Holsterhausen. Eine Ausstellung in der LVR-Klinik in Essen-Holsterhausen beschäftigt sich mit Barrieren für Transgender. Und die beginnen oft schon am Telefon.

„Alle von uns sind Diskriminierungen ausgesetzt. Für unsere bloße Existenz. Wir erleben das alle“. Mit diesem Zitat eröffnete Steve Egler, seit elf Jahren Pflegefachexperte an der LVR-Universitätsklinik Essen, die Ausstellung „trans*gesund“ im Foyer der Klinik in Holsterhausen. Gefallen sind diese prägnanten Sätze im Rahmen eines Forschungsprojektes, das Egler für seine Abschlussarbeit im Studiengang „Gesundheit und Sozialraum“ an der Hochschule für Gesundheit in Bochum initiiert hat – gemeinsam mit transgeschlechtlichen Menschen.

Egler: „Ich habe in meiner Arbeit als Pflegekraft festgestellt, dass vor allem eine Patientengruppe sehr spezifischen Barrieren im Klinikalltag ausgesetzt ist: die der Transpersonen.“ Barrieren, die mit der Anrede beginnen, mit Formularen, die auf binären Geschlechterbezeichnungen beharren, und letztlich in der Frage münden, in welchem Zimmer Transpersonen untergebracht werden. „Ich habe mich gefragt: Was brauchen wir, um möglichst queersensibel arbeiten und handeln zu können?“ Ein Ansatz, den Egler letztlich über den klinischen Alltag hinaus auf unterschiedliche Lebensbereiche ausgeweitet hat – aufbauend auf dem so genannten „Regenbogenmodell“, das Gesundheit vielschichtig betrachtet und bei der Beurteilung beispielsweise auch die Familie, Nachbarschaft oder Stadträume miteinbezieht.

Fotos als Diskussionsgrundlage

„Ich habe Mitglieder der Transcommunity gebeten, Fotos aus ihrem Lebensalltag zu machen von Situationen, die ihnen prägnant erscheinen.“ Fotos, die im Anschluss gemeinsam diskutiert und ausgewertet wurden. „Mir war es sehr wichtig, das Wissen der Trans-Community zu nutzen und ihr über mein Privileg als Cis-Mensch, also als nicht transgeschlechtliche Person, Gehör zu verschaffen.“

Sechs Oberkategorien präsentiert die Ausstellung auf jeweils einem Roll-up; sechs Lebensbereiche, in denen Fotos und Zitate aufzeigen, wie sich Transgender-Alltag gestaltet. Es geht um Diskriminierung, Trans-Aktivismus, mentale Gesundheit, Infrastrukturen, Schwierigkeiten, die sich aus der Geschlechts-Transition ergeben, und um Ideen, über die sich Ausgrenzungen vermeiden lassen. Eine davon: Video-Chats statt Telefonate, führen doch beispielsweise dunklere Stimmen von Trans-Frauen gerade in Gesprächen mit Behörden immer wieder zu Identifizierungsproblemen.

Oft, sagt Markus (Name v. d. Red. geändert), gehe es bei den Alltagsherausforderungen schlicht um räumliche Aspekte. Welche Umkleide nutze ich im Sportstudio? Welche Toilette? Eine „perfekte Lösung“ könne es dabei nicht geben: „Es gibt immer nur individuelle Lösungen, die es beim nächsten Mal dann vielleicht etwas einfacher machen.“ Über die transsexuelle Selbsthilfegruppe „Die 4te Etage“ ist der Essener auf Eglers Projekt aufmerksam geworden. Für den 45-jährigen Transgender ist es wichtig, sich zu engagieren und auf diese Weise „etwas an jene Menschen in der Community weiterzugeben, die vielleicht noch nicht so weit sind“.

Markus ist sicher: Die Ausstellung werfe durch die Kombination von Fotos und persönlichen Zitaten einen „sehr individuellen“ Blick auf die Lebensumstände von Transpersonen. „Das Foto eines Handys sagt ja zunächst einmal nichts aus. Wenn man dann jedoch den Text dazu liest und erfährt, wie schwierig es ist, einfach zu sein, wie man ist, dann bekommt auch das Foto eine andere Dimension.“ Grundsätzlich sei die Gesellschaft offener geworden, was das Thema Transgender angehe – im positiven wie im negativen Sinne. Auch Ablehnung werden offener geäußert. Doch: „Das Thema ist einfach präsenter als früher. Auch Ausstellungen wie diese tragen dazu bei, dass Transpersonen aus der dunklen Nische herauskommen.“

Einschulung der Tochter war Zwangsouting

Mehr Offenheit, so Markus, sei dagegen etwa bei Behörden und Verwaltung notwendig. „Die Einschulung meiner Tochter war quasi mein Zwangsouting, weil ich an der Schule erst einmal erklären musste, wer ich überhaupt bin.“ Markus steht nun einmal nicht als Mann in der Geburtsurkunde des Kindes. „Aber es tut sich was, wenn auch nur langsam. Es gibt immer mehr genderneutrale Toiletten. Und beinahe jeder Online-Shop hat ja mittlerweile die Anrede um eine weitere Kategorie oder ein freies Feld ergänzt.“

Von Steve Egler geleitete Fortbildungen in der LVR-Klinik setzen genau hier an. Sie sollen etwa den gendersensiblen Umgang mit queeren Menschen und eine inkludierende Sprache unterstützen. Ziele, die sich der Landschaftsverband Rheinland (LVR) im vergangenen Jahr in einem „Diversity Konzept“ selbst gesteckt hat, um, wie Christiane Frenkel, Pflegedirektorin der LVR-Klinik, es in ihrer Begrüßung formulierte, aus dem „Schubladendenken“ auszubrechen.

Die Ausstellung „trans*gesund“ ist noch bis zum 31. Dezember im Foyer der LVR-Klinik an der Virchowstraße 174 zu sehen.