Essen-Werden. Das Essener Frühförderinstitut „Folkwang Junior“ eröffnet Musikschülern die Möglichkeit, Hochschulluft zu schnuppern. Junge Talente berichten, was sie erleben.

Das Institut „Folkwang Junior“ wurde 2019 mit dem Ziel gegründet, junge musikalische Talente des Ruhrgebiets zu fördern. Besonders begabte Musikschüler erhalten die Möglichkeit, bereits während ihrer Schulzeit Hochschulluft zu schnuppern. Eine Hürde ist die Eignungsprüfung, die schon für so manches hoffnungsvolle Talent zum Stolperstein wurde. Die Begabung muss halt besonders sein.

Der Hauptfachunterricht findet an der Folkwang Universität der Künste statt. Nebenfächer wie „Musiktheorie“ werden an wohnortnahen Musikschulen durchgeführt, die mit der Uni kooperieren. Prof. Dr. Matthias Sakel als Vorstand von „Folkwang Junior“ freut sich, dass sich diese musikalisch-künstlerische Talentschmiede etabliert hat.

Diese junge Menschen haben so einiges an Preisen vorzuweisen

Lakeisha Koprowski (16, Klavier) und Frido Limper (14, Posaune) sind aktuelle Jungstudierende. Vincent Heeren (Klavier) ist schon einen Schritt weiter und bereits „richtiger“ Vollzeitstudent an Folkwang. Er eifert darin seinem älteren Bruder Benedict nach und gilt mit 15 Jahren als einer der jüngsten Musikstudenten in Deutschland, wenn nicht gar als der jüngste. Fridos jüngere Schwester Emilie (zwölf, Geige) steht vor der Eignungsprüfung für ein Jungstudium.

Der Hauptfachunterricht findet an der Folkwang Universität der Künste statt. Nebenfächer wie „Musiktheorie“ werden an wohnortnahen Musikschulen durchgeführt, die mit der Uni kooperieren.
Der Hauptfachunterricht findet an der Folkwang Universität der Künste statt. Nebenfächer wie „Musiktheorie“ werden an wohnortnahen Musikschulen durchgeführt, die mit der Uni kooperieren. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Diese junge Menschen haben so einiges vorzuweisen. Erste Preise, auch internationale, konnten gewonnen werden, sie musizieren solistisch und in verschiedenen Ensembles mit großem Erfolg. Was bedeutet es für die Familien, wenn ein Kind oder gar mehrere eine berufliche Zukunft in der Musik anstreben?

Die musischen Talente zeigten sich bereits in der Kindheit

Lakeisha wohnt in Essen-Süd und geht auf das Gymnasium Essen-Werden. Vater Adam Koprowski berichtet: „Sie setzte sich aus Spaß ans Klavier und spielte Stücke nach, die sie gehört hatte.“ Mit sechs gab es ersten richtigen Unterricht: „Es wurde klar, dass das Kind mehr kann. Wir hofften auf bestmögliche Förderung. Nur per Zufall sind wir auf eine gute Klavierlehrerin gestoßen.“ Aufgrund einer gewissen „Undurchlässigkeit“ im System sei es „ein steiniger, ein ewig langer Weg“ gewesen für Lakeisha.

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Deren Mutter Sophie sagt das so: „Wir hatten lange den Eindruck, dass im regulären System Kinder von Musikern leichter vorankommen. Wir fühlten uns regelrecht ausgebremst. Aber wir haben weiter an unser Kind geglaubt.“ Erst bei „Folkwang Junior“ sei Lakeisha „endlich gehört“ worden.

Auch Gerlinde Heeren musste erkennen, dass vieles schwerer falle, wenn man nicht „in der Szene“ daheim sei: „Wenn man keine Connections hat und nicht weiß, an wen man sich wenden muss. Wir sind keine Musikerfamilie.“ Für Vincent sei es ein Glück gewesen, dass ihm der große Bruder den Weg gebahnt habe. Der 24-jährige Benedict Heeren macht aktuell an Folkwang seinen Bachelor in Gesangspädagogik und studiert nun auch Gesang. Bruder Vincent lächelt: „Mit vier Jahren habe ich mich erstmals ernsthaft ans Klavier gesetzt und geübt.“

Begabungen werden vor allem dort, wo Musik in den Familien gefördert wird

Auch Mareike Limper vermutet, dass Begabungen vor allem dort entdeckt werden, wo Musik in den Familien gefördert wird: „Es gibt garantiert viele unerkannte Talente.“ Die Heidhauserin studierte Musik, wie ihre Schwester auch. Alle vier Kinder musizieren. Sohn Frido bekam von der Tante ein Stück Gartenschlauch und ein Mundstück in die Hand gedrückt: „Als Sechsjähriger habe ich dann mit Posaunenstunden begonnen.“

