Essen. Eine Essener Familie züchtet seit sechs Generationen Obst und Gemüse für den Eigenbedarf. Im Garten fühlen sich auch Wildtiere wohl. Ein Besuch.
Eine grüne Oase mitten im Wohngebiet hat sich eine Familie in Essen-Heisingen geschaffen. Sie bewirtschaftet den riesigen Garten hinter dem Haus in sechster Generation.
Das Gelände unweit des Baldeneysees ist ein Ort der Erholung und Entspannung – für Menschen, aber auch für Wildtiere, die dem Grundstück regelmäßig ihren Besuch abstatten.
Essener Familie will ihren Beitrag zum Natur- und Artenschutz leisten
In dem Garten findet man keinen unkrautfreien Wimbledon-Rasen, sondern Pflanzen, die nicht nur Nahrung für die Familie, sondern eben auch für Bienen, Schmetterlinge und Co. bieten. Viel Zeit, sich im Grünen zu entspannen, bleibt den Besitzern allerdings nicht, denn ein Garten dieser Größenordnung bedeutet viel Arbeit und einen immensen zeitlichen Aufwand. Den Heisingern ist es wichtig, in ihrem überschaubaren, privaten Umfeld etwas für den Klima-, Natur- und Artenschutz zu tun, dort Gemüse, Blumen und Obst anzubauen und damit nicht nur Insekten und Vögel aller Art anzulocken.
Der regelmäßige Besuch von Rehen, Eichhörnchen, Wieseln, Füchsen und Fledermäusen ist für die Familie ein Beweis, dass sich bei entsprechender Bewirtschaftung auch Wildtiere in städtischen Gärten mitten im Wohngebiet wohlfühlen können. „Dazu muss der Garten auch nicht riesig sein“, ist Rosemarie B. überzeugt, die ihren vollständigen Namen nicht im Artikel lesen möchte.
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Sie verbringt im Sommer fast den ganzen Tag mit Gartenarbeit. „Ich stehe um halb sechs auf und bin um 23 Uhr fertig“, erzählt die frühere Krankenpflegerin. Ihr Mann und die beiden erwachsenen Kinder unterstützen sie, wenn sie von der Arbeit zurück sind. An heißen Tagen dauert allein das Gießen mit aufgefangenem Regenwasser viele Stunden, erzählt Rosemarie B. und man glaubt es ihr angesichts der großen Pflanzenvielfalt sofort.
Der Lohn der Arbeit: ein fruchtbares, blühendes Paradies hinter dem Haus und reichlich selbst gezogene Lebensmittel. Dabei hat jede Generation der alten Bergmannsfamilie offenbar ihre eigene Art der Bewirtschaftung: Für die Eltern seien Blumen im Gemüsebeet undenkbar gewesen, sagt Rosemarie B. Sie selbst setzt auf Vielfalt, auch für die Insekten, die durch Bestäubung der Pflanzen für guten Ertrag sorgen.
Im Garten in Essen-Heisingen finden nicht nur Insekten und Vögel Nahrung
„Je mehr verschiedene Insekten, desto mehr Vögel und Fledermäuse, die sich davon ernähren“, sagt Rosemarie B. In den Bäumen hängen Nistkästen für die Vögel. Die Gartenbesitzerin beobachtet nicht nur Rotkehlchen, Grün- und Buntfinken, Amseln und Drosseln, sondern auch Braunellen, Kernbeißer und Stieglitze. Sogar Mäusebussarde wurden schon auf dem Gelände gesichtet. Allerdings ist der Familie nicht jede Tierart willkommen: So fressen Ratten und Mäuse das Gemüse an und auch Marder sind nicht gern gesehen. „Die machen einfach einen fürchterlichen Krach“, findet die Heisingerin.
Bohnen, Möhren, verschiedene Kohlsorten, Rote Beete, Kürbisse, Gurken, Tomaten, Blattsalate, dazu Beeren und Steinobst aller Art: Den Gang zur Obst- und Gemüsetheke im Supermarkt können sich die Heisinger sparen. „Wir sind weitgehend Selbstversorger“, sagt Rosemarie B. Jetzt im Sommer kommt alles auf den Tisch, was der Garten hergibt. Für den Winter werde eingekocht, weil das eine nachhaltige Art sei, Nahrungsmittel haltbar zu machen.
Auch in anderen Bereichen legt die Familie Wert auf ökologisches Handeln. Die Heisinger düngen mit selbst angesetztem Brennesselsud, nutzen den Kompost für die Kürbisaufzucht und verarbeiten ihren Kohl selbst zu Sauerkraut, wie Tochter Kristina B. (29), gelernte Hauswirtschafterin, berichtet. Die Familie spüre die Auswirkungen des Klimawandels: „Wir ernten inzwischen auch noch im Dezember frischen Salat.“ Ihren ökologischen Fußabdruck wollen die Familienmitglieder möglichst klein halten, haben deshalb eine Photovoltaik-Anlage installiert und nutzen das Fahrrad, so oft es geht.
Wildkamera liefert eindrucksvolle Fotos von Rehen und Füchsen im Essener Wohngebiet
Dass Wildtiere den Garten häufig aufsuchen, beweisen Fotos der Wildkamera, die der Sohn installiert hat. Die tierischen Gäste sind zwar im Prinzip gern gesehen, aber die Ernte will die Familie ihnen dann doch nicht überlassen. So sollen Netze, Zäune und Planen es den Rehen, die ihren Nachwuchs sogar im Garten säugen, zumindest erschweren, sich an Baum und Beet zu bedienen.
„Die Rehe fressen auch die Rosen ab“, sagt Rosemarie B. und zeigt auf die angenagten Pflanzen. Der pink blühende Plox habe sich zum Glück wieder erholt. „Als ich neulich Stachelbeeren gepflückt habe, sind die Rehe bis auf zehn Meter herangekommen“, schätzt die Heisingerin, die auch nicht ausschließt, dass der Reh-Nachwuchs irgendwo im weitläufigen Garten, vielleicht unter dem Haselnussstrauch, geboren wurde.
Auch Nachbarn in Essen-Heisingen freuen sich über den tierischen Besuch
Dass die Gärten zwischen Baldeneysee, Kleingartenanlage und Schellenberger Wald beliebter Aufenthaltsort für Rehe und Co. sind, beobachtet auch Nachbar Ulrich Ziegast: „Die äsen hier hinter den Häusern oder fressen die vom Baum gefallenen Äpfel.“ Die Tiere kämen über den Parkplatz des benachbarten Tennisvereins, wo es keinen Zaun gebe. Sie hätten sich auch schon mal verlaufen und seien auf dem Tennisplatz gesichtet worden, wo sie auf der Flucht immer wieder gegen den Zaun gesprungen seien. „Da mussten mehrere Leute helfen, sie in die richtige Richtung zu treiben.“
Der 76-Jährige war früher als Diplom-Kaufmann viel unterwegs, lebte zeitweise in Frankfurt und Münster. In Heisingen wohnt er mit Unterbrechungen seit 42 Jahren, genießt als Segler die Nähe zum Baldeneysee und als Naturfreund die Möglichkeit, mit dem Fernglas Wildtiere hinter dem Haus zu beobachten, was auch dank des besonderen Gartens der Nachbarn regelmäßig möglich sei.
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