Essen. Ausgerechnet am Jahrestag des Überfalls der Hamas gibt es in Essen Anti-Israel-Demos. Die Polizei hat Mühe, verbotene Parolen zu unterbinden.
- Ausgerechnet am Jahrestag des brutalen Überfalls der Terrororganisation Hamas auf Israel soll in Essen-Altendorf am Montag, 7. Oktober, eine pro-palästinensische Demo stattfinden.
- Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte ein Verbot gefordert. Die Polizei verweist jedoch auf das Versammlungsrecht und die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungsfreiheit.
Pro-Palästina-Demo in Essen: Unser Newsblog
Wir beenden jetzt diesen News-Ticker und wünschen allseits eine gute Nacht!
22.10 Uhr. Die Kreuzung Altendorfer Straße/Helenenstraße ist frei für den Verkehr, der Einsatz beendet. Bilanz der Polizei: Drei Strafanzeigen, ein bei einer Rangelei leicht verletzter Polizist, eine Körperverletzung durch Teilnehmer der Demo, die untereinander in Streit gerieten.
22 Uhr. Die Polizei hat angefangen die Versammlung aufzulösen, rund 40 Personen lenken nur zögerlich ein. Es entsteht eine unübersichtliche Situation. Ein Mann wird bei einem Zugriff abgeführt. Einen zweiten Zugriff der Frau, die eine verbotene Äußerung tätigte - es soll um die Ereignisse des 7. Oktober gegangen sein - gibt es nicht. Mutmaßlich konnte sie nicht sicher identifiziert werden, weil sie das Kopftuch, an dem man sie ausmachen wollte, womöglich nicht mehr trug. Hier ein Video von der Situation auf der Kreuzung:
21.30 Uhr. Die Polizei hat eine Sprecherin ausgemacht, die Verbotenes geäußert hat und sich nun verantworten soll, indem sie ihre Personalien feststellen lässt. Der Einsatzleiter offeriert den Demonstranten zwei Möglichkeiten: Entweder die Frau stelle sich freiwillig oder man werde sie aus der Gruppe herausholen, auch gegen ihren Willen. „Das ist keine Drohung, sondern ganz normaler Anspruch des Staates, eine Straftat zu verfolgen.“ Drumherum versammelt sich immer mehr Publikum an der Kreuzung - wie hier im Video zu sehen ist:
21.20 Uhr. Eine kleine Gruppe scheint einer Eskalation nicht abgeneigt. Es kommt zu Rangeleien auf der Kreuzung, ein Demonstrant, der beschwichtigen will, wird mit einer Fahnenstange geschlagen. Die Polizei bleibt noch zurückhaltend.
21.15 Uhr. Rund 50 Leute finden einfach kein Ende und blockieren weiterhin die Kreuzung Altendorfer Straße/Helenenstraße. Klare Aufforderungen der Polizei („Das, was Sie hier machen, ist Nötigung“), das ungesetzliche Handeln sofort zu beenden, werden ignoriert oder nur sehr zögernd umgesetzt.
20.50 Uhr: Nach einem langen Zug über Hirtsiefer-, Kerckhoff-, Berliner und Oberdorfstraße platzieren sich noch rund 70 Demonstranten mitten auf der Kreuzung Altendorfer Straße/Helenenstraße. Appelle der Polizei weiterzugehen, verhallen zunächst ungehört.
20.15 Uhr. Auch in der Innenstadt gibt es eine Anti-Israel-Demo vor der Lichtburg, offenbar vor allem initiiert von der linksextremistischen MLPD. Die Polizei hat hier nach Angaben eines Sprechers den Demo-Zug angehalten, um bestimmte Plakatparolen auf ihre strafrechtliche Relevanz zu überprüfen. Ergebnis sei gewesen: Die Plakat-Inhalte waren von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der Veranstalter habe sich da aber bereits entschieden, die Kundgebung an Ort und Stelle vor der Lichtburg abzuhalten, so die Polizei.
20.10 Uhr. Und auch das gibt es: Seit Beginn der Demo geht ein Mann mit einem roten Plakat vor dem Demo-Zug her auf dem steht: „Muslime gegen Antisemitismus“. Das bringt ihm gelegentlich Diskussionen mit anderen Teilnehmern ein.
19.45 Uhr. Selbst dem Wettergott scheint es zu viel zu werden mit den Parolen: Es beginnt zu regnen, jedoch nur ein paar Tropfen.
19.15 Uhr. Die Demonstranten kümmern sich nicht um die Anweisungen der Polizei, jedenfalls soweit es das gesprochene Wort betrifft: „Wir stehen hier heute zusammen nach einem Jahr Genozid“, sagt eine Rednerin. Für eine kurze Kundgebung blockieren die Demonstranten eine gute Dreiviertelstunde die Altendorfer Straße in Fahrtrichtung Westen. Laut Polizei mögen es so um die 180 Teilnehmer sein, die ihr zuhören.
