Essen. Über Jahre stiegen die Zahlen bei Krankenfahrten und Co. - bis die Feuerwehr ein Gegenmittel fand. Ihr Chef erklärt die überraschende Trendwende.

Mehr Einsätze im Rettungsdienst bedeuteten alle Jahre wieder mehr Fahrzeuge, mehr Personal. Noch mehr Einsätzen folgten noch mehr Fahrzeuge und möglichst noch mehr Personal: Über Jahre sah sich die Feuerwehr Essen einer immer enger werdenden Belastungsspirale durch oftmals unnötige Fahrten mit Rettungswagen, Krankentransportern und Notärzten ausgesetzt. Die Zahlen stiegen und stiegen scheinbar unaufhaltsam. Dem System drohte das Ende seiner Leistungsfähigkeit, gesetzlich vorgeschriebene Fristen bis zum Eintreffen am Einsatzort gerieten unter die Räder. Es schien kein Kraut dagegen gewachsen, bis die Behörde an der Eisernen Hand im vergangenen Jahr einen entscheidenden Hebel umlegen und am Montag einen „Riesen-Erfolg“ in eigener Sache melden konnte.

Erstmals seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, waren die Zahlen im Rettungsdienst im vergangenen Jahr rückläufig, sagte Feuerwehr-Chef Thomas Lembeck bei der Vorstellung des Jahresberichts 2023. Exakt 75.391 Krankentransportfahrten, 53.371 mit einem Rettungswagen, 18.070 mit einem Notarzt sowie 1629 Intensivtransporte summierten sich am Ende auf insgesamt 152.588 Rettungsdiensteinsätze. Das waren immerhin 10.862 weniger als Jahr davor.

In den Krankenhäusern Klinken geputzt

Damit so aus der „enormen Belastung“ eine „erhebliche Belastung“ werden konnte, sagt Lembeck, habe die Feuerwehr in den Essener Krankenhäusern nicht nur eifrig Klinken geputzt und dem Personal ein Gefühl für notwendige auf der einen und überflüssige Krankenfahrten auf der anderen Seite vermittelt, sondern den Pflegerinnen und Pflegern auch ein wichtiges Werkzeug an die Hand gegeben. Anhand einer computerisierten Checkliste können sie anhand durch Eingabe der jeweiligen Patientendaten zuverlässig herausfinden, welches Transportmittel in welchem individuellen Fall das geeignete ist.

Dabei ist es beileibe keine neue Erkenntnis: Es muss etwa bei einer Entlassung aus einer Klinik nicht immer der Rettungswagen sein. Fahrten von A nach Z sind je nach gesundheitlichem Zustand auch in einem für die Krankenkassen kostengünstigeren Taxi möglich oder durch Angehörige zu erledigen, haben die ersten Erfahrungen mit dem neuen System gezeigt. Zu überprüfen, was tatsächlich geht, ist übrigens keine freiwillige Leistung der beteiligten Kliniken, sondern verpflichtend, sagt Lembeck: Wird der Fragebogen nicht ausgefüllt, schicke die Feuerwehr keinen Rettungsdienst mehr raus. Was natürlich nicht für Notfälle gelte.

Während die Kooperation mit den Krankenhäusern bereits klappt, sieht Lembeck bei den Bagatell-Notrufen, die von Essenerinnen und Essenern auf der Leitstelle nach wie vor eingehen, nach wie vor großen Handlungsbedarf. Eine kleine Schnittwunde, ein Schnüpperchen oder ein verspannter Nacken zum Beispiel sind keine guten Gründe, die 112 zu wählen. „Wir müssen diese Anrufer besser in den Griff kriegen“, ist der Feuerwehr-Chef überzeugt.

Auswirkungen der Krankenhausreform zu befürchten

Dies könne aber nicht allein von seiner Behörde geleistet werden, sondern da sei auch das Land gefordert, wenn es gewollt sei, bereits Schülern beizubringen, welche Möglichkeiten einer ärztlichen Versorgung es gebe. Da bedürfe es offenbar noch einer gewissen Nachhilfe. .„Wir müssen daran arbeiten, dass die Einsatzmittel dafür eingesetzt werden, wofür sie da sind“, betont Lembeck.

Ob sich die positive Entwicklung im Rettungsdienst nach der umstrittenen Krankenhausreform des Bundes fortsetzen lässt, werde sich in den nächsten Jahren zeigen, sagt Lembeck: „Wir gehen aktuell davon aus, dass die Transportbelastung zeitlich erhöht wird.“ Die Gründe dafür könnten eine geringere Klinikdichte sowie mehr Verlegungsfahrten durch eine fortschreitende Spezialisierung der Häuser sein.

Während die Einsätze im Brandschutz und bei der technischen Hilfeleistung im vergangenen Jahr mit 15.245 gegenüber 2022 in etwa konstant blieben, 15 Großbrände, über 1300 kleine und mittlere Feuer zu löschen waren, 626 Sturm- und 875 Umwelteinsätze anfielen sowie 65 Menschen aus Unfallfahrzeugen gerettet werden mussten, sah und sieht sich die Essener Feuerwehr vor großen Herausforderungen: Um die Handlungs- wie Leistungsfähigkeit sicherzustellen und binnen kürzester Zeit am Einsatzort sein zu können, muss sich die Behörde in Teilen neu aufstellen, was Gebäude, Technik und Personal angeht. Die Vorgaben des Brandschutzbedarfsplans umzusetzen, ist ein millionenschweres Dekadenprojekt.

Die Ehrenamtlichen eine Woche lang fortbilden

Auf dem Weg zum Ziel muss sich die Feuerwehr auch bewegen, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Es stehen Neuerungen an, sagt Lembeck. So biete man am 1. August eine Notfallsanitäter-Ausbildung für Schulabgänger und Schulabgängerinnen an, vergleichbar mit einer Lehre und verbunden mit der Option, danach in die Berufsfeuerwehr einzutreten.

Ehrenamtliche der Freiwilligen Feuerwehr, deren Engagement für Lembeck unverzichtbar ist, sollen künftig die Möglichkeit bekommen, sich eine ganze Woche am Stück aus- und fortbilden zu lassen, statt Abend für Abend und auch an Wochenenden in den Kursen präsent sein zu müssen. Dafür ist dann keine Urlaubsabnahme nötig. Der Arbeitgeber bezahlt vielmehr das Gehalt für den Mitarbeiter weiter und die Feuerwehr wiederum springt dann für diese Lohnfortzahlung finanziell ein.

550 Aktive zählt die Freiwillige Feuerwehr in Essen, knapp 1000 Beschäftigte sind es bei der Berufsfeuerwehr.

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