Wenn ich mir schon die Mühe mache, dann benutze ich beste Zutaten, auch wenn sie mittlerweile echt teuer geworden sind.“ Aber das sei es ihr wert.

„Das sind nicht nur Mehl, Fett, Zucker, sondern auch Marzipan und gute Nüsse. Und natürlich ist es ganz viel Liebe. Ich stecke wirklich viel Arbeit ins Backen, denn es ist schließlich eine besondere Zeit. Es gibt kaum eine Zeit, die so von Traditionen geprägt ist.“ Wobei die Advents- ursprünglich eine Fastenzeit gewesen sei: „Aber das hat sich geändert.“ Auch eine eiserne Familientradition habe sie ein wenig angepasst. Ihre Gedanken wandern zurück in glückliche Kindertage.

Im Adventskranz lagen früher immer Apfelsinen und Nüsse

Bei der Essenerin kommt keine Chemie in die Rührschüssel, sondern nur echte Vanille.
Bei der Essenerin kommt keine Chemie in die Rührschüssel, sondern nur echte Vanille. © Daniel Henschke

Edith Tekolf ist im Münsterland aufgewachsen: „In der vorweihnachtlichen Zeit saßen wir abends bei angezündeten Kerzen um den Kranz und sangen Adventslieder. Die kann ich noch alle auswendig. Im Kranz waren Apfelsinen und Nüsse, mehr nicht, denn meine Mutter fing erst ganz spät an mit der Weihnachtsbäckerei. Bei ihr hieß das, was sonst das ganze Jahr über gebacken wurde, einfach nur Keks. Nur die zu Weihnachten durften sich Plätzchen nennen.“

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Zu probieren gab es die Plätzchen wirklich erst zu Weihnachten, nie vorher: „In kirchlicher Tradition fing das Weihnachtsfest am Vorabend an. Das lag auch daran, dass die Leute keine Uhren hatten, also nie wussten, wann exakt Mitternacht ist. Doch wann es dunkel wird, das wussten sie. Daher der Nikolausabend und auch der Heiligabend.“ Sie selbst beginne inzwischen nach Totensonntag mit dem „Feingebäck“. Ihr Schwiegervater habe diesen Ausdruck benutzt: „Da schwingt Wertschätzung mit.“

Der Teig muss zuerst ruhen, bevor er weiter verarbeitet wird

Inzwischen hat Edith Tekolf aus dem Teig eine Kugel geformt und sie ruhen lassen. Nun zerteilt sie den Teig in vier Stücke, formt daraus Rollen, schneidet Scheiben ab und formt aus ihnen Hörnchen: „Ab in den Backofen!“

Der zu einer Kugel geformte Teig wird in vier Stücke geteilt. Daraus entstehen Rollen, aus denen wiederum scheibchenweise Portionen abgeschnitten und zu Hörnchen geformt werden.
Der zu einer Kugel geformte Teig wird in vier Stücke geteilt. Daraus entstehen Rollen, aus denen wiederum scheibchenweise Portionen abgeschnitten und zu Hörnchen geformt werden. © Daniel Henschke

Die Werdenerin ist leidenschaftliche Lokalhistorikerin, veröffentlicht geschichtliche Texte, Hefte, Bücher. Was sie auch etwas anders aufs heutige Kaufrausch- und Beleuchtungsfestival Weihnachten schauen lässt: „Ich bin ja nicht die Erste, die Weihnachtsplätzchen backt. Ich stehe da in einer uralten Tradition. An der Weihnachtsbäckerei ist besonders das gemeinsame Tun wichtig, vor allem für die Kinder. Und heimliches Naschen.“

„An der Weihnachtsbäckerei ist besonders das gemeinsame Tun wichtig, vor allem für die Kinder. Und heimliches Naschen.“

Edith Tekolf
führt die Backtradition ihrer Mutter weiter

In diesem Jahr backt sie acht verschiedene Plätzchensorten

Wie auf Kommando steckt Ehemann Michael seinen Kopf zur Tür rein: „Was das herrlich duftet!“ Er wird seinen Teil bekommen. Die Gattin backt in diesem Jahr acht verschiedene Plätzchen, jeweils 40 bis 70 Stück pro Sorte, die werden sorgfältig in Dosen gelagert, kühl und trocken, natürlich voneinander getrennt: „Sonst riecht alles gleich.“

Präsentiert wird das fertige Feingebäck auf einer Etagere.
Präsentiert wird das fertige Feingebäck auf einer Etagere. © Daniel Henschke

Edith Tekolf und Michael Baumgartner machen anderen gerne eine Freude: „Wir verschenken das meiste an Freunde. Einmal haben wir einen Cousin meines Mannes bedacht, der war stark eingeschränkt im Gehen und Sehen. Er hat von uns eine Dose bekommen mit einer Spieluhr drin, aufgefüllt mit Weihnachtsgebäck. Was der sich gefreut hat. Erst hat er die Plätzchen genossen und dann die Klänge der Spieluhr. Das hat uns sehr angerührt.“

Einige exklusive Backrezepte stammen aus einer alten Zeitschrift

Gibt es da ein gut gehütetes Rezept, das Edith Tekolf uns verraten könnte? Nach kurzem Überlegen zieht sie eine Karteikarte aus einer wohlsortierten Box: „Dieses Rezept für Berliner Brot habe ich von der Mutter einer alten Freundin quasi geerbt. Wobei es ja alles ist, nur kein Brot.“ Mit exquisiten Zutaten: „Nüsse, Mandeln, Nelken, Zimt, das war früher purer Luxus. Das leistete man sich nur zur Weihnachtszeit.“ Ihre Mutter habe früher lediglich Spritzgebäck und Doppelplätzchen gebacken: „Sie hatte keine Zeit für ausgefeilte Rezepte.“

Rezept für Berliner Brot

An Zutaten werden benötigt: 500 g Farinzucker, 500 g Mehl, 4 Eier, 1 Messerspitze gem. Nelken, 2 Teel. Zimt, 100 g geraspelte Bitterschokolade, 200 g ganze gehäutete Mandeln, 200 g ganze Haselnüsse, 100 g gemahlene Mandeln und 2 Teel. Backpulver.

Die Zubereitung ist wie folgt: Alle Zutaten mit viel Kraft zu einem Teig kneten, auf einem gefetteten Backblech ausrollen und bei 200 Grad circa 20 Minuten backen. Den warmen Kuchen in rautenförmige Stücke schneiden.

Tochter Edith stöberte im Dezember 1985 mit einer guten Freundin in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Essen & Trinken“. Im Sonderteil „Backen, Basteln, Kochen zum Fest“ seien zwölf exklusive Backrezepte versammelt gewesen: „So ein bisschen was Besonderes. Fast mehr Konfekt als Plätzchen. Davon ist die Hälfte ins ständige Repertoire gewandert.“ Immer wieder probiere sie neue Rezepte: „Manche haben sich bewährt.“

Nun sind die Kipferl endlich fertig und duften verführerisch: „Schnell noch Puderzucker drauf, der soll an Schnee erinnern.“ Edith Tekolf reicht die Etagere mit ihren Backwerken herüber: eines leckerer als das andere.

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