Essen. Ist bei Rettungseinsätzen kein Arzt mit im Einsatz, sollen bald Tele-Notärzte zugeschaltet werden können. So planen Essen, Mülheim und Oberhausen.

Die Stadt Essen plant gemeinsam mit Oberhausen und Mülheim den Einsatz von Tele-Notärzten im Rettungsdienst: „Das Tele-Notarztsystem ermöglicht es, Notärzte aus der Ferne in die Versorgung von Notfallpatienten einzubinden“, heißt es in einer Vorlage, die am Mittwoch (11. Dezember) im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt behandelt wird. Das neue System wird nach Angaben der Essener Feuerwehr frühestens im Jahr 2026 an den Start gehen.

Aus Essen wird der Rettungsarzt auch nach Oberhausen und Mülheim zugeschaltet

Vorgesehen ist, dass Rettungssanitäter, einen Arzt per Live-Schalte befragen können, wenn sich ein Notfall als komplexer oder schwerwiegender herausstellt, als beim Ausrücken angenommen. „Aktuell würde man in dieser Situation einen Notarzt herbeirufen, zukünftig könnte man ihn sofort zuschalten“, erklärt der Sprecher der Essener Feuerwehr, Christian Schmücker. Der Mediziner könne per Video-/Audio-System „den Zustand des Patienten beurteilen“, dessen Versorgung werde dadurch beschleunigt, folgert die Stadt. „Es verringert sich das sogenannte arztfreie Intervall“, das durch die Anfahrt des Arztes entstünde.

Mit dem neuen Modell setzt die Stadt eine Vorgabe des Landes-Gesundheitsministerium um, das die Tele-Notärzte in ganz NRW „zur Stärkung der gesundheitlichen Notfallversorgung“ einführen will. Die drei beteiligten Städte kalkulieren für das Projekt mit Gesamtkosten von 7,5 Millionen Euro, die zum großen Teil umlagefähig sind. Essen solle davon den Löwenanteil von 63,7 Prozent tragen. Längerfristig solle das Telenotarzt-System den städtischen Haushalt nicht weiter belasten, da es sich über die Kostenträger, also Kranken- und Pflegekassen, refinanzieren lasse.

Ziel ist ausdrücklich auch, die Zahl der Rettungseinsätze zu verringern, bei denen ein Arzt mit ausrückt: „Durch die neue Beratungsmöglichkeit müssen die Notärzte zu weniger Einsatzszenarien alarmiert werden“, heißt es in der Vorlage der Stadt. Das bestätigt Feuerwehr-Sprecher Schmücker. Zuletzt habe es in Essen im Jahr 152.000 Einsätze im Rettungsdienst gegeben, davon entfielen 75.000 auf weitgehend unkritische Krankentransporte, etwa zur Dialyse. Bei den Notfällen habe es 54.000 Fahrten mit dem Rettungswagen und Notfallsanitätern gegeben. Bei 18.000 Fahrten rückte auch ein Notarzt aus. Auch bei den 1700 Intensivtransporten fahre immer ein Mediziner mit. Wenn das neue System erfolgreich etabliert sei, „werden weniger Fahrten mit Arzt losgeschickt“, sagt Schmücker.

Zweite Telenotarztzentrale in Mülheim

Die Städte Essen, Mülheim und Oberhausen gründen eine Trägergemeinschaft, um gemeinsam das Telenotarzt-System zu betreiben. Das wurde bereits im Jahr 2022 beim NRW-Gesundheitsministerium beantragt und ist inzwischen genehmigt. Nun werden die Verträge dazu abgeschlossen.

Die Telenotärzte werden in Essen sitzen und von dort auch Sanitäter in den beiden anderen Städten beraten. Es wird als sogenannte Redundanz außerdem eine zweite Telenotarzt-Zentrale in Mülheim eingerichtet, „welche besetzt wird, wenn die Leitstelle der Feuerwehr in Essen ausfallen sollte“.

Das Kompendium, das festlegt, wer im Rettungsdienst wann mitfahre, werde entsprechend überarbeitet. Befürchtungen, dass es sich um ein Sparmodell handeln könne, weist Schmücker zurück: „Die Patientensicherheit steht an oberster Stelle. Die Telenotärzte können den Rettungssanitätern in schwierigen Situationen helfen.“ So können sie sich zur Gabe eines Medikaments rasch rückversichern. „Aber wenn eine zum Beispiel Thoraxdrainage nötig ist, ruft der Sanitäter weiterhin den Arzt herbei.“

Die meisten kritischen Situationen spielen sich in Wohnungen ab

Für die Qualität des neuen Angebots sei neben den eingesetzten Ärzten die Technik und Software ausschlaggebend. So müsse es etwa möglich sein, die EKG-Daten vom Einsatzort in Echtzeit an den Telenotarzt zu übermitteln. Die ersten Städte, die mit Telenotärzten arbeiten, hätten Geräte in den Fahrzeugen installiert, sagt Schmücker. „Die meisten kritischen Situationen erleben die Sanitäter aber in Wohnungen oder am Arbeitsplatz der Patienten.“ Darum wolle man in Essen, Mülheim und Oberhausen „mobile Systeme einsetzen, die im Auto und vor Ort funktionieren“.

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Die Telenotärzte, die in der Essener Leitstelle der Feuerwehr sitzen sollen und von dort auch nach Mülheim und Oberhausen zugeschaltet werden, müssen Erfahrung als Notärzte „auf der Straße“ mitbringen. Außerdem werden sie eigens für ihre neue Aufgabe geschult. Auch die Sanitäter werden in ihrer jährlichen Fortbildung einen ganztägigen Block der Kommunikation mit dem Telenotarzt widmen. Die neue Beratungsmöglichkeit könne letztlich auch das Berufsbild attraktiver machen, hofft die Stadt: Denn sie erhielten mehr Kompetenzen im Einsatz, könnten eigenverantwortlicher arbeiten.

Zahl der Notärzte im Rettungsdienst soll nicht reduziert werden

Wie die Trägergemeinschaft der drei Städte die Ärzte und Ärztinnen rekrutiert, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Notärzte, die bei den Rettungsfahrten mit ausrücken, werden über Gestellungsverträge von allen vier Essener Klinikträgern (Contilia, KEM, Krupp, Uniklinik) eingesetzt, erklärt Schmücker Für den neuen Telenotarzt-Pool könnte man auch Kollegen aus Oberhausen und Mülheim heranziehen, die dem Anforderungsprofil entsprechen. Die Zahl der Notärzte im Rettungsdienst solle nicht reduziert werden.

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