Essen. Aaron wurde als Mädchen geboren und ist nun ein Mann. Dem Essener ist wichtig, dass sein neues Geschlecht offiziell im Pass eingetragen wird.

Wenn im Januar sein Termin beim Essener Standesamt ansteht, wird Aaron Nick K. seinem neuen Leben wieder einen großen Schritt näher gekommen sein. Der Essener ist einer von 161 Menschen in der Stadt, die im Rahmen des neuen Selbstbestimmungsgesetzes Namen und Geschlechtseintrag ändern lassen wollen. Wenn das geschehen ist, wird Aaron K. feiern: Der 43-Jährige ist dann auch offiziell ein Mann.

Für Aaron K. (Name der Redaktion bekannt) geht damit eine lange Leidenszeit zu Ende. Auf dem Weg zur neuen Identität flossen mehr als einmal Tränen. Denn nicht bei allen Menschen in seinem Umfeld stieß er mit seinem Wunsch, das Geschlecht anzugleichen, auf Verständnis. „Meine Mutter spricht mich bis heute mit meinem alten, weiblichen Vornamen an, auch wenn sie auf der Arbeit nach mir fragt. Vielleicht auch, weil sie einen Sohn, meinen Bruder, verloren hat“, sagt Aaron K., der für einen Sicherheitsdienst arbeitet. Auch sein Bekanntenkreis sei in den vergangenen Jahren geschrumpft, es blieben nur eine Handvoll Freunde.

Essener geht als Transmann selbstbewusst durchs Leben

Der 43-Jährige geht inzwischen sehr selbstbewusst mit seiner Entscheidung um, hat keine Probleme damit, seine Geschichte zu erzählen. Die offizielle Namensänderung ist wichtig für ihn, um nicht weiterhin einem „Zwangsouting“ unterzogen zu werden, wenn er irgendwo seinen Ausweis zeigen muss und die Diskrepanz zwischen Aussehen und Vornamen auffällt. „Ich zeige immer meinen Mitgliedsausweis von Transmann e.V. gleich mit, wo ich mich ehrenamtlich engagiere. Das wird dann zum Glück bald nicht mehr nötig sein“, freut sich Aaron K.

Die Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes in Essen

Insgesamt haben sich 161 Personen beim Standesamt Essen formgerecht angemeldet, eine Erklärung nach dem Selbstbestimmungsgesetz abgeben zu wollen, so Jacqueline Riedel vom Stadtpresseamt. Die Vorsprachen sind für die Zeit vom 1. November 2024 bis zum 14. Februar 2025 terminiert. In dieser Zeit wird eine entsprechende Erklärung entgegengenommen. Welche Änderungen des Geschlechtseintrags beabsichtigt sind, wird laut Stadt statistisch nicht erfasst. 

Er ist in Dellwig und Altendorf aufgewachsen, bezeichnet sich als überzeugten Essener. „Die Stadt ist genauso chaotisch wie ich“, sagt er und lacht. Nach der Schule hat er, damals noch als Frau, eine Ausbildung zum Gärtner im Zierpflanzenbau absolviert. Der berufliche Weg wurde mit 20 durch eine Schwangerschaft unterbrochen. „Das war okay für mich, ich habe einfach weiter gemacht wie vorher.“ Ein Projekt der Diakonie für junge Menschen mit Kind ermöglichte es, weiterzuarbeiten. Die Tochter ist heute 21, wohnt nebenan und hat ein gutes Verhältnis zu Aaron K., berichtet er. Sie nennt ihn Mad, zusammengesetzt aus Mum und Dad, was er mag.