19 Uhr. Beim Marsch durch den Stadtteil Altendorf hat die in Teilen unverhohlen antisemitische Demo Zuwachs erhalten. Beobachter sprechen nun von rund 120 Teilnehmern. Diese Redaktion hat versucht, mit einigen namentlich ins Gespräch zu kommen, darunter auch der Demo-Veranstalter, dies wurde jedoch abgelehnt.
18.50 Uhr. Die Demonstranten provozieren weiter und rufen „Genozid“, skandieren mal „Völkermord!“, mal das englisch: „Genocide“. Der Ausdruck stellt Israel bewusst in die Nähe von Regimen wie den Nationalsozialismus. Viele Experten sehen darin ein typisches antisemitisches Klischee, das mit Kritik an der Politik Israels nichts mehr zu tun hat. Schon klassische Schmähungen wie „Kindermörder“, „Frauenmörder“, „Massenmörder“ Israel gibt es natürlich auch.
18.40 Uhr. Die Demonstranten wollen die Aufforderung der Polizei zunächst nicht einsehen, nehmen dann aber doch unter Protest das Plakat herunter. Zuvor liest der Demo-Veranstalter eine längere Liste mit Formulierungen vor, die weder auf Plakaten noch in gerufenen Slogans toleriert würden. Als das geklärt ist, startet der kleine Protestzug vom Ehrenzeller Markt zunächst zur Altendorfer Straße.
18.30 Uhr: Es scheint bei den rund 60 bis 70 Demonstranten zu bleiben, die auch angemeldet waren. Aber trotzdem gibt es gleich zu Anfang der Demo den ersten Ärger: Die Polizei verlangt, dass ein Plakat mit der Aufschrift „Gegen Genozid und Besatzung!“ entfernt wird, da der „Genozid“-Vorwurf nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Drei Dutzend Polizisten stehen bereit, um dies notfalls mit Gewalt durchzusetzen.
17 Uhr: Wie Essens OB, so empörte sich auch die Stadtspitze in Frankfurt am Main über eine für den heutigen Montag geplante pro-palästinensische Kundgebung in der Stadt. Da ein mögliches Verbot nach hessischem Landesrecht der Stadt obliegt, ließ Oberbürgermeister Mike Josef die Demo prompt verbieten, musste sich allerdings erst einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt und anschließend einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Hessen geschlagen geben. Beide hoben das Versammlungsverbot auf.
Update Montag, 7.10., 16.40 Uhr: Die Polizei meldet, dass am Montag (7. Oktober) in Essen mehrere Versammlungen mit Bezug zum Nahostkonflikt stattfinden. Derzeit gebe es keine Hinweise auf einen unfriedlichen Verlauf. Die Polizei sei dennoch gut vorbereitet.
„An einem symbolträchtigen Tag wie heute, an dem sich der Angriff der Hamas auf Israel jährt, werden wir konsequent gegen jeden vorgehen, der sich antisemitisch verhält. Die Versammlungsfreiheit ist ein tief im Grundgesetz verankertes Recht, das wir als Polizei sicherstellen müssen. Doch ebenso werden wir konsequent Maßnahmen ergreifen und Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verfolgen, wenn es zu judenfeindlichen Äußerungen oder Handlungen kommen sollte,“ sagt Polizeipräsident Andreas Stüve.
Update Montag, 7.10., 16.30 Uhr: Für den 7. Oktober, dem ersten Jahrestags des schweren Angriffs der Hamas auf Israel, sind auch in Essen pro-palästinensische Demonstrationen angemeldet. Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte sich dafür eingesetzt, dass die Demonstrationen nicht wie geplant stattfinden können. Grundlage für eine Untersagung seien unter anderem zu erwartende israelfeindliche und antisemitische Äußerungen, die die öffentliche Sicherheit gefährden. Nach intensiver Abstimmung mit der Polizei Essen als zuständige Versammlungsbehörde können die Demonstrationen stattfinden.
Um im Rahmen des NRW-Versammlungsgesetzes zukünftig Rechtssicherheit zu schaffen, will sich Oberbürgermeister Thomas Kufen im Städtetag NRW dafür einsetzen, den 7. Oktober im Versammlungsgesetz aufzunehmen. „Das 2022 aktualisierte Gesetz enthält bereits zwei Gedenktage, die hierin besonders geschützt werden. Der 27. Januar als Tag der Befreiung des Vernichtungslagers in Auschwitz und der 9. November, der das Gedanken an die Reichspogromnacht in Erinnerung hält, zählen dazu. Auch der 7. Oktober, als ein Tag in der Geschichte Israels, an dem über 1.100 Jüdinnen und Juden brutal durch die Hamas ermordet wurden, sollte zu diesen besonders schützenswerten Gedenktagen gehören. Mit der Initiative für eine Erweiterung des Gesetzes soll ein Zeichen verbunden sein, dass sich Menschen jüdischen Glaubens in Essen und NRW sicher fühlen können und wir an ihrer Seite stehen“, so Oberbürgermeister Thomas Kufen.
