Essen. Für die E-Scooter soll in Essen ein engmaschiges Waben-System mit rund 300 Abstellflächen entstehen - und zwar meist zu Lasten von Auto-Parkplätzen.
Rund 3100 E-Scooter sind in Essen in Betrieb, fünf Anbieter teilen sich den offensichtlich lohnenden Markt. Und ohne Frage sind die Elektroroller auf Kurzdistanzen praktisch, wenngleich Jugendliche sie nicht selten schlicht nur als Spielzeug nutzen und dabei wenig Rücksicht nehmen. Achtlos abgestellt oder gar nach Gebrauch kreuz und quer auf Gehwege geworfen sind die Roller seit Jahren ein Ärgernis. Die Stadtverwaltung hat deshalb jetzt - entgegen früherer Absichten - ein Konzept für eine grundlegende Neuregelung vorgelegt.
Demnach soll man E-Scooter in der Innenstadt und in den dichter besiedelten Stadtteilen nur noch auf fest definierten Flächen abstellen dürfen, von denen mindestens 300 geplant sind. Das so genannte Freefloating-System, das derzeit in der gesamten Stadt maßgebend ist, wäre dann hier verboten.
Es muss viele Abstellstationen geben, sonst ist das Geschäftsmodell kaputt
Problem: Als Transportmittel für die sogenannte „letzte Meile“ sind die E-Roller nur dann attraktiv, wenn die geplanten Abstellstationen nah am Zielort, etwa der eigenen Wohnung oder dem Arbeitsplatz liegen. Es müssen also viele sein, sonst ist das Geschäftsmodell kaputt. Die Stadt hat deshalb die für das Konzept vorgesehenen Stadtgebiete in 290 wabenförmige Klein-Bezirke mit einer Weite von jeweils rund 300 Metern aufgeteilt. In jeder dieser Waben soll es mindestens eine Station, bei Bedarf auch zwei geben.
Dem Scooter-Nutzer werden die jeweiligen Standorte per App auf dem Mobiltelefon angezeigt. Der Clou ist die lenkende Wirkung, erläutert Verkehrsdezernentin Simone Raskob: „Die Roller können in den betreffenden Stadtteilen nur an diesen Stationen vom Nutzer wieder abgemeldet werden.“
Missachte der Fahrer das und stelle seinen Scooter verbotenerweise irgendwo anders ab, laufe die Mietgebühr einfach weiter. Über den Geldbeutel könne man so sicherstellen, dass die Stationen auch wirklich genutzt werden und die Zeiten wild herumstehender oder liegender „Elektrokleinstfahrzeuge“ beendet sind. Andere Kontrollen, etwa im Rahmen der Verkehrsüberwachung, seien zu aufwendig und nicht vorgesehen.
Aus Autoparkplätzen sollen massenhaft E-Scooter-Flächen werden
Was aus der schriftlichen Vorlage der Stadtverwaltung nur am Rande hervorgeht, jedoch auf Nachfrage dieser Redaktion von Raskob bestätigt wurde: In aller Regel sind es Autoparkplätze im öffentlichen Verkehrsraum, die in E-Scooter-Flächen umgewandelt werden sollen. Da jede Abstellstation für die Roller zumeist die Größe dreier Stellplätze für Autos haben soll, kommen nennenswerte Parkplatz-Verluste zusammen, was für manche ein durchaus willkommener Nebeneffekt sein dürfte. Und wie erwähnt sind vor allem diejenigen Teile der Stadt betroffen, wo wegen der Anwohnerdichte ohnehin schon viel Nutzungskonkurrenz im öffentlichen Straßenraum herrscht.
Wo es möglich ist, sagt die Verkehrsdezernentin, „wären für die E-Scooter auch Abstellstationen auf Plätzen und Bürgersteigen denkbar“. Allerdings: „Die Bürgersteige in Essen sind meist zu schmal.“ So wird also absehbar auch durch dieses Thema wieder der Parkraum für Autos verknappt, obwohl ihre Zahl trotz der von der Stadt schon vor Jahren ausgerufenen „Verkehrswende“ keineswegs gesunken ist. Zwar steigt der Anteil der E-Auto-Besitzer, doch auch diese haben ja keine anderen Park-Bedürfnisse als Verbrenner.
Einrichtung der Stationen soll in der Innenstadt und an Bahnhöfen beginnen
Die Einrichtung der Stationen soll laut Stadtverwaltung in fünf Phasen erfolgen: Zunächst soll das Konzept in der Innenstadt sowie an 16 Bahnhöfen und Haltepunkten umgesetzt werden, da hier eine besondere verkehrliche Bedeutung vorliege und die Innenstadt von allen fünf Betreibern bedient wird. Hierfür sind 55 Waben vorgesehen. Laut Simone Raskob soll damit im Jahr 2025 begonnen werden.
