Essen-Steele. Jahrelanger Stillstand: Rohbau in Steele sollte Seniorenwohnungen und Tagespflege beherbergen. Fertig wurde der Bau nie. Anleger fürchten um Geld.
Leerer Rohbau und viele geschädigte Anleger statt Seniorenwohnungen: Geplant waren auch Büros und Tagespflege, stattdessen steht das Gebäude nun bereits seit Jahren ungenutzt an der Bochumer Landstraße. Es ist nie fertig geworden. Inzwischen leuchten rote Graffiti an den Wänden, innen macht sich Feuchtigkeit breit. Jetzt soll der Komplex versteigert werden: Am 24. Januar ist der Termin beim Amtsgericht. Dahinter steckt noch mehr.
Der Rohbau (Beton- und Mauerwerksbauweise) wurde bereits 2021/22 erstellt, so steht es nun in den Unterlagen des Amtsgerichts zu lesen. Das Gebäude an der Bochumer Landstraße/Am Buschgarten mit seinen vier Geschossen ist voll unterkellert und sollte als Büro- und Wohnhaus dienen. Am Bauzaun hingen lange die Folien mit dem Projekt und dem Namen des Unternehmens „Bonafide Immobilien“. Das war der Projektentwickler, der dafür die Projektgesellschaft Ultima Ratio Buschgarten GmbH & Co. KG ins Leben gerufen hat.
Vorgesehen waren 29 Seniorenwohnungen, zwei Seniorenwohngemeinschaften mit jeweils zwölf Zimmern sowie Gemeinschaftsräumen und auch einer Küche. Im Erdgeschoss sah der Plan Büros und eine Tagespflegeeinrichtung vor. Entstehen sollte auch eine Tiefgarage mit 27 Einstellplätzen und Abstellräumen. Ein Gesamtvolumen von 7,5 Millionen Euro wurde im Exposé angegeben.
Noch vor Baubeginn warb dieses Exposé zum Projekt „Buschgarten“ mit Steele als „einem sehr beliebten und vielfältigen Stadtteil“, mit Fußgängerzone, hohem Grünanteil, der direkten Lage an der Ruhr und den kulturellen Angeboten (Grend, Theater Freudenhaus). Umschrieben wurde die Lage des rund 2400 m2 großen Grundstücks an der Ecke Bochumer Landstraße / Am Buschgarten, wo das Projekt entstehen sollte, mit verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants sowie dem Bahnhof Essen-Steele Ost in der Umgebung.
Gutachten beschreibt Bochumer Landstraße in Essen als viel befahrene Verkehrsverbindung
Liest man nun aus dem Gutachten, das beim Gericht im Vorfeld der Zwangsversteigerung erstellt worden ist, so erfährt man auch, dass man mit erhöhten Lärm- und Geruchsimmissionen rechnen müsse, weil die Bochumer Landstraße nun einmal eine viel befahrene Verkehrsverbindung sei. Im weiteren Straßenverlauf seien Geschäfte, wie ein Möbelhaus, McDonald`s, eine Spielhalle und Versicherung angesiedelt, gleich gegenüber die Affan-Moschee und das Gebäude der Zeugen Jehovas.
Beschrieben wird im Gutachten auch der Zustand des Rohbaus selbst, zu lesen ist daher von komplett fehlenden Außenwandverkleidungen. Von bereits großflächigen Feuchtigkeitseinwirkungen und sich lösenden Abdichtungen im Kellerbereich. Zu sehen sind auch Bilder aus dem Inneren des Gebäudes, wo beim Blick in ein Zimmer (Richtung Garten, Ostausrichtung) in vielen Bereichen das stehende Wasser zu sehen ist. An teils bereits erstellten Leichtbauwänden zeige sich großflächige Schimmelpilzbildung, heißt es. Ähnlich sieht es in Räumen in den Geschossen darüber aus.
Fast alle Fenster sind bereits eingesetzt, dreifach verglast. Es gibt laut Gutachten auch noch offene Bereiche. Eingangstüren fehlten. Der Innenausbau fehle fast komplett: „Es wurde angefangen, Be- und Entwässerungsrohre zu verlegen.“ Um Vandalismus zu verhindern, sei das Gebäude ringsherum eingezäunt worden. Beschmiert wurde es dennoch. Ein Mitarbeiter der Zwangsverwaltung habe auch von Diebstählen berichtet.
