Essen. Deutsch-arabische Protestler haben in Essen Opfer unter Ärzten und Zivilisten in Gaza beklagt. Bedauern über israelische Opfer zeigten sie nicht.
Friedlich und diszipliniert haben am Samstag (21. Oktober) rund 350 Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer Kundgebung in Essen ihre Solidarität mit medizinischem Personal und weiteren zivilen Opfern im Gazastreifen gezeigt. Den Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vor zwei Wochen und deren Gewalttaten an der israelischen Zivilbevölkerung klammerten die Demonstranten dagegen aus.
Aufgerufen zu der Veranstaltung hatte ein Bündnis deutsch-arabischer Mediziner-Vereine; die Teilnehmer kamen auch aus anderen Bundesländern nach Essen. Auf dem Hirschlandplatz in der Innenstadt unterstrichen sie in weißen Arztkitteln ihren Berufsstand und ihr Anliegen: „Stoppt die Angriffe auf Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen in Gaza“, hieß es da etwa.
Keine Hasspropaganda, aber einseitige Schuldzuweisungen Richtung Israel
Ausdrücklich zogen die Veranstalter dafür auch den Raketenschlag auf das christliche Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt an diesem Dienstag (17. 10.) heran, für den Israel die Verantwortung zurückweist: Video- und Audioaufnahmen sollen belegen, dass eine fehlgeleitete Rakete der palästinensischen Miliz die fatale Explosion auslöste. Inzwischen gilt das als äußerst wahrscheinlich. Ungeachtet dessen wird der „tiefe Schmerz“ – die wohl weltweit geteilte Trauer um die getöteten Patienten, Pflegekräfte und Mediziner – auf der Demo auf ungute Weise mit einer Schuldzuweisung in Richtung Israel verbunden.
Das Mitgefühl für die Bevölkerung des Gazastreifens, die Forderung nach einer „Öffnung sicherer Korridore“ für die (medizinische) Versorgung der Menschen, der Verweis auf „die besonders große humanitäre Verantwortung“ als Mediziner – damit wirbt die Kundgebung um Solidarität. Es ist eine Veranstaltung der leisen Töne. Hier wird nicht skandiert oder die Vernichtung Israels gefordert, hier gibt es keine lautstarke Hasspropaganda, es wehen nur deutsche und Palästina-Fahnen.
Demo verläuft friedlich und ohne Zwischenfälle
So penibel wie die Ordner für einen freien Zugang zum Platz sorgen, so penibel achten die Veranstalter darauf, dass keine verbotenen Zeichen und Flaggen gezeigt werden. „Es ist alles sehr friedlich und koordiniert abgelaufen, es gab nicht eine polizeiliche Maßnahme“, bestätigt auch Polizeisprecher Thomas Weise.
Schon zur Begrüßung hat ein Redner betont: „Wir distanzieren uns von jeglichen antisemitischen Parolen, weil das Gesetz in Deutschland so ist.“ Das klingt weniger nach Überzeugung als nach einer Beschwörung, diesen Protest nicht zu beschädigen.
Im Folgenden sprechen die Redner von „Opfern israelischer Aggression“, von „Angriffen israelischer Streitkräfte“ und von „Besatzungstruppen“ – sowie auf der palästinensischen Seite von „unschuldigen Zivilisten“, „zivilen Opfern“, einem „Massaker gegen Ärzte“. Sie appellieren an die Vereinten Nationen, „die Zerstörung des Gesundheitssystems zu stoppen“.
Kein Wort der Anteilnahme für die israelischen Opfer
Die Teilnehmer setzen dabei auf die besondere Glaubwürdigkeit, die man ihrem Berufsstand ebenso zubilligt wie ein besonders hohes Ethos. Sie stünden hier als deutsche Ärzte, als diejenigen „deren Lebensaufgabe es ist, Menschen zu helfen“. Der Chirurg Dr. Muneer Deeb vom Deutsch-Palästinensischen Ärzteforum „PalMed“ betont auf Nachfrage: „Wir behandeln Menschen gleich welcher Herkunft, Rasse und Religion.“ Umso verstörender ist der blinde Fleck im Sichtfeld der Demonstranten: Kein Wort der Anteilnahme fällt zu den Opfern auf israelischer Seite, zu den Toten, den Verletzten und den Verschleppten.
Schlimmer noch: Der Angriff der Hamas wird nicht bloß unterschlagen, sondern die Rollenzuschreibung völlig verkehrt, wenn es im Demo-Aufruf heißt: „Die Geschichte hat uns gelehrt, als Ärzteschaft nicht auf der Seite des Aggressors zu stehen.“ Spätestens da bekommt der behauptete rein humanitäre Appell, Ärzte und Zivilbevölkerung zu verschonen, eine mehr als fragwürdige ideologische Schlagseite.