In der zweiten Phase (57 Waben) werden Abstellstationen in Holsterhausen und Frohnhausen eingerichtet. In der dritten Phase (75 Waben) folgen das Südviertel, Huttrop und Rüttenscheid, wo Verkehrsfragen besonders kontrovers diskutiert werden. Die vierte Phase (48 Waben) umfasst Altendorf, Altenessen-Süd, Steele und Kray.
Nur in den Vororten bleibt alles beim Alten beim Abstellen der E-Scooter
In der letzten Phase (55 Waben) werden die Abstellflächen in den Stadtteilzentren von Borbeck, Bochold, Stoppenberg und Freisenbruch umgesetzt. In den Vororten werde das bisherige Freefloating-System ohne Stationen beibehalten. Das heißt, hier kann jeder weiterhin seinen Roller abstellen, wo er will, sofern nicht Verbote dagegenstehen - etwa in Fußgängerzonen.
Grundlage für die Gebietseinteilung bildeten Daten aus dem neuen Mobilitätsplan sowie die aktuellen Betriebsgebiete der derzeit fünf E-Scooter-Anbieter, die sich das Stadtgebiet teils aufgeteilt haben, aber auch große gemeinsame Schnittmengen besitzen. „Der Mobilitätsplan enthält Informationen zu Bevölkerungsdichte, Einzelhandel, Industrie- und Büro-Arbeitsplätzen und Zentralität“, heißt es in der Vorlage.
Mit Bodenmarkierungen und Verkehrszeichen gekennzeichnet
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Optisch sollen die einzelnen Abstellflächen durch Bodenmarkierungen mit einem Piktogramm des E-Scooters kenntlich gemacht werden. Zusätzlich werde jede Fläche durch das Verkehrszeichen „Parken“ und das Zusatzzeichen als Parkfläche für Elektrokleinstfahrzeuge reserviert. An der Innenstadtseite des Hauptbahnhofs existiert bereits eine solche Abstellfläche.
Das Konzept muss noch in den politischen Gremien diskutiert werden und werde voraussichtlich im Februar 2025 durch den Ratsausschuss für Verkehr und Mobilität beschlossen, so die Stadtverwaltung. Bei Stationen, die auf öffentlichen Verkehrsflächen entstehen, würden die Bezirksvertretungen vorab angehört.
Die Umsetzung der Planung sei mit einem „relativ hohen personellen Aufwand“ verbunden, heißt es außerdem. Der Grund: „Die Anzahl der Stationen ist sehr groß ist und für jede Abstellfläche muss nicht nur ein separater Plan erstellt werden, es ist auch eine Prüfung bezüglich der Sondernutzungserlaubnis erforderlich“. Die komplette Umsetzung des Konzepts sei daher „nicht vor 2026 abzuschließen“.
Fünf Scooter-Anbieter teilen sich derzeit den Essener Markt
Derzeit gibt es in Essen fünf E-Scooter-Anbieter: Bolt (1200 E-Roller), Lime (600), RideMovi (400), Dott (500, früherer Name: TIER) und Voi (400). Alle Anbieter verwenden ein Freefloating-System, das keine festen Stationen erfordert. Stattdessen können die E-Scooter im Großteil des Stadtgebiets flexibel ausgeliehen und abgestellt werden, allerdings mit Einschränkungen, die von den Anbietern definiert werden.
Marktführer Bolt deckt das größte Gebiet ab und ist der einzige Anbieter, der fast flächendeckend auch den Norden bedient. Im Süden geht das Gebiet bis Bredeney und Stadtwald, im Osten bis Steele. Lime deckt als einziger Anbieter die Stadtteile Horst, Kray und Margarethenhöhe ab, das Betriebsgebiet reicht auch bis nach Altenessen und Katernberg.
RideMovi ist der neuste Anbieter in Essen und beschränkt sich hauptsächlich auf die Innenstadt und die angrenzenden Stadtteile. Dott (früher TIER) konzentriert sich ebenfalls stark auf die erweiterte Innenstadt. Nach Osten ist das Gebiet bis Kray erweitert und es geht in Rüttenscheid bis zur A52. Voi hat in alle Richtungen die dicht besiedelten Gebiete erschlossen bis hin nach Steele, Altenessen-Süd, Altendorf, Bredeney und Stadtwald.
Generell gilt: E-Scooter dürfen seit Einführung 2019 nur auf Strecken fahren, die auch für Fahrräder zugelassen sind. In Essen sind Sperrzonen definiert, in denen E-Scooter nicht fahren dürfen: Teile der Innenstadt, zahlreiche Plätze, die Wege entlang der Ruhr sowie alle Grünanlagen, Friedhöfe und Waldflächen. Inwieweit dies immer eingehalten wird, ist eine andere Frage.