Essen/Mülheim. Was wäre, wenn sich der Einsatz der Polizistinnen und Polizisten der „mangelnden Wertschätzung“ anpasst?, fragt die Gewerkschaft der Polizei.

Nach der scharfen Kritik der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Essen an Überstundenverfall und der sogenannten Bagatellgrenze, nach der Beamte ihre Mehrarbeit erst nach fünf Überstunden aufschreiben dürfen, hat der NRW-Innenminister reagiert. Dass Herbert Reul dabei die umstrittene Praxis im Kern allerdings verteidigte und sich eine Korrektur der Verfahrensweise nicht wirklich abzuzeichnen scheint, sorgt nun erneut für Widerspruch und - eine deutliche Warnung.

„Wird nicht jede einzelne geleistete Stunde vergütet, muss der Innenminister irgendwann erleben, dass der Einsatz der Kolleginnen und Kollegen sich seiner mangelnden Wertschätzung anpasst und langsam aber sicher abnimmt,“ ist Jörg Brackmann, GdP-Vorsitzender für Essen und Mülheim überzeugt: „Jeder kann sich Szenarien vorstellen, wie man sich verhält, wenn einem Überstunden einfach gestrichen werden.“

Tausende Stunden durch den Rost gefallen

Denn nicht nur Brackmann ist sauer, dass sein oberster Dienstherr nicht nur sein Versprechen, geleistete Überstunden der Polizeibeamtinnen und -beamten nicht verfallen zu lassen, gebrochen habe - mehr noch: In einem internen Blog habe es Reul sogar noch als Fehler der Beschäftigten dargestellt, dass über 12.000 Stunden in der Silvesternacht durch den Anrechnungsrost gefallen seien. Zudem finde seit dem 1. Januar in NRW die Bagatellgrenze wieder Anwendung, nachdem sie über 20 Jahre lang ausgesetzt worden sei. Was für allerlei Ärger und unsinnigen Aufwand sorge.

Die digitalen Stundenbuchungssysteme der Polizei sind nach Angaben der GdP überhaupt nicht in der Lage, die Einhaltung der Bagatellgrenze in Verbindung mit der Sollarbeitszeit von 41 Stunden pro Woche zu gewährleisten. Dies führe dazu, dass sämtliche Stundenbuchungen händisch überprüft werden müssen, um diese Regelung umzusetzen und die Mehrarbeit einzubuchen. Das sei so wenig wertschätzend wie wirtschaftlich unsinnig, so Brackmann: „Es ist absurd, dass die Stundenbuchungen von etwa 50.000 Polizeibeamtinnen und -beamten händisch überprüft werden, nur um letztlich wenige Stunden verfallen zu lassen.“

Geleistete Stunden uneingeschränkt konservieren

Vor diesem Hintergrund fordert der GdP-Vorsitzende „sofortige konkrete Maßnahmen“ statt warmer Worte: „Wir appellieren erneut an Innenminister Reul, die Bagatellgrenze vollständig abzuschaffen und jede geleistete Überstunde zu vergüten.“ Es sei dringend notwendig, dass das Ministerium die Möglichkeit schaffe, geleistete Stunden uneingeschränkt zu konservieren und entweder auf das Langzeitarbeitskonto oder die anderen Buchungssysteme zu übertragen, wie es über Jahrzehnte gehandhabt worden sei.

Als Innenminister in einem internen Blog lediglich an die Adresse der Polizistinnen und Polizisten bislang folgenlos zu beteuern, „Sie können sicher sein, dass ich diese gesetzliche Regelung auf dem Kieker‘ habe“, reicht dem GdP-Vorsitzenden nicht aus: „Herr Reul soll die Bagatellgrenze nicht nur ‚auf dem Kieker haben‘, sondern sie abschaffen. Wer in politischer Verantwortung steht, muss Regelungen, die nicht mehr zeitgemäß sind, ändern“, wie es per einfacher Verordnung in Hessen bereits passiert sei.

Dabei dürfte Reul nur zu gut wissen, dass es ihm durchaus als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden könnte, sollte er seinen Worten keine Taten folgen lassen.

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