Mutter Mareike: „Hier bekommt Frido tollen Unterricht. Ein großes Geschenk.“ Inzwischen klopft auch Tochter Emilie an die Tür von „Folkwang Junior“: „Ich bin die einzige in der Familie, die Geige spielt. Doch mein Uropa war auch Violinist. Dessen über hundert Jahre altes Instrument durfte ich spielen, nachdem es restauriert worden war. Mit einer neuen Geige bereite ich mich auf die Prüfung vor. Aufgeregt bin ich aber noch nicht.“

Ihr aller Traum ist es, später auf der Bühne zu stehen

Wie hoch ist der Zeitaufwand? Für Lakeisha eine fast absurde Frage: „Eigentlich jede freie Minute. Ich habe so viele Projekte und spiele auch Saxophon. Dafür übe ich ebenfalls intensiv.“ Vincent überschlägt: „Stundenlanges tägliches Üben. Dazu noch Proben, Konzerte und die Fahrten dahin. Aber ich bekomme Kontakte zu Menschen, die mir in der Musik weiterhelfen. Da ist mir keine Minute zu schade.“

Was ist der Traum? Emilie möchte unbedingt Geigerin werden, auch wenn sie um die harte Konkurrenz weiß: „Wer später damit Geld verdienen möchte, der muss nicht nur extrem gut sein, sondern auch noch Glück haben.“ Bruder Frido strahlt: „Orchestermusiker wäre ein Traum. In einem richtig guten Ensemble, am liebsten beim Chicago Symphony Orchestra.“

Lakeisha strebt ein Musikstudium an: „Ich würde gerne auf die Bühne und dort Klassik und Jazz mischen. Aber Klassik hat schon Priorität…“ Vincent muss nicht lange nachdenken: „Auf jeden Fall möchte ich Konzertpianist werden.“ Erste Solokonzerte verliefen vielversprechend: „Ich möchte meine Musik in die Herzen der Menschen bringen.“

Talente werden bei „Folkwang Junior“ unabhängig vom Geldbeutel gefördert

So stolz man auch ist auf so viel musikalische Hochbegabung, Optimierungsbedarf sieht „Folkwang Junior“-Vorstand Prof. Dr. Matthias Sakel dennoch. Nämlich beim offiziellen Status der Jungstudierenden als Gasthörer. Der führe nämlich dazu, dass die Hochschulen für diese Talente keine Finanzierung durch das Land NRW erhielten: „Die Teilnahme an unserem Programm ist kostenfrei. Wir fördern Begabung unabhängig von der sozialen Herkunft.“ Also unabhängig vom Geldbeutel.

Prof. Matthias Sakel 

„Die Teilnahme an unserem Programm ist kostenfrei. Wir fördern Begabung unabhängig von der sozialen Herkunft.“

Prof. Dr. Matthias Sakel,
Vorstand von „Folkwang Junior“

Die Eltern der jungen Talente sind höchst dankbar, dass ihren Kindern hier ermöglicht wird, den großen Traum zu verwirklichen. Dass hier professionell, mit strenger Hand, aber wohlwollend und vor allem individuell und vielseitig gefördert werde, sei absolut nicht selbstverständlich.

Solch qualitativ hochklassige Ausbildung sei im Regelfall nicht günstig zu haben, hatte Mutter Gerlinde Heeren feststellen müssen: „Wir konnten einen Konzertpianisten dafür gewinnen, unseren Vincent auf die Prüfung vorzubereiten.“ Das sei aber ein beträchtlicher finanzieller Kraftakt gewesen. Dass es hier gezielte Förderung gebe, ohne sich finanziell verausgaben zu müssen, sei ein Segen. Denn solche Möglichkeiten wie bei „Folkwang Junior“ wären alleine absolut nicht zu stemmen gewesen für Familie Heeren: „Wir sind zutiefst dankbar.“ Dafür habe man die Fahrten von Wanne-Eickel gerne in Kauf genommen.

Auftritte mit Profi-Ensembles und Begegnungen mit Weltstars

Den Unterricht müsse die Hochschule aus ihrem eigenem Budget zahlen, erklärt Matthias Sakel: „Diese finanziellen Rahmenbedingungen beschränken unsere Arbeit doch sehr.“ 20 Jungstudierende seien derzeit das Limit, dabei gebe es deutlich mehr hochbegabte Kinder und Jugendliche: „Wir sind dankbar für Spenden und Stipendien, die es uns erleichtern, unseren Talenten bestmögliche Ausbildung zukommen zu lassen.

Dazu gehören neben Konzertauftritten mit Profi-Ensembles auch Begegnungen mit Weltstars wie Frank Peter Zimmermann. Förderlich sind die Teilnahme an Meisterkursen, Instrumentenstipendien und der intensive Austausch mit den anderen Hochbegabten.“

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