Essen-Rüttenscheid. . In Rüttenscheid startet ein Beratungsprojekt, das Transgender auf dem Weg in die Öffentlichkeit begleitet. Steffi hat den Weg schon hinter sich.

Ein Beratungsbüro für transexuelle Menschen? Belächelt haben diesen Pressetermin einige. Andere offen ihre Abneigung gezeigt. Neugier sowieso. Normal – dieses von unserer Gesellschaft so eng definierte Adjektiv – dieses Wörtchen fiel nicht ein einziges Mal. Dabei beginnt der Mädelsabend mit Ri, Steffi und Katharina so, wie er zeitgleich wohl in vielen anderen Wohnzimmern gestartet wäre. Mit einem gut gekühlten Glas Sekt, ein bisschen Smalltalk, gegenseitigem Beäugen.

In meiner selbstgerechten Auffassung von Toleranz suche ich beim Klang von Steffis Stimme möglichst unauffällig ihren Adamsapfel. Wie kann jemand, der zumindest biologisch mal ein Mann war, so eine wunderbare feminine Stimme haben, während ich als „Biofrau“ – so nennen sie mich – klinge wie eine heisere Krähe?

Die große Blondine bemerkt meinen Blick, lächelt verständnisvoll: „Den Adamsapfel hat man bei mir noch nie gesehen. An meine Stimmbänder durfte auch während der OP niemand ‘ran, das ist ein ausgebildeter Alt!“ Bis die 41-Jährige, die ihren Nachnamen aus beruflichen Gründen nicht in der Zeitung lesen will, frei für solche Scherze war, legte sie einen weiten und schmerzhaften Weg zurück.

Steffi wächst als Stefan auf

Steffi wächst in einem Dorf am Niederrhein als Stefan auf. Jener Sorte Ort, in dem die Menschen nicht besonders freundlich auf ihnen Fremdes reagieren. Der schüchterne Junge mit den weichen Gesichtszügen ist früh Hänseleien ausgesetzt. In der Pubertät beginnen seine Brüste zu wachsen. Die Hüften werden rundlicher, ein Stimmbruch bleibt aus. Der Körper hat zu 97 Prozent weibliche Hormone gebildet.

Stefan war schon immer Steffi, nur wollte das außer ihr kaum jemand akzeptieren. Zu eng sind ihr schließlich die Horizonte, zu intolerant die Mitmenschen. Auch der Kontakt zur Familie bricht ab.

Seelische und körperliche Schmerzen

Steffi zieht nach Essen, nachdem sie zuvor im Club David, kurz CD, feiern war. In einem der ersten Schwulenclubs der Stadt heuert sie als Kellnerin an – und ist binnen kürzester Zeit ein Markenzeichen des Ladens. Sie ist beliebt, sie arbeitet, sie feiert, sie nimmt Hormone.

Die Medikamente, die für heftige Stimmungsschwankungen sorgen, begleiten sie seit ihrem 18. Lebensjahr. Endlich offiziell eine Frau zu werden, das wagt sie lange nicht. Als ihrem geliebten CD die Schließung droht, kommen die Existenzängste: „Mit meinem Aussehen und meinem Habitus hätte ich mich doch nirgendwo seriös bewerben können“, blickt Steffi zurück.

Sie beantragt in einem ersten Schritt die Änderung ihres Vornamens: Stefan heißt sie ohnehin schon seit über 20 Jahren nur noch auf ihrem Personalausweis, niemand nennt sie so. Und sie geht weiter, will sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen.

„Transsexualität ist eine höchst bürokratische Angelegenheit“

Was folgt, ist ein drei Jahre währender Spießrutenlauf, der der selbstbewussten Frau psychisch und körperlich alles abverlangt: „Transsexualität ist in Deutschland eine höchst bürokratische Angelegenheit. Um als Mann oder Frau anerkannt zu werden, muss man ein psychisches Gutachten durchlaufen, das menschenunwürdig ist“, findet Steffi.

Beim medizinisch-psychologischen Dienst werden intime Details aus ihrem Leben abgefragt – von der familiären Situation und dem Verhältnis zu den Eltern über bevorzugte Sexualstellungen bis hin zu möglichen Selbstmordgedanken. „Alles Innere wird nach außen gekehrt, man wird wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. Als ob ich nicht selbst am besten wüsste, wer und was ich bin“, sagt Steffi.

Sie steht die Prozedur durch – und wird für ihre Stärke mit der Bewilligung ihrer Operation durch die Krankenkasse belohnt. Ein solcher Eingriff ist kompliziert – und nicht ohne Risiken. Auf die seelischen folgen die körperlichen Schmerzen: „Ich lag drei Wochen im Krankenhaus, musste gegen die Schmerzen starke Tabletten nehmen“, blickt sie auf die Zeit zurück, die seit sechs Jahren hinter ihr liegt.

Mehrere Partner am Projekt beteiligt

Als wäre all das nicht ohnehin genug zu ertragen, wenden sich damals einige Freunde von ihr ab. „Früher war ich immer die Steffi mit dem gewissen Etwas. Das Leben ist durch die OP nicht einfacher geworden“, sagt die Rüttenscheiderin, die ihre Suche nach der großen Liebe nicht aufgeben will. „Nur gehört dazu Vertrauen. Bei meiner Geschichte ist es nicht leicht, einen Partner zu finden, der mich so akzeptiert, wie ich bin“, sagt Steffi. Und einen weiteren Herzenswunsch hat sie: All ihre Erfahrungen weiterzugeben, um anderen Mut zu machen: in dem Projekt „Endlich Frau“.

So hat Ri Matthieu das Projekt genannt, das Transgendern Hilfestellungen und Beratung bieten möchte. Obwohl sie selbst eine „Bio-Frau“ ist, kennt sie die Sorgen und Nöte von Transgendern gut, hat viele Kontakte in die Szene.

In ihrem Kosmetikstudio an der Klarastraße 66 will Matthieu mit mehreren Partnern – darunter neben Steffi auch Typberater, Psychologen und Selbsthilfegruppen – Transgendern bei ihrem Schritt in die Öffentlichkeit helfen. „Viele wissen zunächst nicht, wie sie sich schminken sollen, welche Klamotten und Perücken zu ihnen passen und wo sie Hilfe finden können: All das möchten wir gern vermitteln“, erklärt Ri Matthieu.

Bei einem Tag der offenen Tür am möchte sie das Projekt heute von 15 bis 19 Uhr vorstellen. Ihr Anliegen ist auch, mehr Toleranz und Akzeptanz für die Trans- und Queerszene zu erreichen. Denn, so formuliert es Katharina: „Wir sind nicht im falschen Körper, sondern in der falschen Gesellschaft geboren.“

Info unter Tel.: 0201 8 777 98 07 und auf www.endlichfrau.de.