Düsseldorf. NRW unterstellt bei der Mindestalimentation seiner Beamten neuerdings einfach ein „fiktives Partnereinkommen“. Hält das vor Gericht?

Die neue Berechnungsmethode zur Beamtenbezahlung in Nordrhein-Westfalen ist einem Gutachten zufolge verfassungswidrig. Wie der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio für den Deutschen Beamtenbund (DBB) analysiert hat, verstößt das Besoldungsgesetz der schwarz-grünen Landesregierung gegen den Grundsatz der Mindestalimentation von Staatsdienern.

„Der Gesetzgeber nimmt hier gelassen in Kauf, dass es Fälle gibt, bei denen Beamtinnen und Beamte verfassungswidrig zu niedrig bezahlt werden“, kritisierte DBB-Landeschef Roland Staude am Montag in Düsseldorf.

Ab diesem Jahr soll in NRW erstmals nicht mehr die Alleinverdiener-Familie als Bezugsgröße für die Berechnung eines Netto-Mindesteinkommens von Beamten herhalten. Stattdessen wird ein fiktives „Partnereinkommen“ unterstellt und die Besoldung perspektivisch entsprechend angepasst. Betroffene, die tatsächlich über keine weiteren Familieneinkünfte verfügen, müssen eine höhere Alimentation künftig extra beantragen.

Eine Beamten-Familie muss 15 Prozent über einer Sozialhilfeempfänger-Familie liegen

Hintergrund: Ein vollzeitbeschäftigter Beamter in der untersten Besoldungsgruppe, der eine vierköpfige Familie zu versorgen hat, muss in Deutschland 15 Prozent mehr bekommen als eine vergleichbare Sozialhilfeempfänger-Familie in der Grundsicherung. Durch die Anhebung des Bürgergeldes und den Anstieg der Wohnkosten ist es für das Land immer schwerer geworden, diesen Mindestabstand zu halten. Da sich die Beamtenbesoldung von unten nach oben aufbaut, geht es um viel Geld.

Deshalb verfiel die Landesregierung auf die Idee, ein fiktives Partnereinkommen in Höhe eines „Minijob“-Gehalts von 538 Euro einzuberechnen. Bezieht der Partner gar kein solches Einkommen, kann beim Land jährlich ein Ergänzungszuschlag beantragt werden.

Gutachter di Fabio stellte nun klar, dass die Besoldung nicht von einem Antragserfordernis abhängig gemacht werden dürfe. Der Dienstherr sei zur angemessenen Bezahlung von Amts wegen verpflichtet.

Fiktives Partnereinkommen: Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet

CDU und Grüne hatten sich auf eine Modernisierung des Besoldungsrechts berufen. Das traditionelle Modell der Alleinverdienerfamilie sei längst von einer Realität abgelöst worden, in der Mutter und Vater gleichermaßen zum Haushaltseinkommen beitrügen. DBB-Chef Staude sprach von „reiner Wortakrobatik“, da es lediglich darum gehe, rechnerisch die Bezugsgröße „Nettoalimentation“ anzuheben, ohne eine tatsächliche Verbesserung der unteren Besoldungsgruppen zu erreichen.

NRW steht mit seinem Vorgehen nicht allein da. Auch andere Länder nutzen inzwischen das „fiktive Partnereinkommen“, so dass ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet wird. FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel forderte eine Kehrtwende von Schwarz-Grün: „Es ist ein großer Fehler der Landesregierung gewesen, die routinemäßige Tarifanpassung mit diesem juristischen Neuland zu verknüpfen.“ Der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Zimkeit sprach von einem „fragwürdigen und willkürlichen Instrument“. Es sei nicht Aufgabe der Beschäftigten, „ständig zu prüfen, ob ihre Besoldung angemessen ist“.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sieht sich trotz der Kritik durch das Gutachten eher bestätigt. Die von Di Fabio geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken beträfen „lediglich Detailfragen der Umsetzung“, erklärte sein Ministerium am Montag. Damit werde der bisherige Hauptkritikpunkt am neuen besoldungsrechtlichen Leitbild der Mehrverdienerfamilie aus Sicht der Landesregierung nicht aufgegriffen.