Aaron Nick K. arbeitet für einen Sicherheitsdienst und ist in seinem neuen Leben als Mann angekommen. Trotzdem ist es ihm wichtig, dass Name und Geschlecht im Pass geändert werden.
Aaron Nick K. arbeitet für einen Sicherheitsdienst und ist in seinem neuen Leben als Mann angekommen. Trotzdem ist es ihm wichtig, dass Name und Geschlecht im Pass geändert werden. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Ich wusste schon mit fünf Jahren, dass ich lieber ein Junge sein möchte. Puppen interessierten mich nicht. Ich habe lieber die abgelegte Kleidung meines Bruders aufgetragen, als mich wie ein Mädchen anzuziehen“, blickt Aaron K. zurück. Mit dem Brustwachstum in der Pubertät sei auch die Ablehnung des eigenen Körpers gewachsen. „Ich bin immer nach vorn gebeugt gelaufen, um nicht als weiblich wahrgenommen zu werden. Das ging so weit, dass ich mir die Brüste selbst abschneiden wollte“, erinnert sich K.

In der Pubertät wuchs mit den Brüsten der Hass auf den eigenen Körper

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Aufrecht und selbstbewusst durchs Leben zu gehen, sich nicht mehr zu verstecken, das habe er erst vor zwei Jahren gelernt – nach der Operation, bei der ihm die Brüste abgenommen wurden. „Die Narben sind geblieben, aber ich bin jetzt stolz auf meinen Körper. Ich traue mich inzwischen, beim Schwimmen das T-Shirt ausziehen. Früher habe ich Sport und Schwimmen gehasst, wollte mich nicht mit den anderen Mädchen umziehen.“

Seit zwei Jahren ist Aaron K. verheiratet. Mit einer Frau. Die Beziehung sei nicht einfach. Sie habe ihn ja noch als Frau kennengelernt, den Prozess seiner Geschlechtsangleichung komplett miterlebt und mitgetragen. „Ich hatte früher Beziehungen mit eher bisexuell veranlagten Männern, aber es hat sich für mich schwul angefühlt“, erklärt der 43-Jährige.

Eine Operation steht dem Essener noch bevor

Vor zweieinhalb Jahren kam die Wende in K.s Leben. Nach Gesprächen mit einem Kollegen, ebenfalls Transmann, suchte er sich professionelle Hilfe bei einer Therapeutin. „Ich habe das komplett selbst bezahlt, sonst hätte ich drei, vier Jahre Wartezeit in Kauf nehmen müssen. Das wollte ich nicht, es sollte ja schnell gehen.“

Mindestens zwölf Therapiestunden seien vorgeschrieben, bevor man weitere Schritte zur Geschlechtsangleichung einleiten könne. Er habe schon nach der dritten Sitzung von seiner Therapeutin das Okay für die Testosteron-Spritzen bekommen, durch die die männlichen Geschlechtsmerkmale ausgebildet werden.

Die weiblichen Geschlechtsorgane hat K. bereits entfernen lassen. Eine OP steht für ihn noch aus. Dabei soll die Harnröhre verlängert werden, um das Urinieren ohne Hilfsmittel zu ermöglichen. Den letzten Schritt, sich einen Penis formen zu lassen, will K. nicht gehen. Er benutze eine Art Prothese, mit der er gut klarkomme.

Das neue Selbstbestimmungsgesetz sieht der Essener als Chance

Das neue Selbstbestimmungsgesetz, das im November in Kraft getreten ist, sieht der Transsexuelle als Chance. Er habe sich sofort um einen Termin bemüht, um Namen und Geschlechtseintrag unkompliziert ändern zu lassen. Nach dem Termin beim Standesamt im Januar stehe noch der Gang zum Bürgeramt an, um den neuen Pass zu beantragen.

„Ich bin mit meiner Entscheidung sehr glücklich, hätte das alles gern eher gemacht. Aber ich wollte auch meine Tochter schützen“, sagt der Essener, der den Nachnamen seiner Frau angenommen hat. Wenn sein weiblicher Vorname bald durch Aaron Nick (nach Nick Carter, Sänger der Backstreet Boys, und dessen verstorbenem Bruder Aaron) ersetzt wird, will der 43-Jährige mit seiner Vergangenheit als Frau abschließen. „Dann ist mein altes Leben endlich gelöscht.“

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