Essen. Wie vom Oberbürgermeister befürchtet, kam es in Essen zu verbotenen Äußerungen. Gegen Ende der Demo in Altendorf griff die Polizei dann durch.
Oberbürgermeister Thomas Kufen wollte unterbinden, dass am Montag (7.10.) mehrere Anti-Israel-Demonstrationen in Essen stattfinden konnten und begründete dies damit, dass antisemitische Parolen wahrscheinlich seien. Die Verbotsforderung ließ sich aber nicht durchsetzen: Die Polizei Essen als zuständige Versammlungsbehörde sah auch am 7. Oktober, dem ersten Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel, das Demonstrationsrecht als vorrangig an. Mit seinen Befürchtungen sollte der Oberbürgermeister jedoch Recht behalten: Mutmaßlich verbotene antisemitische Parolen ertönten vor allem in Altendorf, die Polizei hatte nicht die Möglichkeit, sie alle zu unterbinden.
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Anti-Israel-Demo in Essen: Gleich zu Beginn gab es Ärger
Mit rund 60 Teilnehmern startet die Anti-Israel-Demo auf dem Ehrenzeller Markt, beim Zug durch Altendorf bekommt man Zuwachs auf rund 150 Teilnehmer. Gleich zu Anfang gibt es ersten Ärger: Die Polizei verlangt, dass ein Plakat mit der Aufschrift „Gegen Genozid und Besatzung“ entfernt wird, da der „Genozid“-Vorwurf nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Drei Dutzend Polizisten stehen bereit, um die Entfernung notfalls mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Unter Protest lenken die Plakat-Träger schließlich ein.
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Die Demonstranten provozieren im Folgenden aber weiter und rufen immer wieder „Genozid“. Der Ausdruck bedeutet Völkermord und stellt Israel bewusst in die Nähe von Regimen wie den Nationalsozialismus. Viele Experten sehen darin ein typisches antisemitisches Klischee, das mit Kritik an der Politik Israels nichts mehr zu tun hat. Schmähungen wie „Kindermörder“, „Frauenmörder“, „Massenmörder Israel“ gibt es auf der Demo natürlich auch am laufenden Band.
Polizei Essen kündigte striktes Vorgehen bei Anti-Israel-Demo an
Die Versammlungsfreiheit sei ein tief im Grundgesetz verankertes Recht, das die Polizei sicherstellen müsse, hatte Polizeipräsident Andreas Stüve gestern betont, jedoch auch die Grenzen aufgezeigt: „An einem symbolträchtigen Tag wie heute, an dem sich der Angriff der Hamas auf Israel jährt, werden wir konsequent gegen jeden vorgehen, der sich antisemitisch verhält.“ Man werde „Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verfolgen, wenn es zu judenfeindlichen Äußerungen oder Handlungen kommen sollte“, so Stüve.
In der Praxis stellt sich das indes als nicht so einfach dar. Denn die Demonstranten in Altendorf kümmern sich nicht um die Anweisungen der Polizei, jedenfalls soweit es das gesprochene Wort betrifft: „Wir stehen hier heute zusammen nach einem Jahr Genozid“, sagt eine Rednerin unter Beifall, ohne dass die Polizei einschreitet.
Gegen Ende der Demo will die Polizei dann offenbar ein Exempel statuieren: Eine Rednerin, die Verbotenes geäußert hat, soll zwecks Strafverfolgung ihre Personalien feststellen lassen, weigert sich aber. Der Einsatzleiter offeriert den Demonstranten zwei Möglichkeiten: Entweder die Frau stelle sich freiwillig oder man werde sie aus der Gruppe herausholen, auch gegen ihren Willen. „Das ist ganz normaler Anspruch des Staates, eine Straftat zu verfolgen.“ Die Polizei arbeitete dann in der Folge auch mit Zugriffen. Ob diese zum Erfolg führten, blieb am Abend zunächst unklar. Die Kreuzung Altendorfer Straße/Helenenstraße, an der sich die Situation etwa drei Stunden nach Beginn der Demo zuspitzte, wurde gegen 22 Uhr geräumt und die Veranstaltung beendet.
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Essens Oberbürgermeister will 7. Oktober im Versammlungsgesetz aufnehmen
Um im Rahmen des NRW-Versammlungsgesetzes zukünftig Rechtssicherheit zu schaffen, will sich Kufen im Städtetag dafür einsetzen, den 7. Oktober im Versammlungsgesetz aufzunehmen. „Das 2022 aktualisierte Gesetz enthält bereits zwei Gedenktage, die besonders geschützt werden. Der 27. Januar als Tag der Befreiung des Vernichtungslagers in Auschwitz und der 9. November, der das Gedenken an die Reichspogromnacht in Erinnerung hält, zählen dazu“ so Kufen
„Auch der 7. Oktober, als ein Tag in der Geschichte Israels, an dem über 1100 Jüdinnen und Juden brutal durch die Hamas ermordet wurden, sollte zu diesen besonders schützenswerten Gedenktagen gehören“, regt Kufen an. Mit der Initiative solle ein Zeichen verbunden sein, „dass sich Menschen jüdischen Glaubens in Essen und NRW sicher fühlen können und wir an ihrer Seite stehen“, so der Oberbürgermeister.
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