Essen/Mülheim. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei für Essen und Mülheim kritisiert ein neues Bezahlungsmodell für Beamte scharf: „Unfassbar“.

In der hitzigen Diskussion um eine mutmaßlich verfassungswidrige Regelung bei der Beamtenbesoldung in NRW meldet sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Essen und Mülheim mit harscher Kritik zu Wort: Das jüngste Modell, bei dem Partner- oder Familieneinkommen auf die monatlichen Zahlungen angerechnet werden sollen, ist aus Sicht ihres Kreisvorsitzenden Jörg Brackmann eine „erneute Missachtung“ der Leistungen und der Lebensrealität der Polizistinnen und Polizisten: „Dass Beamte, deren Partner nicht berufstätig sind oder Beamte ohne Partner, künftig Anträge stellen müssen, um eine angemessene Besoldung zu erhalten, ist nicht nur bürokratischer Irrsinn, sondern schlichtweg unfassbar.“

Brackmann steht nicht alleine da: In einem Gutachten für den Beamtenbund hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge bereits als verfassungswidrig erachtet. Der Düsseldorfer Landtag hatte die Novelle im Oktober verabschiedet. Neue Bezugsgröße für die Besoldungsbemessung ist seitdem die Mehrverdiener-Familie. Es wird ein fiktives Partnereinkommen in Höhe mindestens eines Minijob-Gehalts von monatlich 538 Euro zugrunde gelegt.

Es geht um viel Geld

Der Hintergrund ist, dass ein vollzeitbeschäftigter Beamter in der untersten Besoldungsgruppe, der eine vierköpfige Familie zu versorgen hat, in Deutschland 15 Prozent mehr bekommen muss als eine vergleichbare Sozialhilfeempfänger-Familie in der Grundsicherung. Durch die Anhebung des Bürgergeldes und den Anstieg der Wohnkosten ist es für das Land aber immer schwerer geworden, diesen Mindestabstand zu halten. Es geht also um richtig viel Geld.

Jörg Brackmann, Vorsitzender der Kreisgruppe Essen/Mülheim der Gewerkschaft der Polizei, kritisiert die NRW-Landesregierung scharf.
Jörg Brackmann, Vorsitzender der Kreisgruppe Essen/Mülheim der Gewerkschaft der Polizei, kritisiert die NRW-Landesregierung scharf. © Oliver Bellendir Photography

Eine amtsangemessene Alimentation sei aber nicht auf Antrag, sondern verfassungsrechtlich automatisch herzustellen, lautet die Kernkritik an dem neuen Verfahren. Dieselbe Landesregierung, die den Bürokratieabbau in ihrem Koalitionsvertrag verspreche, schaffe so „ein weiteres Verwaltungsmonster, das uns Jahre mit abertausenden von Anträgen, Bescheiden und Gerichtsverfahren begleiten wird“, ahnt Brackmann. Damit zeige sich in diesem Jahr wiederholt, wie es in Nordrhein-Westfalen um die Wertschätzung gegenüber den Bediensteten bestellt sei.

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„Ich erinnere nur gerne an die sogenannte Bagatellgrenze, bei der bis zu fünf Überstunden monatlich verfallen“, so der GdP-Kreisgruppenchef. Woanders werde Mehreinsatz honoriert, bei der Polizei verfielen Ansprüche, wenn man nicht aufpasse oder die kurze Personaldecke keinen Freizeitausgleich zulasse.

Betonmauer der schwarz-grünen Landesregierung

„Wir sind es leid, immer wieder mit halbherzigen Maßnahmen abgespeist zu werden. Die Wertschätzung der Arbeitsleistung unserer Kolleginnen und Kollegen endet offenbar dort, wo sie den Dienstherrn tatsächlich etwas kostet. Da steht die Betonmauer der schwarz grünen Landesregierung“, so der Vorsitzende der GdP, nach deren Einsatz Ministerpräsident Hendrik Wüst auf die Forderung nach Abschaffung der Bagatellgrenze „lediglich mit einer lapidaren Weiterleitung“ an das zuständige Ressort geantwortet habe.

Das Vertrauen in floskelhafte „Modernisierungsoffensiven“ und „Attraktivitätsinitiativen“ der Landesregierung sei längst erschüttert – „bei solchen Begriffen ernten wir in Gewerkschaftsveranstaltungen nur noch Gelächter“, weiß Brackmann: „Es ist höchste Zeit, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht mehr nur als Kostenfaktor gesehen werden, sondern als eine tragende Säule des Landes, die sie zweifelsohne sind.“

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