Pro-Palästina-Demo in Essen: Unsere Vorberichterstattung
Aufregung um eine Pro-Palästina-Demo am 7. Oktober: Ausgerechnet am Jahrestag des brutalen Anschlags der Terrororganisation Hamas auf Israel, soll in Altendorf am Montag eine pro-palästinensische Demonstration stattfinden. Oberbürgermeister Thomas Kufen zeigt sich entsetzt und fordert die Polizei auf, die Kundgebung zu verbieten.
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„Das deutsche Demonstrationsrecht hat für uns als Gesellschaft fundamentalen Wert und ist im Grundgesetz verankert. Einzelpersonen, Gruppierungen oder Vereinigungen dürfen auf unseren Straßen und Plätzen demonstrieren, solange sie die von der Polizei vorgegebenen Auflagen befolgen“, betont Kufen. Die für Montag angekündigte Demonstration in Altendorf halte er allerdings aus mehreren Gründen für falsch.
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen wertet Demonstration als Provokation
„Am 7. Oktober jähren sich die schweren terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel. Daher ist die Demonstration eine gezielte Provokation, sowohl gegen jüdische Gemeinschaft als auch gegen die deutsche Gesellschaft, die klar an der Seite Israels steht. Darüber hinaus feiern Menschen jüdischen Glaubens mit dem Neujahrsfest ‚Rosch ha-Schana‘ und dem Ruhe- und Fastentag ‚Jom Kippur‘ derzeit und in den kommenden Tagen hohe Feiertage“, so Kufen weiter. Bei der von einer nicht aus Essen kommenden Privatperson angemeldeten Demonstration sei aber zu befürchten, dass es den Teilnehmenden offensichtlich weniger um das Leid der Menschen im Nahen Osten gehe, sondern viel mehr um die Verbreitung radikal-islamistischer Parolen.
„Vor diesem Hintergrund und der zu erwartenden, israelfeindlichen und antisemitischen Äußerungen auf dieser Demonstration stehe ich entschieden dafür, dass die Polizei Essen dem Vorbild der Stadt Frankfurt folgt, die eine ähnliche Demonstration abgesagt hat“, betonte Kufen.
Die Stadt Frankfurt hat in einem ähnlich gelagerten Fall eine für den 7. Oktober angemeldete Pro-Palästina-Demonstration untersagt. Die Kundgebung ausgerechnet am 7. Oktober, dem Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs, anzumelden, sei eine extreme Provokation, erklärten der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef und Annette Rinn, Ordnungsdezernentin der Main-Metropole, in einer Stellungnahme. Es sei zu befürchten, dass es im Rahmen der Demonstrationen Straftaten wie Volksverhetzung, Aufrufe zu Straftaten sowie israelfeindliche und antisemitische Äußerungen geben werde.
Die Essener Polizei verweist auf das Versammlungsrecht und die Meinungsfreiheit
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Die Essener Polizei erklärte auf Anfrage der Redaktion zunächst, dass die Demonstration in Altendorf stattfinden könne. Eine Sprecherin der Polizeibehörde verwies auf das Versammlungsrecht und die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungsfreiheit. Am Nachmittag hieß es dann aus dem Präsidium, dass die rechtliche Prüfung noch nicht abgeschlossen sei. Da war die öffentliche Protestnote des Oberbürgermeisters bereits in der Welt. Ob die Polizei möglicherweise rechtliche Bedenken gegen die Durchführung der Kundgebung hat oder gar um die öffentliche Sicherheit fürchtet, bleibt also abzuwarten.
Die Kundgebung auf dem Ehrenzeller Markt, an die sich ein Demonstrationszug anschließen soll, steht unter dem Motto „Gegen die wiederholte Aggression Israels“ und wurde von einer Privatperson angemeldet, teilte die Polizei auf Anfrage der Redaktion mit. Erwartet werden 60 Teilnehmer. In sozialen Medien kursiert ein Demo-Aufruf einer Gruppe, die sich „Palästinasolidarität Bochum Ruhr“ nennt.
Auch die Montagsdemonstration auf der Porschekanzel widmet sich dem aktuellen Nahostkonflikt mit der Forderung nach einem Waffenstillstand. Die Veranstalter rechnen dort mit 150 Teilnehmern.
Dass eine als „Pro-Palästina“-Kundgebung angemeldete Demonstration in Essen durchaus Tausende mobilisieren kann, zeigte sich Anfang November vergangenen Jahres. Damals zogen 3000 Teilnehmer entlang der Innenstadt, doppelt so viele wie angemeldet. Mit Parolen und Transparenten, die denen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ ähnelten und auf denen sie die Errichtung eines islamischen Gottesstaates forderten, sorgten sie für verstörende Bilder und Entsetzen bei Passanten, Beobachtern und beim Oberbürgermeister. Kufen damals: „Solche Bilder wollen wir in Essen nicht sehen.“
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