Zwangsversteigerung steht an und Anleger des Seniorenwohnprojektes in Essen-Steele fürchten um ihr Geld
Zu den Folgen gehört nun aber nicht nur die Zwangsversteigerung dieses Rohbaus, sondern auch eine Reihe privater Anleger, die um ihr Geld bangen. Denn zu dem Vorhaben zählte auch ein Crowdfunding-Konzept, für das das Unternehmen Bergfürst AG im Auftrag der Ultima Ratio Buschgarten GmbH warb. Das Prinzip: Für die Finanzierung des Projektes suchte die Bergfürst AG auch kleinere Investoren, denen das Geld dann verzinst zurückgezahlt werden sollte. 6,5 Prozent sollten es sein. Das Laufzeitende der Vermögensanlage wurde mit dem 31. Oktober 2022 angegeben.
Während die Bergfürst AG nun auf ihrer Internetplattform mit insgesamt 117.000 Kunden und weiteren laufenden Projekten wirbt, fürchten Anleger des Steeler Projekts, ihr Geld überhaupt nicht mehr wiederzusehen - und das gilt offenbar nicht nur für das Essener Vorhaben. So kann in Schleiden etwa der Bürgermeister die Bonafide Immobilien GmbH nicht mehr erreichen, die an dem Ort ein Demenzwohnen hat errichten wollen, so berichten es etwa die Kölnischen Nachrichten. Auch unsere Redaktion wählte mehrere angegebene Rufnummern vergebens, eine Mail blieb unbeantwortet. Die Stiftung Warentest sowie Anwälte kritisieren und hinterfragen wiederum mit Berichten im Internet das Vorgehen der Bergfürst AG.
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Jörg Hoffmann ist selbst Anleger auch für das Steeler Projekt gewesen und betreibt nun die Plattform Interessengemeinschaft (IG) der Bergfürst-Anleger. Etwa 200 Betroffene hätten sich der IG angeschlossen, die ihr Geld nicht zurückerhalten hätten. Es sei um eine Summe von insgesamt 2,5 Millionen Euro gegangen, investieren konnte jeder mit mindestens 10 Euro. „Damit haben wir das Eigenkapital des Unternehmens gestärkt“, erklärt er zum Prinzip. Dann sei das Projekt ausgelaufen, das Geld aber hätten sie nicht zurückerhalten. Es soll mehrere Tausend Anleger geben. Ob jemals einer von ihnen auch nur einen Teil seines Geldes wiedersehen werde, da ist er mehr als skeptisch.
Auch Anleger der Anlage in Essen-Steele suchen nach einem Strohhalm, um an ihr Geld zu kommen
Daran glaubt auch ein anderer Anleger nicht, auch er hat in ein Projekt der Bonafide investiert. Das sollte in Potsdam entstehen. Stattdessen hat er jetzt eine Gruppe ebenfalls Betroffener um sich geschart, einen Anwalt engagiert und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. 85 Menschen hätten sich der IG Bonafide angeschlossen. Dann war Aufnahmestopp, damit der Fall nicht zu unübersichtlich werde, sagt er, obwohl sich immer wieder Anleger bei ihm meldeten. Auch welche aus Steele. Natürlich suchten sie alle nach einem Strohhalm, um ihr Geld zurückzubekommen oder zumindest einen Teil davon. Bei einer Zwangsversteigerung aber, werde wohl für die kleinen Anleger nichts übrig bleiben, fürchtet er.
Auf Nachfrage der Redaktion antwortet die Bergfürst AG nun: „Die Ultima Ratio Buschgarten GmbH & Co. KG hat im Dezember 2019 über die Plattform von Bergfürst Teilbeträge aus Forderungen eines nachrangigen und nachrangig besicherten Bankdarlehens in Summe von 2.500.000 Euro angeboten. Da diese Vermögensanlage leistungsgestört ist, befasst sich der Sicherheitentreuhänder mit der Verwertung im Sinne der betroffenen Gläubiger.“ Da die Bergfürst AG allerdings lediglich Vermittler sei, könne sie darüber hinaus – insbesondere zum Projektverlauf – keine weiteren Informationen zur Verfügung stellen. So bleiben die meisten offenen Fragen unbeantwortet.
Der Termin für die Zwangsversteigerung musste indes auf 24. Januar (9 Uhr) verschoben werden, da es laut Gericht einen Übermittlungsfehler bei der Summe des Verkehrswertes gab. Ob eine Insolvenz des Investors hinter dem Verfahren steht, dazu könne das Gericht nichts sagen. Der Verkehrswert jedenfalls steht für das Gebäude samt der Flurstücke, auf denen es errichtet worden ist, fest: rund 1,7 Millionen Euro. Die Wertminderung wird mit Blick auf Bauschäden und Baumängel im Gutachten auf ca. 6,2 Millionen Euro geschätzt. Wer das Gebäude ersteigert, muss dann voraussichtlich mit Sanierungs- und Fertigstellungskosten in Höhe von 5 bis 7,4 Millionen rechnen.
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